Hereditäre Tumorerkrankungen machen etwa 5 % aller Krebserkrankungen aus [1]. Hierbei wird die Tumorentstehung durch das Vorliegen von pathogenen (krankheitsverursachenden) Keimbahnvarianten in bestimmten Genen begünstigt [2–4]. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ist das Lebenszeitrisiko für eine Tumorerkrankung bei den betroffenen Personen teilweise um 30–80 % erhöht. Die genetische Veranlagung für eine erbliche Tumorerkrankung folgt den Mendel`schen Vererbungsregeln, wobei die meisten erblichen Tumorsyndrome autosomal-dominant vererbt werden. Das Risiko, an einer bestimmten Tumorentität zu erkranken, variiert je nach den verschiedenen Genen, deren pathogene Veränderung eine Prädisposition für eine erbliche Tumorerkrankung darstellt. Bezogen auf die Tumorerkrankungen in der Allgemeinbevölkerung sind unter anderem Mamma-, Kolorektal-, Ovarial-, Pankreas- sowie Prostatakarzinome am häufigsten erblich bedingt [5].
Gendiagnostikgesetz (GenDG)
Um die Diagnose einer erblichen Prädisposition für bestimmte Tumorerkrankungen bei den betroffenen Personen korrekt zu stellen, ist eine genetische Diagnostik bei Personen mit klinischen Hinweisen auf eine erbliche Tumorprädisposition indiziert. Diese unterliegt in Deutschland dem Gendiagnostikgesetz (GenDG), das 2010 in Kraft getreten ist [6]. Dieses schreibt unter anderem vor, dass eine genetische Untersuchung zu medizinischen Zwecken nur von einem Arzt oder einer Ärztin veranlasst werden darf. Findet eine genetische Untersuchung zur Abklärung einer bereits bestehenden Erkrankung statt (diagnostische genetische Untersuchung), kann die Diagnostik von jedem Arzt/jeder Ärztin veranlasst werden; der betroffenen Person sollte jedoch ein humangenetisches Beratungsgespräch angeboten werden. Bei einer prädiktiven Diagnostik, also einer vorhersagenden Diagnostik bei einer Person, die zum Zeitpunkt der Testung nicht erkrankt ist, muss vor der genetischen Untersuchung ein humangenetisches Beratungsgespräch durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Humangenetik oder durch einen Arzt oder eine Ärztin, der oder die sich für die Zusatzbezeichnung für genetische Untersuchungen und Beratungen qualifiziert hat, erfolgen.
Die genetische Diagnostik darf nur nach erfolgter ärztlicher Aufklärung und Einwilligung der betroffenen Person durchgeführt werden. Ein weiterer Kernpunkt des GenDG ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dies beinhaltet das Recht auf Wissen (das bedeutet, die eigenen genetischen Befunde zu kennen) sowie das Recht auf Nichtwissen (das heißt, die eigenen genetischen Befunde nicht zu kennen).
Variantenklassifikation nach ACMG
Das Ziel einer molekulargenetischen Untersuchung ist die Detektion von Varianten in der DNA-Sequenz von Genen. Hierbei spielt die Interpretation etwaiger Sequenzvarianten eine maßgebliche Rolle. Die Einteilung dieser Sequenzvarianten für monogenetische Erkrankungen erfolgt nach dem Klassifizierungssystem des Amercian College of Medial Genetics and Genomics (ACMG) [7]. In diesem werden die Varianten entsprechend den Empfehlungen der International Agency for Research on Cancer (IARC) in fünf Klassen unterteilt [8] (Tab. 1).