Nur allzu leicht akzeptieren wir im täglichen Sprachgebrauch einen Satz wie „Männer sind größer als Frauen“, obwohl er in dieser verkürzten Form definitiv falsch ist; jeder von uns kennt sicher Freundes- oder Geschwisterpaare, bei denen die Frau größer als der Mann ist. Korrekt müsste man zumindest sagen: „Im Mittel sind Männer größer als Frauen.“ Und dann bliebe immer noch die Frage offen, wie zuverlässig diese Aussage ist, wenn man die Mittelwerte für 10, 20 oder 30 zufällig herausgegriffene Paarungen berechnet hat.
Eine klinische Studie
Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Statistik, Ergebnisse aus Stichproben auf ihre Zuverlässigkeit zu prüfen. In der Onkologie sind dies häufig Ergebnisse einer klinischen Studie, bei der beispielsweise das mediane Gesamtüberleben (mOS) bei einer bestimmten Krebsart oder die Hazard Ratio (HR) beim Vergleich von zwei Therapien angegeben wird. In einem konkreten Fall [1] lesen wir, dass 596 an einem Ösophaguskarzinom Erkrankte in die Studie eingeschlossen wurden, von denen die Hälfte eine neuartige Immuntherapie, die andere Hälfte eine konventionelle Chemotherapie erhielt. Die Aussage „Mit OS als primärem Endpunkt betrug die HR 0,66“ bedeutet, dass auf zwei Verstorbene unter der Immuntherapie drei unter der Chemotherapie kamen (2:3 ≈ 0,67) [2].
Auch wenn die Stichprobengröße mit n = 596 durchaus respektabel ist, muss man sich fragen, ob dieses Ergebnis nur für die aktuelle Studie gilt oder auf alle Betroffenen übertragbar ist. Schließlich entsprechen 596 nur einem Promille der weltweit 600.000 Neuerkrankungen pro Jahr. Wir haben also keine Chance, den wahren Anteil der Überlebenden exakt zu berechnen. In der Praxis geht es aber genau um die Frage, ob die neue Therapie für alle Betroffenen in die Leitlinien aufgenommen werden soll oder nicht [1]. Die Statistik kann darauf keine verbindliche Antwort geben, aber sie kann die Entscheidung durch Angabe eines Konfidenzintervalls unterstützen.
In der hier zitierten Studie betrug das 95%-Konfidenzintervall (95%-KI) 0,54 bis 0,80 (Abb. 1, grüne Säule).