Mit der zunehmenden Bedeutung der personalisierten Medizin in der Onkologie haben sich die Ansprüche an Biobanken deutlich erhöht. Für aktuelle Forschungsbestrebungen – speziell der Biomarkerforschung – erscheint es geboten, in einer Gewebebank Material mit höchsten Qualitätsmerkmalen zu sammeln und für die präklinische und klinische Forschung vorzuhalten. Dabei muss das biologische Probenmaterial unter definierten, dokumentierten und reproduzierbaren Bedingungen gewonnen und gelagert werden; zudem muss es validiert und mit notwendigen klinischen oder biologischen (Meta-)Daten annotiert und sicher und eindeutig auffindbar sein [1]. Im Sinne eines nachhaltigen Datenmanagements kann dies beispielsweise durch Einhaltung der FAIR-Prinzipien findable (auffindbar), accessible (zugänglich), interoperable (interoperabel) und reusable (wiederverwendbar) geregelt werden. Die hohen Qualitätsanforderungen an Proben und Daten sind am besten durch die Nutzung vollautomatisierter Kryokonservierungs-systeme kombiniert mit innovativen Datenmanagementsystemen realisierbar [1].
Spender:innen behalten die Macht über die Proben
Darüber hinaus benötigt eine Biobank eine rationale und effektive Organisationsstruktur, die die Nutzung der Bioproben für wissenschaftliche Zwecke zuverlässig regelt. Eine solche Organisationsstruktur, basierend auf nationalen und internationalen ethisch-rechtlichen Vorgaben, ist auch in Bezug auf das Vertrauen der Proben- und somit der Datenspender:innen unabdingbar. Transparenz- und Datenschutzkriterien sind einzuhalten. So muss klar sein, dass der/die Spender:in trotz der geleisteten informierten Einwilligung zur Nutzung der Proben und Daten immer Herrscher:in über die gewonnenen Bioproben bleibt. Ein Widerruf der Einwilligung – mit der Folge des uneingeschränkten Vernichtens von Proben und Daten – ist ein Grundrecht in unserer Gesellschaft. Es muss ebenso gewahrt werden wie die Sicherheit der Daten und das Anrecht auf eine personenunbekannte Nutzung der Daten und Proben.
Die Nutzung der Daten und Proben darf daher ausschließlich pseudonymisiert erfolgen: Dem/Der Nutzer:in darf eine Re-Identifikation der/des eigentlichen Patientin/Patienten anhand der Daten und Proben nicht möglich sein. Dies setzt neben den organisatorischen Herausforderungen auch eine elektronische Treuhänderfunktion voraus; diese ermöglicht es, alle Identifikatoren, die eine Person primär eindeutig identifizieren (wie Vorname, Nachname, Geburtsdatum, Sterbedatum, Wohnort), durch einen zufälligen neuen Identifikator zu ersetzen. Dieser darf niemals im Zusammenhang mit den primären Identifikatoren verwendet werden, wodurch Spender:innen pseudonymisiert werden. Die Rückauflösung des Pseudonyms auf einen primären Identifikator darf nur durch einen Treuhänder und zusammen mit medizinischem Fachpersonal erfolgen.
Eine vollständige Anonymisierung ist, anders als die Pseudonymisierung, nicht praktikabel, da Biobanken aufgrund der weiteren medizinischen Daten und Forschungsdaten eine Historie zu den Spender:innen anlegen und speziell Daten zum Therapieerfolg (Outcome) hinterlegen. Dies bietet insbesondere bei onkologischen Therapien viele Vorteile, indem durch den Outcome Aufschluss über den Erfolg oder Misserfolg einer Medikation gegeben wird, idealerweise verknüpft mit molekularen Markern. Ebenfalls ist es notwendig, sog. Zufallsbefunde, etwa als Folge einer erweiterten Analytik, mit zu dokumentieren, da sie für Spender:innen von klinischer Relevanz sein und/oder die Basis für neue Forschungsansätze bilden können. Auch die Entscheidung über Wissen oder Unwissenheit solcher Zufallsbefunde muss in der Einwilligung geregelt werden.
Dies unterstreicht zum einen das organisatorische Ausmaß, das mit dem Betreiben einer Biobank verbunden ist. Zum anderen beseitigt höhere Transparenz aufseiten der Biobanken – auch beim Einwilligungsmanagement – etwaige Zweifel der Spender:innen. Indem Vertrauen in das System aufgebaut wird, steigt potentiell der Wunsch der Patient:innen, mit ihrer Probe aktiv die Forschung zu unterstützen.
Ethische Legitimation
Die ethisch-juristische Legitimation der Biobank wird sichergestellt durch ein positives Ethik-Votum der zuständigen Ethik-Kommission sowie eine positive Stellungnahme der/des zuständigen Datenschutzbeauftragten. Für die ethische Legitimation sind darüber hinaus Transparenz hinsichtlich industriegesponserter Studien, die Sicherstellung der Pseudonymisierung und das Procedere hinsichtlich individualisierender Analysen wichtig.
Einen weiteren wichtigen Parameter, der auch mit der ethischen Legitimierung einer Biobank assoziiert ist, stellt deren Nutzungskonzept dar. Es regelt beispielsweise, welche Proben aufgrund von Kapazitäten oder primären Forschungsfeldern prioritär gesammelt werden und wie ein Turnover der eingelagerten Proben geregelt wird. Der „Umsatz“ an Gewebeproben ist aber nicht nur für den wissenschaftlichen Output einer Gewebebank von Bedeutung, sondern auch für ihre ethische Legitimation.
Denn die Patient:innen willigen in die Nutzung von Gewebeproben für wissenschaftliche Zwecke ein, nicht primär in die Sammlung des biologischen Materials. In diesem Kontext sei an die öffentliche Diskussion zum „Alder-Hey-Skandal“ in Großbritannien erinnert, in der dieser Aspekt ein relevanter Grund für die Ächtung der Sammlung von fetalem Gewebe war. Es war deklariert worden, dass die Biobank Forschungszwecken diente, doch wurde mit dem Material keine sichtbare Forschung betrieben.
Aus Forschungsprojekten speist sich letztlich die Legitimation einer Biobank speziell im Bereich der Biomarkerforschung und Präzisionsmedizin, da hier auch öffentlichkeitswirksam agiert wird. Das setzt öffentliche Transparenz und Vertrauensbildung voraus.
Abschließend sei daran erinnert, dass eine Biobank als zentrale Einrichtung und Serviceeinrichtung der translationalen Forschung zu verstehen ist, nicht als Anhängsel einer bestehenden Abteilung. Auch dies unterstreicht ihre Unabhängigkeit und Transparenz und unterbindet die Einflussnahme einzelner Interessen.