Die Trennung von prädiktiven und prognostischen Markern ist in der Realität kaum strikt durchführbar, denn jeder prädiktive Biomarker hat auch prognostische Bedeutung. Oft verhält es sich so, dass der jeweilige Biomarker zunächst eine ausgesprochen ungünstige prognostische Bedeutung hatte, aber nun aufgrund der verfügbaren zielgerichteten Medikamente besonders effektiv behandelt werden kann, zumindest für eine gewisse Zeit. Prominentes Beispiel hierfür ist HER2, das beim Mammakarzinom auf einen aggressiv wachsenden Tumor hinweist, aber heute mit einer Vielzahl an verschiedenen HER2-gerichteten Antikörpern, Tyrosinkinase-Inhibitoren und Antikörper-Drug-Konjugaten über multiple Therapielinien hinweg behandelt werden kann.
Die Analyse prognostischer Faktoren soll den wahrscheinlichen Verlauf der Tumorerkrankung vorhersagen, also Aussagen zur Rezidivwahrscheinlichkeit sowie zur Länge des progressionsfreien Überlebens oder des Gesamtüberlebens ermöglichen. Bei den meisten Tumorerkrankungen werden zur Bestimmung der Prognose nur klinische und histologische Parameter (Patientenalter und weitere patientenspezifische Faktoren wie z. B. Übergewicht und Komorbiditäten, Tumorgröße, Differenzierungsgrad oder Tumorsubtyp, Lymphknotenbeteiligung, Vorhandensein von Metastasen) berücksichtigt. Allerdings werden heute immer mehr Genpanels zum Tumor-Profiling entwickelt, die die Aktivität und das Zusammenspiel von Genen im Tumor ermitteln und so genauere Aussagen zum wahrscheinlichen Tumorverhalten und Krankheitsverlauf zulassen.
Mammakarzinom
Eine Besonderheit stellt hier das Mammakarzinom dar, genauer gesagt frühe Hormonrezeptor-positive und HER2neu-negative Mammakarzinome (luminale Signaturen). Ist bei diesen Karzinomen basierend auf den konventionellen Prognosefaktoren die prognoseorientierte adjuvante Therapie unklar – liegt also weder ein geringes noch ein klar erhöhtes Risiko vor –, so können in diesen Fällen mit einem intermediären Risiko weitere Parameter herangezogen werden. Dazu kann zum einen die Dynamik des Proliferationsmarkers Ki-67 nach einer kurzen (ca. 14-tägigen) endokrinen Induktionstherapie untersucht werden. Zum anderen stehen hierzu neben verschiedenen Algorithmen und Scores unterschiedliche Genexpressionsprofile (GEP) zur Verfügung. Diese sollen Hilfestellung geben bei der Bestimmung der für die individuelle Patientin angemessenen Therapie, um Über- und Untertherapien zu vermeiden. Konkret geht es dabei um die Frage, ob zusätzlich zur grundsätzlich indizierten adjuvanten endokrinen Therapie auch mit einer adjuvanten Chemotherapie behandelt werden sollte, um das Rückfallrisiko zu senken. Eine solche unklare prognostische Situation kann bei Patientinnen mit luminalen Karzinomen ohne Lymphknotenbefall (N0) oder auch bei nur geringer Lymphknotenbeteiligung (N11-3LK+) und intermediärer Biologie vorliegen.
Die verschiedenen Genpanels analysieren an einer Tumorprobe die Aktivität verschiedener Gene, die das Wachstumsverhalten des Karzinoms im frühen Krankheitsstadium beeinflussen können. Tab. 1 gibt einen Überblick über die in Deutschland zur Verfügung stehenden GEP für die Prognoseabschätzung früher Mammakarzinome. Alle in der Tabelle aufgeführten GEP sind RNA-basiert, klinisch validiert und werden von der Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e. V. (AGO) mit einem + bzw. +/- empfohlen.