„Leider ist die Umsetzung des Rechts auf Fruchtbarkeitserhaltung noch lückenhaft“, bilanzierte Prof. Mathias Freund, Kuratoriumsvorsitzender der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, auf einer Pressekonferenz. So werde die Kryokonservierung von Eierstockgewebe in der Regel nicht von den Krankenkassen gezahlt, wie zahlreiche Hilfeanfragen an die Stiftung zeigten. Etliche Betroffene klagen vor dem Sozialgericht. Prof. Ralf Dittrich vom Universitätsklinikum Erlangen erläuterte: „Die Kryokonservierung von Ovarialgewebe wird zu 90 % in Universitätskliniken durchgeführt, die aber nach G-BA keine Leistungserbringer sind. Hier kommt es also schon zu Beginn der Fruchtbarkeitserhaltung zum Streit um die Kostenübernahme. Zudem ist es fraglich, ob die Retransplantation des Gewebes von den gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlt werden muss.“
Erweiterte Richtlinie soll Kassenfinanzierung ermöglichen
Die Stiftung fordert eine Erweiterung der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sowie die Klärung der Rechtslage, um die Kassenfinanzierung zu ermöglichen. Einen Zeitplan hierfür gibt es jedoch nicht, auch drei Jahre nach dem Gesetz ist die Erweiterung noch nicht realisiert. Fraglich ist zudem, ob auch Mädchen vor Eintritt der Regelblutung davon profitieren würden. Das wäre aber sehr wichtig, betonte die Kinderärztin Dr. Magdalena Balcerek von der Charité Universitätsmedizin Berlin: „Präpubertär ist das Einfrieren von Keimzellgewebe aktuell die einzige mögliche Chance zum Fruchtbarkeitserhalt – sie muss also finanziert werden! Wenn wir den aktuell behandelten Kindern jetzt nichts anbieten, dann haben sie als Erwachsene keine Reserve, auf die sie zurückgreifen können.“ Bis zur tragfähigen Richtlinie sollte es großzügige Übergangsregelungen geben, etwa eine Übernahme der Kosten nach dem Kostenerstattungsprinzip, so der Vorschlag von Prof. Dittrich.
Probleme auch bei der Eizellkonservierung
Bei der Eizellkonservierung müssen 17-jährige Mädchen in Deutschland die Kosten in Höhe von etwa 1.500 Euro für die Hormone selbst tragen, während dies nach dem 18. Geburtstag von der Krankenkasse übernommen wird. „Wegen des verkürzten reproduktiven Zeitfensters nach gonadotoxischer Therapie ist es absolut notwendig, dass dieser Teil der Kryokonservierung für jugendliche Patientinnen genauso finanziert wird“, argumentierte Balcerek.
Kryokonservierung nach keimzellschädigender Therapie
Für Mädchen und junge Frauen kann es in bestimmten Fällen medizinisch sinnvoll sein, Eizellen oder Eierstockgewebe auch nach der Krebsbehandlung einzufrieren. Das ist dann der Fall, wenn die Zahl der Eizellen zwar durch die Behandlung vermindert wurde, sodass ein vorzeitiges Versagen der Eierstöcke droht, nach der Therapie jedoch für eine Zeit ein Fenster der Fruchtbarkeit fortbesteht. Die Richtlinie des G-BA schränkt den Anspruch auf Kassenfinanzierung auf die Situation vor einer geplanten Therapie ein. Die Stiftung fordert, die Richtlinie dem Gesetz anzupassen und die unzulässige Einschränkung zu beseitigen.
Kosten für die Langzeitlagerung
Bis zum Gebrauch kryokonservierter Keimzellen für eine künstliche Befruchtung oder bis zur Wiedereinsetzung von Eierstockgewebe muss das Material in flüssigem Stickstoff langzeitig gelagert werden. Dies erfolgt meist in spezialisierten, staatlich überwachten Kryobanken. Sie sind nach den strengen Kriterien des Arzneimittelrechts zugelassen und können so die nötige Sicherheit gewährleisten. Die Kosten betragen meist um die 300 Euro pro Jahr. Als Kassenfinanzierung sind hierfür 4 x 68 Euro = 272 Euro/Jahr vorgesehen. Dennoch gibt es um die Kassenfinanzierung in sehr vielen Fällen Streit, und viele junge Betroffene müssen die Kosten selbst tragen.
Der Grund: Die Richtlinie des G-BA und die dazugehörigen Regelungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) sehen vor, dass nur Kassenärzt:innen Lagerkosten abrechnen können. Kryobanken und viele Kryolabore sind jedoch medizinische Dienstleister. Damit können ihre Kosten nur über den Umweg einer Kassenärztin/eines Kassenarztes abgerechnet werden, die oder der mit ihnen eine Kooperationsvereinbarung abschließt. Dies bedeutet für viele Kassenärzt:innen jedoch zu viel Aufwand und birgt außerdem die Gefahr, dass Ärzt:innen für Fehler oder Zwischenfälle der Kryobanken und Kryolabore haftbar gemacht werden könnten. Laut der Stiftung wäre es sinnvoller, die Lagerung der Keimzellen als sogenanntes „Heil- oder Hilfsmittel“ per Rezept durch Kassenärzt:innen zu verordnen. Die Lagerung könnte dann – wie beispielsweise ein Rollstuhl – durch die Kassen direkt bezahlt werden.
Kassenfinanzierung spezieller ambulanter Eingriffe
Die Entnahme von Eizellen oder von Eierstockgewebe zur Fruchtbarkeitserhaltung oder auch die Entnahme von Hodengewebe kann ambulant durchgeführt werden. Aber auch hier entstehen Probleme mit der Kassenfinanzierung durch bestehende oder fehlende Regelungen. Steht nämlich keine Kassenärztin/kein Kassenarzt für einen solchen Eingriff zur Verfügung oder muss der Eingriff bedingt durch den Zeitdruck vor dem Therapiebeginn in einem Krankenhaus ohne eine Ermächtigung für kassenärztliche Leistungen durchgeführt werden, dann kann keine Abrechnung mit den Kassen erfolgen. Oft bleibt den Betroffenen am Ende nur, die Rechnung selbst zu bezahlen. Eine Lösung wäre, solche Leistungen in den Katalog für das Ambulante Operieren aufzunehmen. Krankenhäuser sind mit dem § 115b SGB V grundsätzlich zur Durchführung von ambulanten Operationen zugelassen. Dieser Weg setzt jedoch voraus, dass sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft entsprechend einigen und ihren Vertrag erweitern.