Liebe Leserinnen und Leser,
bitte erlauben Sie mir zu Beginn, mich bei Ihnen als neue leitende Redakteurin von Trillium Krebsmedizin vorzustellen. Ich übernehme damit die Nachfolge von Josef Gulden, der das Heft seit 2013 redaktionell betreut hat. Ich danke Herrn Gulden für seine hervorragende Arbeit in den vergangenen Jahren. Durch seine hohe fachliche Kompetenz und seine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge in aller Tiefe, aber doch verständlich darzustellen, hat er Trillium Krebsmedizin zu der angesehenen Fachzeitschrift gemacht, die sie heute ist. Ich freue mich, dass Herr Gulden uns weiterhin als Redaktionsmitglied erhalten bleibt. Herr Gulden und ich werden auch zukünftig die großen internationalen und nationalen Kongresse in der Onkologie und Hämatologie persönlich besuchen und darüber berichten. Denn wir sind der Meinung, dass man neue wissenschaftliche Erkenntnisse und aktuelle Studiendaten nur dann überzeugend redaktionell umsetzen kann, wenn man die Informationen aus erster und nicht aus zweiter oder dritter Hand hat.
Traditionell widmet sich das erste Heft des Jahres der Trillium Krebsmedizin den beiden großen Dezemberkongressen des Vorjahres: der Jahrestagung der
American Society of Hematology (ASH), die dieses Mal in Orlando, Florida, stattfand, und dem San Antonio Breast
Cancer Symposium (SABCS). Auch wenn es nicht möglich ist, in diesem Heft einen erschöpfenden Überblick über alle aktuellen Entwicklungen in der Hämatoonkologie und beim Mammakarzinom zu geben, zeichnen sich doch zwei große, übergreifende Trends ab:
Immuntherapien weiten sich immer weiter aus, auch weit über die übliche PD-1/PD-L1-basierte Checkpoint-
Inhibition hinaus
Die Präzisionsonkologie auf Basis molekulargenetischer Alterationen schwingt sich zu neuen Höhenflügen auf, erobert neue Krankheitsbilder und beginnt zunehmend damit, Indikationsgrenzen zu überwinden.
Immuntherapie und kein Ende
Die Immuntherapie zieht sich seit Jahren wie ein roter Faden durch die internationalen Kongresse der letzten Jahre – und das war beim ASH und SABCS nicht anders. Bemerkenswert ist dabei, dass immunonkologische Therapien nicht nur immer neue Indikationsgebiete und Behandlungslinien erobern, sondern auch das Spektrum an Immuntherapien immer breiter wird. Dies ist speziell in der Hämatologie zu beobachten, wo Immuntherapien jenseits der Checkpoint-Inhibition der PD-1/PD-L1-Achse immer mehr an Fahrt aufnehmen. Besonders deutlich wird das bei der akuten myeloischen Leukämie (AML), zu der es beim letzten ASH besonders spannende Daten gab. So kristallisieren sich beispielsweise bei dieser Erkrankung mit dem CD47-Antigen oder dem TIM-3-Antigen neue Ansatzpunkte für eine immunonkologische Behandlung heraus.
Auch die Anwendung von CAR-T-Zellen weitet sich immer mehr aus. Beispielhaft seien an dieser Stelle CAR-T-Zellen als zukünftige Option für aggressive Rezidive des Multiplen Myeloms genannt, die das BMCA-Antigen auf Myelomzellen als Zielstruktur verwenden. Da die initialen Ansprechraten sehr gut sind, doch die Dauer der Remission begrenzt erscheint, werden nun CAR-T-Zellen
neuerer Generation entwickelt, die aufgrund struktureller Veränderungen im CAR-Rezeptor an Effektivität gewinnen. Schließlich seien als weitere innovative immunologische Behandlungsstrategien bispezifische Antikörper erwähnt, die ihr bisheriges Einsatzgebiet, die akute lymphatische Leukämie (ALL), hinter sich lassen und zunehmend Eingang in weitere hämatologische Krankheitsbilder finden – neben der AML auch das rezidivierte Multiple Myelom sowie aggressive Lymphome. Auch dazu gab es beim ASH interessante Daten, die wir im Schwerpunkt für Sie zusammengestellt haben.
Präzisionsonkologie im Höhenflug
Wer vor einigen Jahren angesichts der Fortschritte der Immunonkologie bereits das Totenglöckchen für zielgerichtete Behandlungsstrategien auf Basis molekularer Alterationen läuten wollte, sieht sich durch die allgegenwärtige Präsenz moderner molekular basierter Therapien getäuscht. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Befeuert durch enorme Fortschritte in der molekularen Diagnostik, die zunehmend auch digitale Verfahren und Künstliche Intelligenz integriert, nimmt die Präzisionsonkologie immer mehr an Fahrt auf. Auf diese Weise werden nicht nur immer neue potentielle Treibermutationen identifiziert, sondern ganze Mutationskonstellationen, die im Zusammenspiel mit einer Vielzahl neuer Medikamente eine immer individuellere Behandlung ermöglichen.
So gelang es beispielsweise, in Proben von rund 600 Patienten mit AML und 700 Patienten mit Myelodysplastischen Syndromen (MDS) aus dem Münchner Leukämielabor, durch Whole-Genome- und Transkriptom-Sequenzierungen Mutationen auch abseits der üblicherweise verwendeten Panels nachzuweisen. Dabei wurden über 7.000 Varianten in 839
Genen entdeckt, davon etwa ein Drittel potentielle Treibermutationen. Mehr noch: Es wurden heterogene und komplexe Mutationskonstellationen identifiziert, die mit bestimmten Expressionsmustern, aber auch mit dem klinischen Outcome korrelierten. Diese Zusammenhänge, die beim ASH großes Aufsehen erregten und als Late-Breaking Abstract vorgestellt wurden, können Sie ebenfalls in unserem Schwerpunkt nachlesen.
Mammakarzinom: innovative Substanzen
Auch beim SABCS wurden neue Studiendaten vorgestellt, die im weiteren Kontext der Immuntherapie und Präzi-sionsonkologie zugeordnet werden können. Bei den metastasierten Tumoren gab es vor allem vielversprechende neue
Therapiestrategien für Patientinnen mit HER2-positiven Tumoren.
So wurde mit Tucatinib ein neuer niedermolekularer HER2-Tyrosinkinase-Inhibitor präsentiert, der in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin das progressionsfreie Überleben der Patientinnen deutlich verbesserte (HR 0,54) und das Mortalitätsrisiko um ein Drittel reduzierte.
Mit Margetuximab wurde außerdem ein neuer Anti-HER2-Antikörper präsentiert, der bei vorbehandelten Patientinnen mit HER2-positivem metastasiertem Mammakarzinom in Kombination mit einer Chemotherapie möglicherweise besser wirkt als Trastuzumab, zumindest bei der Subgruppe von Patientinnen mit einem 185F-Genotyp.
Schließlich rückte ein neues HER2-Antikörper-Toxin-Konjugat in den Fokus des Interesses: Trastuzumab Deruxtecan, das in einer Phase-II-Studie gute Wirksamkeit bei vorbehandelten Patientinnen mit HER2-Mammakarzinom gezeigt hatte. Nun muss sich das neue Konjugat in Phase-III-Studien im direkten Vergleich mit Trastuzumab Emtansin bewähren.
Klassische Checkpoint-Inhibitoren gewinnen beim Mammakarzinom ebenfalls an Boden, speziell bei triple-negativen Tumoren in der Neoadjuvanz als Ergänzung einer Chemotherapie, aber auch bei metastasierten Tumoren als Erhaltung nach einer Zytostatika-Therapie.
Neue Serie "Vom Biomarker zur Therapie"
Zum Abschluss möchte ich Sie noch auf die neue Serie "Vom Biomarker zur Therapie" hinweisen, die in dieser Aus-gabe von Trillium Krebsmedizin startet. Darin widmen sich ausgewiesene Experten jeweils einer für die klinische Onkologie relevanten molekularen Alteration – in diesem Heft dem mutierten EGFR –und spannen dabei einen Bogen von der Biologie über relevante Diagnoseverfahren bis hin zur molekular basierten Therapie – ganz im Sinne der modernen Präzisionsonkologie, die Diagnostik und Therapie zunehmend zu einem großen Ganzen integriert.
Liebe Leserinnen und Leser, wir
hoffen sehr, dass unsere neue Serie bei Ihnen auf Interesse stoßen wird und freuen uns auf Ihr Feedback.