Für Patient:innen, deren multiples Myelom auf bisher zugelassene Behandlungsmöglichkeiten refraktär bzw. trotz mehrerer Behandlungslinien rezidiviert (r/r MM) ist, habe man nur sehr begrenzte Therapieoptionen, erklärte Prof. Hermann Einsele, Würzburg. „Hier beginnt die Domäne der neuen zielgerichteten Immuntherapien.“ In diese Domäne würden seiner Meinung nach zudem Patient:innen mit Hochrisikokriterien fallen.
BCMA-CAR-T-Zellen hochwirksam
Als bisher einziges gegen das auf Myelomzellen selektiv exprimierte BCMA gerichtete CAR-T-Zell-Produkt ist Idecabtagen Vicleucel zugelassen. Die BCMA-CAR-T-Zell-Therapie Ciltacabtagen Autoleucel befindet sich bereits in klinischer Entwicklung: Im Update der Phase-Ib/II-Studie CARTITUDE-1 zeigte sich bei den untersuchten 97 Patient:innen mit r/r MM nach einem medianen Follow-up von zwei Jahren eine Gesamtansprechrate (ORR) von 97,9 % [1]. Der Median des progressionsfreien Überlebens (PFS) nach zwei Jahren war noch nicht erreicht, die PFS-Rate betrug 60,5 % (95%-KI 48,5–70,4). „Das sind Ergebnisse, die wir noch nicht mal mit den besten Erstlinientherapien erreicht haben und die sich hier in der durchschnittlich vierten bis sechsten Linie der Behandlung zeigen“, freute sich Einsele. Häufig traten unter der Therapie Neutropenie, Anämie, Thrombozytopenie, Leukopenie und Lymphopenie auf. Diese Nebenwirkungen führten laut Einsele aber nur selten zu schweren infektiösen Komplikationen.
Frühe CAR-T-Zell-Therapie ebenso verträglich
„Je früher im Verlauf der Erkrankung die CAR-T-Zellen entnommen werden, umso fitter sind sie und umso besser können sie im Körper der Patient:innen überleben“, erklärte Einsele. Deshalb wurden in der CARTITUDE-2-Studie 19 Patient:innen mit Ciltacabtagen Autoleucel behandelt, deren MM früh nach einer intensiven Erstlinientherapie rezidivierte. Es zeigte sich eine ORR von 95 % ohne neu auftretende Sicherheitssignale [2]. In der randomisierten Phase-III-Studie CARTITUDE-6 wird bei transplantationsfähigen MM-Patient:innen in der Erstlinie eine Behandlung mit Ciltacabtagen Autoleucel mit einer autologen Stammzelltransplantation verglichen.
Bispezifische Antikörper in klinischer Erprobung
„Es gibt inzwischen acht bispezifische Antikörper von unterschiedlichen Firmen, die in Studien beim MM eingesetzt werden. Am weitesten fortgeschritten ist der bispezifische Antikörper Teclistamab“, schätzte Einsele ein. Dieser bindet sowohl an BCMA der MM-Zellen als auch an CD3 auf der T-Zelle. In der laufenden Phase-I/II-Studie MajesTEC-1 sprachen laut Einsele nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von fast acht Monaten 62 % der massiv vorbehandelten Patient:innen an; und nach neun Monaten waren 58,5 % immer noch in anhaltender kompletter Remission (95%-KI 48,8–67,0) [3]. Teclistamab wies ein handhabbares Sicherheitsprofil auf, Dosisreduktionen waren nicht erforderlich.
GPRC5D als neue Zielstruktur
Problematisch ist, dass „sich MM-Zellen der Überwachung durch das Immunsystem sowie den CAR-T-Zellen und bispezifischen Antikörper entziehen können – durch den biallelischen irreversiblen Verlust des BCMA-Gens“, erklärte Einsele. „Wir brauchen also andere, zusätzliche Targets, um die Immunzelltherapie noch wirksamer zu machen.“ Ein solches neues Target auf der MM-Zelle ist der G-Protein-gekoppelte Rezeptor Klasse C, Untergruppe 5, Untergruppe D (GPRC5D, „G-protein-coupled receptor class 5 member D“). Talquetamab ist bisher der einzige in der klinischen Entwicklung befindliche bispezifische Antikörper, der GPRC5D und CD3 auf der T-Zelle bindet. In der Phase-I-Studie MonumenTAL-1 mit 95 r/r-MM-Patient:innen induzierte Talquetamab eine „hohe ORR von knapp 70 % bei sehr überschaubaren Nebenwirkungen“, wie Einsele darstellte [4].
Sabrina Kempe