Serie „Vom Biomarker zur Therapie": RET (REarranged during Transfection)
Aktivierende Alterationen des Proto-Onkogens RET, das für die Rezeptor-Tyrosinkinase RET kodiert, fungieren bei verschiedenen Tumoren als starke onkogene Treiber. Damit ist RET ein Target für zielgerichtete Therapien bei Patienten mit solchen onkogenen RET-Alterationen – RET-Fusionen oder RET-Mutationen. Während zunächst Multikinase-Inhibitoren eingesetzt wurden, entwickelte man in jüngerer Zeit spezifische, selektive RET-Inhibitoren, die eine verbesserte Wirksamkeit und Verträglichkeit aufweisen. Zulassungen für RET-Inhibitoren wurden bisher für die Therapie beim RET-mutierten medullären Schilddrüsenkarzinom, beim RET-Fusions-positiven Schilddrüsenkarzinom und beim RET-Fusions-positiven nicht kleinzelligen Lungenkarzinom jeweils in fortgeschrittenen Tumorstadien ausgesprochen. In Studien ergaben sich für die beiden derzeit verfügbaren RET-Inhibitoren Hinweise auf ihre Wirksamkeit beim Vorliegen von Hirnmetastasen. Die Achillesferse dieser „targeted therapies“ ist wie bei anderen Proteinkinase-Inhibitoren die Ausbildung verschiedener On-target- und Off-target-Resistenzmechanismen, die wahrscheinlich Kombinations- und Sequenzstrategien nötig machen.
Biomarker, REarranged during Transfection, RET-Fusionen, RET-Mutationen, NSCLC, Nichtkleinzelliges Lungenkarzinom, Schilddrüsenkarzinom, Selpercatinib, Pralsetinib, Cabozantinib, Vandetanib, TMB, MEN-2, Multiple Endokrine Neoplasie Typ 2-Syndrom, Selpercatinib, EGFR, PTC, Pralsetinib.
Das 1985 entdeckte Proto-Onkogen RET liegt auf dem langen Arm des Chromosoms 10 (10q11.2) und kodiert für eine Rezeptor-Tyrosinkinase mit einer großen extrazellulären Domäne, einer transmembranären Domäne und einer intrazellulären Tyrosinkinase-Domäne [1, 2].
Wird die Rezeptor-Tyrosinkinase RET (REarranged during Transfection) abnorm aktiviert, fungiert sie als onkogener Treiber für eine Reihe von Tumoren. Diese konstitutive Aktivierung von RET kann durch verschiedene RET-Alterationen entstehen – zum einen durch bestimmte Punktmutationen in RET oder aber durch chromosomale Umlagerungen (RET-Fusionen). Hierbei kommt es zu In-Frame-Fusionen von RET mit verschiedenen Partnern, wobei bei den Fusionsgenen die Kinasedomäne von RET beibehalten wird. Auf diese Weise entstehen chimäre RET-Proteine. Die häufigsten Mutationen im Proto-Onkogen RET sind Missense-(Gain-of-Function)-Mutationen, hauptsächlich der extrazellulären Domäne von RET (Exons 10 oder 11) und in der RET-Tyrosinkinase-Domäne (Exons 13–16) [3].
Folgen der konstitutiven Aktivierung von RET sind eine erhöhte Zellproliferation und über nachfolgende Signalwege auch eine Zelltransformation.
RET-Fusionen
Die am häufigsten mit RET-Fusionen assoziierte Tumorart sind papilläre Schilddrüsenkarzinome (PTC), wo in 10–20 % der Fälle RET-Fusionen nachgewiesen werden [4, 2]. Bei durch Strahlenexposition ausgelösten PTCs sind RET-Fusionen deutlich häufiger. Auffällig wurde der Zusammenhang mit dem Reaktorunfall in Tschernobyl, in dessen Folge es zu einem starken Anstieg an pädiatrischen PTCs mit RET-Fusionen kam. Hier wurden bei ca. 50–80 % aller PTC-Patienten, die dem radioaktiven Fallout der Tschernobyl-Katastrophe oder einer der Atombomben in Japan ausgesetzt waren, RET-Fusionen nachgewiesen [2, 5, 6]. Molekulare Analysen zeigten eine sehr hohe Prävalenz an Gen-Translokationen zwischen dem RET- und dem PTC3/Nuclear Receptor Coactivator (NCOA4)-Gen auf demselben Chromosom 10 (RET/PTC3-Translokation). Später wurde gezeigt, dass auch die RET/PTC1(Coiled-Coil Domain Containing 6 (CCDC6)-Translokation eine typische onkogene Veränderung bei Kindern mit PTC nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl war. Heute gelten RET/PTC-Translokationen als vorherrschende Treibervariante sowohl bei strahleninduzierten als auch sporadischen pädiatrischen PTCs [7].
RET-Translokationen finden sich auch bei einer Reihe von anderen Tumoren, so auch beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) und – mit einer Inzidenz von unter 1 % – u. a. beim kolorektalen Karzinom und beim Mammakarzinom [2].
Über verschiedene Tumorentitäten hinweg gibt es eine Vielzahl von Fusionspartnern für RET bzw. ein großes Spektrum an RET-Translokationen, deren Häufigkeit sich nach Tumorentität unterscheidet. Bisher wurden Fusionen von RET mit mehr als 35 Genen nachgewiesen [2]. Die Kinasedomäne von RET fusioniert mit der Dimerisierungsdomäne des Fusionspartners (Abb. 1).