Die Chemotherapie des fortgeschrittenen Hodgkin-Lymphoms wird unterschiedlich gehandhabt: Während sechs bis acht Zyklen ABVD, gefolgt von einer konsolidierenden Strahlentherapie auf initiale Bulk- oder Resttumoren von über 1,5 cm Durchmesser als internationaler Standard gelten, werden in Deutschland auf Basis der Ergebnisse der HD15-Studie der Deutschen Hodgkin Studiengruppe (GHSG) sechs Zyklen BEACOPPeskaliert empfohlen, gefolgt von einer Strahlentherapie nur für Patienten mit PET/CT-positiven Resttumoren über 2,5 cm Größe [1]. Das Gesamtüberleben nach fünf Jahren betrug damit in der HD15-Studie 95% – ein Wert, der bis dahin weltweit nirgends erreicht worden war. Ein negativer prädiktiver Wert von 94,6% für die PET/CT bedeutete überdies, dass sich mit dieser Methode ein Verzicht auf eine Bestrahlung nach der Chemotherapie rechtfertigen lässt. Diese Ergebnisse führten zur Übernahme von BEACOPPeskaliert als Standardtherapie für das fortgeschrittene Hodgkin-Lymphom durch andere europäische Studiengruppen wie die französische LYSA (Lymphoma Study Association) und die EORTC (European Organisation for Research and Treatment of Cancer).
Während hier die PET/CT zur Stratifizierung von Patienten im Sinne einer Deeskalation der Therapie verwendet wird, ging die randomisierte britische RATHL-Studie den umgekehrten Weg; sie verwendete die funktionelle Bildgebung, um bei weniger intensiver initialer Therapie die Patienten für eine Dosiseskalation zu stratifizieren [2]: Patienten mit fortgeschrittenem Hodgkin-Lymphom (Stadien IIB–IV bzw. IIA mit Risikofaktoren) wurden initial mit zwei Zyklen ABVD behandelt. Bei einer anschließenden positiven PET/CT erhielten sie entweder sechs Zyklen BEACOPP14 oder vier Zyklen BEACOPPeskaliert, während Patienten mit negativer PET/CT vier weitere Zyklen ABVD (oder AVD) bekamen. Abgesehen davon, dass der Stadien-Mix der eingeschlossenen Patienten sehr heterogen war, konnte in der gesamten Population der bis zu 60 Jahre alten Patienten im Stadium III und IV eine progressionsfreie Überlebensrate nach drei Jahren von lediglich 79,8% (95%-Konfidenzintervall 76,3–82,9%) erzielt werden, während sie in der deutschen HD15-Studie mit BEACOPP als initialer Therapie noch nach fünf Jahren um rund 10% höher war [1]. Dieser Ansatz der PET/CT-abhängigen Dosiseskalation wird deshalb von der GHSG für Patienten in fortgeschrittenen Stadien nicht empfohlen.
Aktueller Standard:
BEACOPPeskaliert
Während BEACOPPeskaliert im angelsächsischen Raum nach wie vor nicht zur Initialtherapie eingesetzt wird, stellt es aktuell in großen Teilen Europas den Standard in fortgeschrittenen Stadien dar. Wesentlicher Diskussionspunkt sind die vermehrten Akut- und Langzeitnebenwirkungen von BEACOPPeskaliert, mit denen jedoch die deutlich höhere Rezidivrate bei Anwendung der ABVD-Strategie kontrastiert [3–5]. Mehrere prospektive randomisierte Studien zum Vergleich von ABVD und BEACOPP beim fortgeschrittenen Hodgkin-Lymphom, in denen eine PET-Positivität jeweils durch einen Deauville-Score von mindestens 4 definiert war, deuten in die gleiche Richtung:
- In einer italienischen Studie hatten 331 Patienten im fortgeschrittenen Stadium randomisiert sechs bis acht Zyklen ABVD oder acht Zyklen BEACOPP (4 x BEACOPPeskaliert + 4 x BEACOPPStandard) erhalten [5]. Beim primären Endpunkt „Freedom from First Progression“ (FFP) war BEACOPP nach sieben Jahren mit 85% versus 73% signifikant überlegen (p = 0,004), beim sekundären Endpunkt Gesamtüberleben war nach fünf Jahren mit 89% versus 84% ebenfalls ein Vorteil zugunsten des intensiveren Regimes zu beobachten. Da dieser Unterschied jedoch statistisch nicht signifikant ausfiel (p = 0,39) sowie angesichts der geringeren Toxizität gaben die italienischen Autoren dem ABVD-Protokoll den Vorzug. Dabei wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass die Studie schon aufgrund der relativ geringen Patientenzahlen nicht imstande gewesen wäre, zu Unterschieden der beobachteten Größenordnung beim Gesamtüberleben zuverlässige Aussagen zu treffen. Im indirekten Vergleich hatte in der HD15-Studie die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate unter BEACOPPeskaliert 95,3% betragen und damit mehr als 11% über den italienischen Werten gelegen [1].
- Die größte der vier Studien, die ABVD und BEACOPPeskaliert bei Hochrisiko-Patienten im Stadium III und IV direkt verglichen hat (Hochrisiko definiert durch einen International Prognostic Score (IPS) von ≥ 3), ist die EORTC-Studie [6]. Hier wurden randomisiert entweder acht Zyklen ABVD oder vier Zyklen BEACOPPeskaliert + vier Zyklen BEACOPPStandard gegeben. Die 4-Jahres-Ergebnisse sowohl für das progressionsfreie (84% für BEACOPPeskaliert vs. 69,4% für ABVD; p = 0,0003) als auch für das Gesamtüberleben (90,3% vs. 86,7%) begünstigten auch hier den BEACOPP-Arm, wobei wegen der kurzen Beobachtungszeit die Resultate für das Gesamtüberleben ebenfalls noch nicht signifikant waren. Die Mortalität aufgrund des Hodgkin-Lymphoms war mit 5,5% im ABVD-Arm doppelt so hoch wie im BEACOPP-Arm mit 2,6%. Sekundärneoplasien waren nach vier Jahren bei 3,4% der ABVD- versus 4,7% der BEACOPP-Patienten diagnostiziert worden (p = 0,584). Hingegen wurden unter ABVD deutlich mehr Krankheitsprogressionen und Rezidive registriert.
- In einer französischen Phase-III-Studie wurden dieselben beiden Therapieansätze bei 150 jüngeren Niedrigrisiko-Patienten (< 60 Jahre, IPS < 3) mit fortgeschrittenem Hodgkin-Lymphom (Stadium III/IV, IPI 0–2) getestet [7]. BEACOPP war hier ebenfalls sowohl beim Ansprechen (90% vs. 85%), bei den Rezidiven (3 vs. 14), bei den Todesfällen (1 vs. 8 nach median 5,5 Jahren), beim progressionsfreien (93% vs. 75%; Hazard Ratio 0,3; p = 0,007) als auch beim Gesamtüberleben (99% vs. 92%) überlegen, wobei der letztere Unterschied mit einer Hazard Ratio von 0,18 beinahe signifikant ausfiel (p = 0,06).
Diese konsistenten Ergebnisse zugunsten einer Überlegenheit der initialen BEACOPP-Therapie unabhängig vom IPS-Score werden durch eine gepoolte Analyse gestützt, in der sich ein signifikanter Vorteil auch für das Gesamtüberleben zeigte [8].
In einer Netzwerkanalyse der GHSG in Kooperation mit der Cochrane Haematological Malignancies Group (CHMG) und der Universität Bern schließlich wurden 77 Publikationen von 14 verschiedenen Studien zu elf unterschiedlichen Therapieprotokollen beim fortgeschrittenen Hodgkin-Lymphom ausgewertet. Bei über 10.000 eingeschlossenen Patienten und 47.000 Patientenjahren sowie einem Follow-up von median 5,9 Jahren mit 1.189 Ereignissen [9] ergab sich beim Vergleich der Überlebensraten ein hochsignifikanter Vorteil für sechs Zyklen BEACOPPeskaliert bzw. acht Zyklen BEACOPP14 und sogar für acht Zyklen BEACOPPeskaliert gegenüber ABVD. Ein BEACOPP-haltiges Protokoll erwies sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 100% als das überlegene Regime hinsichtlich des Gesamtüberlebens. Nach fünf Jahren zeigt sich ein Vorteil beim Gesamtüberleben von 10%, der nicht nur statistisch hochsignifikant ist, sondern gemessen an den Hazard Ratios über die Zeit zunimmt, d. h. der Nachteil einer schwächeren Initialtherapie kann offenbar durch Folgetherapien nicht mehr aufgeholt werden. Die Stärke des Effekts wird durch die Netzwerkanalyse wahrscheinlich sogar unterschätzt, weil in den ABVD-Studien, nicht jedoch in den BEACOPP-Studien überwiegend auch Patienten in frühen Krankheitsstadien eingeschlossen wurden.