Einführung
Radiomics als Kunstwort aus „Radiology“ und „Omics“ basiert auf der Analyse großer Bilddatenmengen mittels geeigneter Software (Algorithmen). Seit seiner damaligen Beschreibung im Jahr 2012 [1], ist Radiomics ein sich rasch entwickelndes Feld translationaler Forschung mit dem Ziel, Assoziationen zwischen qualitativen sowie quantitativen Informationen aus der Standardbildgebung und klinischen Daten aufzuzeigen. Bedeutsam für den Einsatz in der onkologischen Diagnostik ist, dass bestimmte bildgebende Signaturen die Pathophysiologie eines Tumors widerspiegeln. Damit wird die radiologische Diagnostik in Zukunft diagnostische Aussagen machen können, die weit über die visuelle anatomische Ebene hinausgehen.
Den Ursprung für die Entwicklung von Radiomics bilden die bereits seit 2–3 Dekaden in der radiologischen Diagnostik verwendeten CAD-Tools (Computer Aided Detection), welche für die Prozessierung großer Bilddatenmengen aus Modalitäten wie CT, MR oder auch PET-CT Verwendung finden [2, 3]. Dabei werden definierte ROI (Region of Inter-est) durch automatische Algorithmen in hochauflösende weiterverwertbare Daten transformiert. Radiomics bietet darauf aufbauend und unter Anwendung von „Machine Learning“ die rasch wachsende Möglichkeit, bildgebende Signaturen aus Routine-Scans zu extrahieren, welche für das bloße Auge oft nicht sichtbar sind. Dabei handelt es sich unter anderem um verschiedenrangige Texturparameter. Die so gewonnenen Informationen erlauben eine detailliertere Charakterisierung von Tumor-, aber auch gesundem Gewebe. Im Zeitalter der Präzisionstherapie eröffnet dies der modernen Bildgebung die Rolle eines weiteren zukünftigen Biomarkers, unter anderem für die Therapieplanung oder Prognoseabschätzung.
Zu unterscheiden vom Radiomics-Ansatz ist die Methode Radiogenomics [4]. Unter diesem Begriff subsumieren sich zwei unterschiedliche Ansätze: zum einen der Ansatz, Zusammenhänge zwischen Keimbahn-Mutationen und Ansprechen auf eine Strahlentherapie zu etablieren, zum anderen aber auch, eine Korrelation zwischen spezifischen bildgebenden Informationen (Radiomics) und einem Genexpressionsprofil (Genomics) im Tumor zu etablieren [4].
Insgesamt hat das Feld Radiomics/Radiogenomics ein erhebliches Potential, die Präzision einer Behandlung durch die verbesserte Charakterisierung von Geweben/Tumoren (auf Tumorareal-, Ganz-tumor- und Ganzkörperebene) in vielfacher Hinsicht deutlich zu verbessern [5]. Dazu ist allerdings insbesondere eine weitere wissenschaftliche Validierung und technische Standardisierung von Radiomics essentiell, damit sich dieses moderne Auswerteverfahren in der Bildgebung als dritte Säule – neben der primären Biopsie und Liquid Biopsy – im Management onkologischer Erkrankungen (von der primären Tumordiagnostik über Therapiemonitoring bis hin zur Nachsorge) etabliert [5, 6]. Aktuell befindet sich das Verfahren in der klinischen Forschung bei verschiedenen Tumorerkrankungen, u. a. beim Lungenkrebs, Brustkrebs oder bei Kopf-Hals-Tumoren. Im Rahmen dieser Übersicht wird der „Radiomics“-Ansatz, mit dem letztlich eine Art „virtuelle“ Biopsie möglich sein wird, mit dem Fokus auf die Prinzipien der Technologie, die Limitierungen und Herausforderungen sowie die aktuellen und zukünftige Anwendungen beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) diskutiert.
Radiomics: technische Grundlagen und Prinzipien
Hinter Radiomics steht eine automatisierte Auswertung von z. B. Dichtewerten in der CT. Die CT misst im Wesentlichen die Abschwächung von Röntgenstrahlen im Gewebe und stellt sie durch Graustufen im Bild dar. Da das menschliche Auge nur in etwa 60–80 Graustufen unterscheiden kann, werden nahe beieinanderliegende Dichtewerte mit denselben Graustufen wahrgenommen. Aus diesem Grund weisen zum Beispiel Tumoren, obwohl sie sowohl mikroskopisch als auch makroskopisch durchaus heterogen aufgebaut sein können, in der CT visuell nur sehr wenige unterschiedliche Graustufen auf, meist sogar nur eine einzige (Abb. 1). Der hinter jedem Bildpunkt steckende Dichtewert kann jedoch sehr einfach bestimmt, und die Verteilung der Dichtewerte in einem Histogramm wiedergeben werden. Diese Verteilung kann anschließend in einem weiteren Schritt auf viele Arten mathematisch beschrieben werden. Beispiele hierfür sind die Breite der Histogrammkurve sowie deren Symmetrie oder auch der Mittelwert, der Median oder die Varianz der Dichtewerte (Abb. 1).