In der Primärdiagnostik des Mammakarzinoms reichen meist konventionelle immunhistochemische Methoden (ggf. in Kombination mit einer Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung und/oder einer Genexpressionsanalyse) aus, um diejenigen Biomarker zu bestimmen, die für die Einteilung in die prognostisch relevanten molekularen Subtypen notwendig sind. Multigenassays, die auf Next Generation Sequencing (NGS) basieren, können insbesondere für Patient:innen mit fortgeschrittenen Tumorleiden eine molekular stratifizierte Therapie ermöglichen [1].
Mit verschiedenen Multigenassays wurden in den letzten Jahren Studien zu einem umfassenden genomischen Tumorprofiling (CGP) durchgeführt, die neben den häufigen Subtypen, also invasiven Mammakarzinomen (BC) vom nicht-spezifischen Typ (NST; nach vorhergehenden WHO-Klassifikationen als invasiv-duktale BC bezeichnet) sowie invasiv-lobulären BC (u. a. [2–5]), auch seltenere Subtypen (u. a. metaplastische BC, inflammatorische BC [6, 7]) umfassten und daneben auch neoadjuvant behandelte BC (aller Subtypen) einschlossen [8] und die vielversprechende Resultate erreichten. Bei 74 –95 % der analysierten Karzinome wurde mindestens eine potentiell zielgerichtet therapierbare genetische Alteration (actionable genetic alteration, AGA) nachgewiesen [2–8]. Eigene Erfahrungen (unpublizierte Daten) im Rahmen des molekularen Tumorboards zeigen allerdings geringere Frequenzen von AGA in den eingeschlossenen BC.
CGP-Analysen können an Formalin-fixiertem, Paraffin-eingebettetem (FFPE) Gewebe durchgeführt werden, wobei auch sehr kleine Gewebeproben wie Stanzbiopsien und zytologische Gewebeblöcke (bei entsprechendem Tumorzellgehalt) ausreichend Tumorgewebe enthalten. Während bei metastasenfreien Patient:innen direkt nach Erstdiagnose die Selektion der Entnahme-lokalisation des zu analysierenden Karzinomgewebes naturgemäß keine Rolle spielt (Untersuchungsgut ist der Primarius [Biopsie/Resektat)], ist in der fortgeschrittenen/metastasierten Situation (f/mBC) eine klinisch entscheidende Fragestellung, welches Gewebe für eine weiterführende CGP untersucht werden sollte. Mit anderen Worten: Spielt die Entnahmelokalisation des zu untersuchenden Gewebes eine Rolle hinsichtlich der Frequenz von AGA? Gibt es z. B. Änderungen in der Prävalenz genetischer Alterationen in Rezidiven, auch insbesondere in Abhängigkeit von vorhergehenden Therapien? Können sich in Rezidiven genetische Alterationen als Resistenzmechanismen entwickeln?
CGP-Analysen bei fortgeschrittenen Tumorleiden
Da die Standardtherapien bei primär diagnostizierten BC eindeutig definiert und erfolgreich sind, werden CGP-Analysen zur Therapiestratifikation bisher insbesondere bei Patient:innen mit fortgeschrittenen Tumorleiden durchgeführt. Daher wurden viele Studien sowohl an Primärtumoren als auch an lokoregionären Rezidiven und/oder Metastasen durchgeführt (u. a. [2, 9–11]). Eine Studie von Meric-Bernstam et al. [12] zeigte eine Konkordanz der detektierten Mutationen zwischen Metastasen und Primarius in 86,6 %, Kopienzahlvariationen (copy number variations, CNV) waren in 62,3 % konkordant. Ein genauerer Blick auf die Daten zeigt jedoch, dass 37,5 % der in der Studie eingeschlossenen Paare „Primarius – lokoregionäres Rezidiv“ zumindest eine genomische Diskordanz aufwiesen; bezüglich der Paare „Primarius – Metastase“ war bei 72 % mindestens eine genomische Diskordanz nachweisbar. Beispielsweise wurden akquirierte Mutationen in PIK3CA sowie Amplifikationen von CDK4 und MDM2 nachgewiesen. Eine weitere Studie mit Fokus auf Hirnmetastasen zeigte erhöhte Frequenzen von Alterationen in TP53, ERBB2, RAD21, NF1, BRCA1 und ESR1; außerdem wurde vergleichsweise häufiger eine hohe Mutationslast nachgewiesen [13]. In residuellen Karzinom-Infiltraten nach neoadjuvanter Chemotherapie wurden vermehrt Amplifikationen des MCL1-Gens (zum Teil als Ko-Amplifikation mit MYC) und des JAK2-Gens sowie PTEN-Deletionen und -Mutationen gefunden [8]. Diese Veränderungen in AGA sind von hoher klinischer Relevanz, da sie
- zusätzliche prognostische Informationen bieten (z. B. sind TP53-Mutationen mit einer schlechteren Prognose assoziiert),
- ggf. neue Therapieoptionen eröffnen (Tab. 1) und
- Informationen über Resistenzmechanismen hinsichtlich bestimmter Therapien liefern können (z. B. sind ESR1- und NF1-Mutationen mit Resistenzen gegen endokrine Therapien verbunden (Tab. 1) [13–15].
In Tab. 1 werden – in Anlehnung an die aktuelle Empfehlung der European Society for Medical Oncology (ESMO) zu NGS-Analysen beim f/mBC [16]; reviewed u. a. in [17] – diejenigen AGA aufgeführt, die als Biomarker für zielgerichtete therapeutische Ansätze in der Behandlung des f/mBC mit einem ESCAT-Level [18] I–III (ESCAT = ESMO Scale for Clinical Actionability of molecular Targets) bewertet werden.