Patient:innen mit Lungentumoren können heute in besonderer Weise von der molekular begründeten Präzisionsonkologie und modernen immunonkologischen Therapien profitieren – nach Dekaden des therapeutischen Stillstands. Das trifft besonders für Erkrankte mit einem fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) zu. Grund genug für uns von Trillium Krebsmedizin, Sie in einem Schwerpunkt auf den aktuellen Stand des Wissens zu Lungentumoren zu bringen.
Die Entwicklung molekular zielgerichteter, systemischer Therapien hat die Behandlung des fortgeschrittenen NSCLC mit therapierbaren Treiberalterationen revolutioniert, wie Niels Reinmuth in seinem Schwerpunktbeitrag berichtet. Das betrifft besonders nicht-squamöse Tumoren. Präzisionsonkologische Strategien, die Treiberalterationen wie EGFR-Mutationen, ALK- oder ROS1-Translokationen, BRAF-Mutationen, RET- oder NTRK-Fusionen, METex14-Skipping-Mutationen oder die KRAS G12C-Mutation adressieren, sind bei vielen Erkrankten mit anhaltendem Ansprechen und einem Überlebensvorteil im Vergleich zur Chemotherapie assoziiert. Allerdings entwickeln sich im Laufe der Zeit fast immer Resistenzen, die rationale Sequenztherapien in den Fokus rücken.
Auch für die Zukunft sind die Hoffnungen groß, denn das Spektrum an therapierbaren Alterationen erweitert sich ständig. So werden Behandlungsansätze bei weiteren Treibermutationen wie HER2, anderen KRAS-Mutationen oder FGFR-Mutationen untersucht. Darüber hinaus stehen neue Wirkstoffgruppen auf dem Prüfstand: Neben small molecules wie Tyrosinkinase-Inhibitoren werden in Studien beispielsweise Antikörper oder Antikörper-Drug-Konjugate geprüft.
Schließlich werden neue zielgerichtete Ansätze bei Resistenzsituationen immer bedeutsamer, wobei sich auch die entsprechende molekulare Diagnostik im Wandel befindet. Denn Testungen auf molekulare Alterationen – gerade wenn sie Resistenzsituationen unter laufender Therapie aufspüren sollen – umfassen nicht mehr allein klassische Gewebeproben, sondern zunehmend auch cDNA-Untersuchungen im Blut (Liquid Biopsy).
Ein erheblicher Teil der Patient:innen mit fortgeschrittenem NSCLC ohne behandelbare Treiberalterationen kann inzwischen ebenfalls profitieren, nämlich von einer Reihe von zugelassenen Immuncheckpoint-Inhibitoren (CPI). Insgesamt haben sich die Überlebenschancen der Betroffenen mit diesen neuen Optionen deutlich verbessert, wie Martin Reck in seinem Beitrag konstatiert.
Beim NSCLC mit nicht-plattenepithelialer Histologie, das keine therapeutisch adressierbaren Treiberalterationen aufweist, ist die PD-(L)1-basierte immun-onkologische Therapie der Erstlinien-Therapiestandard – entweder als Monotherapie bei PD-L1-Hochexprimierenden, in Kombination mit einer Chemotherapie unabhängig vom PD-L1-Status und als duale Immuntherapie zusammen mit einer Kurzzeit-Chemotherapie. Auch für NSCLC mit Plattenepithelkarzinom-Histologie sind zwei Kombinationen aus CPI und Chemotherapie zugelassen.
Die derzeit verfügbaren Kombinationen aus CPI und Zytostatika, die als Therapiestandard in der Erstlinie vielversprechend Daten liefern, werden dennoch durch präklinische und klinische Forschung ständig verbessert. Es laufen diverse Studien, in denen neue Therapieschemata geprüft werden, auch mit anderen Kombinationspartnern.
Gleichzeitig geht die Suche nach prädiktiven Biomarkern jenseits von PD-L1 weiter – mit dem Ziel, bereits vor Therapiebeginn Erkrankte selektieren zu können, bei denen ein Ansprechen auf eine CPI-basierte Behandlung zu erwarten ist. Die Marker betreffen neben dem Tumor selbst zunehmend auch das Micro-environment sowie das Blut der Erkrankten. Ungeklärt ist zudem die Frage nach der Dauer einer Immuntherapie.
Deutlich weniger therapeutische Optionen als beim NSCLC bieten sich derzeit Patient:innen mit kleinzelligem Lungenkarzinom (SCLC) und malignem Pleuramesotheliom (MPM), doch auch hier gibt es inzwischen hoffnungsvolle Ansätze – ebenfalls aus der Immunonkologie.
Das kleinzellige Lungenkarzinom (SCLC) ist durch frühzeitige Metastasierung und nur kurzzeitiges Ansprechen auf Chemotherapien gekennzeichnet. Entsprechend ungünstig ist die Prognose der Betroffenen – speziell dann, wenn bei der Diagnosestellung bereits ein fortgeschrittenes Tumorstadium vorliegt. Nach einem therapeutischen Stillstand, der sich über mehrere Jahrzehnte erstreckte, wurden in den vergangenen Jahren beim fortgeschrittenen SCLC erstmals positive Überlebensdaten bei Erkrankten berichtet, welche die unter einer zuvor üblichen Platin-basierten Chemotherapie deutlich übertrafen. Diese Behandlungserfolge in der Erstlinie wurden durch die Kombination aus PD-L1-Inhibitoren und Standard-Zytostatika erreicht, berichtet Petra Hoffknecht in ihrem Beitrag. Diese innovativen Kombinationen bieten neue Perspektiven für betroffene Patient:innen, doch natürlich wird auch beim SCLC an einer Optimierung von Therapieschemata gearbeitet. Darüber hinaus arbeiten Forschende an Behandlungsstrategien, die völlig neue Zielmechanismen adressieren.
Das maligne Pleuramesotheliom (MPM), das meist durch Asbestexposition verursacht wird, zählt mit rund 1.000 Neuerkrankungen pro Jahr zwar zu den seltenen Tumorerkrankungen, stellt aber gleichzeitig eines der häufigsten berufsbedingten Malignome dar.
Lokalisierte Pleuramesotheliome werden oft multimodal behandelt. Für nicht-resezierbare Tumoren steht seit Kurzem mit der dualen Immuntherapie aus Nivolumab plus Ipilimumab erstmals eine immunonkologische Therapieoption zur Verfügung, wie Martin Metzenmacher und Kolleg:innen in ihrem Beitrag berichten.
Zum Abschluss unseres Lungenkarzinom-Schwerpunkts hat unsere Redaktion noch einige Highlights des European Lung Cancer Congress (ELCC) 2022, der Ende März/Anfang April 2022 stattfand, für Sie zusammengestellt.
Hinweisen möchte ich an dieser Stelle auch auf das Interview mit Mathias Heikenwälder. Es widmet sich einer wichtigen Thematik, die schon seit Längerem bekannt ist, die aber bisher so gut wie keinen Eingang in therapeutische oder präventive Strategien gefunden hat: dem engen Zusammenhang zwischen chronischen Entzündungsprozessen und der Tumorentstehung bzw. -metastasierung. Mathias Heikenwälder, der die Abteilung „Chronische Entzündungen und Krebs“ am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg leitet, forscht nicht nur über entzündungsinduzierte Mechanismen der Tumorgenese und Metastasierung insbesondere in der Leber, sondern entwickelt in enger Zusammenarbeit mit Kliniken neue Modelle und Therapieansätze. Seine herausragende Forschungstätigkeit wurde soeben mit dem Deutschen Krebspreis 2022 in der Kategorie „Experimentelle Forschung“ ausgezeichnet. Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht der Naturwissenschaftler über seine Forschungsdaten, die Problematik klassischer Tumortherapien sowie innovative Strategien zur Prävention und Behandlung von Tumor-erkrankungen.
Abschließend möchte ich Sie auf den neuen Beitrag unserer erfolgreichen Serie „Vom Biomarker zur Therapie“ aufmerksam machen, die nunmehr bereits im dritten Jahr läuft. Im aktuellen Beitrag stellen Ihnen Christian Jackisch und Axel S. Merseburger Multigenpanels vor, die als Prognosetools beim Mamma- und Prostatakarzinom eingesetzt werden können. Diese Panels tragen dazu bei, Behandlungsstrategien zu individualisieren, um Patient:innen in frühen Tumorstadien mit adäquaten adjuvanten Therapien zu versorgen. So können Über- und Untertherapien vermieden werden.