Beim HCC sollten unterschiedliche Behandlungsmodalitäten in ein individualisiertes Gesamtkonzept integriert werden, und zwar im Rahmen eines interdisziplinären Tumorboards mit Vertretern aus Onkologie, Hepatologie, Chirurgie, interventioneller Radiologie, Nuklearmedizin sowie Strahlentherapie. Bei allen Therapieentscheidungen sollten neben dem Tumorstatus die Leberfunktion sowie der allgemeine Leistungszustand in die Therapieentscheidung einbezogen werden. Neben dem Child-Pugh-Score (CP-Score) wurden neuere Scores wie der ALBI-Score zur longitudinalen Beurteilung der Leberfunktion etabliert. In den ALBI-Score fließen die Parameter Albumin und Bilirubin ein, die als wichtige prognostische Faktoren identifiziert wurden. Anhand dieses Scores lassen sich die drei Risikogruppen ALBI 1–3 abgrenzen, die sehr gut mit dem Überleben korrelieren.
Bei der Behandlung des HCC lassen sich ein frühes, ein intermediäres und ein fortgeschrittenes Stadium unterscheiden. Im frühen Stadium stehen neben der Transplantation die Leberteilresektion sowie ablative Verfahren als kurative Therapieansätze zur Verfügung. Die transarterielle Chemoembolisation (TACE) und die selektive interne Radiotherapie (SIRT) zählen dagegen zu den palliativen lokoregionären Therapien im intermediären Stadium. Patienten, die nicht auf eine lokoregionäre Therapie ansprechen oder bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium, also bei extrahepatischer Metastasierung und/oder Gefäß-infiltration sollte eine systemische Therapie eingeleitet werden.
Erstlinientherapie
Nachdem der Tyrosinkinase-Inhi-bitor (TKI) Sorafenib bis 2017 die einzige zugelassene systemische Therapieoption darstellte, erlangten in den vergangenen drei Jahren weitere Substanzen die europäische Marktzulassung. Sie erweitern das Therapiespektrum in der Erstlinie und ermöglichen nun erstmals auch eine Sequenztherapie in der Zweitlinie. 2018 wurde mit Lenvatinib ein weiterer oraler Multi-TKI für die Erstlinie zugelassen, der ein verstärktes Wirkpotential im VEGFR- und FGFR-Bereich aufweist. Die Zulassung erfolgte auf Basis der randomisierten Phase-III-Studie REFLECT, die eine Nicht-Unterlegenheit von Lenvatinib im Vergleich zu Sorafenib in der Erstlinie hinsichtlich des Überlebens bei deutlich verbesserter objektiver Ansprechrate belegen konnte [1].
Die Phase-III-Studie IMbrave150 markiert die Transition von der TKI-Monotherapie zur Immun-Kombinationstherapie in der Erstlinienbehandlung des HCC. Die Studie untersucht den Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab, der PD-L1 adressiert, in Kombination mit Bevacizumab im Vergleich zu einer Sorafenib-Monotherapie. Im Kombinationsarm wurde im Vergleich zu Sorafenib eine klinisch relevante und statistisch signifikante Verbesserung von mPFS und mOS (ko-primäre Endpunkte) erzielt. Das mediane Gesamtüberleben (OS) war unter der Kombination noch nicht erreicht und lag in der Sorafenib-Gruppe bei 13,2 Monaten (HR 0,58); auch das mediane PFS war unter der Immun-Kombinationstherapie deutlich verbessert (6,8 vs. 4,3 Monate) [2]. Neben der höheren klinischen Aktivität fiel auch die Bewertung des Nebenwirkungsprofils und der Lebensqualität zugunsten der Studienmedikation aus, sodass die Kombination Atezolizumab/Bevacizumab der nächste Therapiestandard in der systemischen Erstlinientherapie werden wird. Die Kombinationstherapie ist aber bisher in der EU noch nicht zugelassen.
Es laufen weitere Phase-III-Studien, die Kombinationen von unterschiedlichen Checkpoint-Inhibitoren und von Checkpoint-Inhibitoren mit TKI untersuchen. Vielversprechende Ergebnisse sind bereits aus der CheckMate-040-Studie für die Kombination Nivolumab und Ipilimumab sowie für die Kombination Lenvatinib/Pembrolizumab (Phase-II-Studie) kommuniziert worden [3, 4].
Zweitlinientherapien
Nach einer Vielzahl an Zweitlinienstudien stehen uns mit Regorafenib, Cabozantinib und Ramucirumab aktuell zwei TKI und ein anti-angiogener Antikörper für die systemische Therapie des HCC nach Versagen der Erstlinie zur Verfügung. Für alle Zweitlinienansätze beschränkt sich die Zulassung allerdings gemäß der aktuellen Studienlage auf die Sequenztherapie nach Erstlinientherapie mit Sorafenib.
Regorafenib
Regorafenib ist ein oraler Multi-TKI mit breiter Aktivität im Bereich der Neo-Angiogenese (VEGFR), des Tumormikromilieus (FGFR2, PDGFR) und onkogener Signalwege (unter anderem RET, RAF). Die Zulassung von Regorafenib basiert auf der 2017 publizierten Auswertung der randomisierten Phase-III-Studie RESORCE [5]. Child-A-Patienten, die Sorafenib vorab in einer Dosierung von mindestens 400 mg täglich über mindestens 20 der letzten 28 Behandlungstage gut vertragen hatten, erhielten Placebo oder 160 mg Regorafenib für jeweils 21 Tage eines 28-tägigen Zyklus. Im Vergleich zu Placebo verbesserte Regorafenib das OS in der Zweitlinie um 2,8 Monate (10,6 Monate vs. 7,8 Monate unter Placebo) (Abb. 1).