In der Behandlung des Ovarialkarzinoms (OC) „haben sich in den letzten acht bis neun Jahren mehr neue Optionen aufgetan als in den Jahrzehnten zuvor“, konstatierte Prof. Dr. Jacobus Pfisterer, Kiel, auf einem von Clovis Oncology unterstützten Post-Launch-Symposium in Lübeck. Dadurch ist eine personalisiertere Therapie möglich. Mit Angiogenese-Hemmern und PARP-Inhibitoren (PARPi) wie Rucaparib eröffnen sich gerade in der rezidivierten Situation neue Algorithmen. So kann etwa Rucaparib zur Erhaltung bei Patientinnen mit und ohne BRCA-Mutation eingesetzt werden.
Die Primärtherapie des fortgeschrittenen OC wird nach wie vor medikamentös von den Chemotherapien dominiert, so der Onkologe. Hier bringt die Zugabe eines Angiogenese-Hemmers wie Bevacizumab (BEV) nicht für alle Patientinnen einen Benefit. Effektiver scheint die additive Gabe von BEV bei Patientinnen, die symptomatisch sind, meist in Form eines Aszites – wenngleich diese Empfehlung auf einer explorativen Subgruppenanalyse basiert, schränkte Pfisterer ein [1]. Für PARPi liegen zur Primärtherapie erst wenige Daten vor; Ergebnisse einer Studie zur Kombination von BEV und PARPi werden im Herbst erwartet.
Antiangiogenese und PARP-Inhibitoren erschließen mehr Optionen
Beim rezidivierten OC hat sich die Therapielandschaft durch BEV und PARPi bereits erheblich gewandelt. „In dieser Situation“, betont Pfisterer, „muss man zunächst eruieren, wieweit die Patientin noch therapiefähig und -willig ist.“ Sofern noch eine Behandlung gemäß State of the Art durchführbar ist, stehen eine ganze Reihe an Möglichkeiten offen. In Bezug auf Chemotherapien wurden die beiden Standards mit Carboplatin und Paclitaxel durch Gemcitabin ergänzt sowie durch pegyliertes liposomales Doxorubicin (PLD). PLD zusammen mit Carboplatin und BEV war im Vergleich mit Carboplatin, BEV und Gemcitabin effektiver und verträglicher [2].
Eine Erhaltungstherapie mit PARPi nach dem Ansprechen auf eine platinbasierte Chemotherapie ist eine weitere Erfolg versprechende Option. In dem Sonderfall einer Patientin mit platinsensitiver Erkrankung, bei der aber keine platinbasierte Behandlung mehr toleriert wird, darf von den PARPi hierzulande lediglich Rucaparib (Rubraca®) als Monotherapie verabreicht werden – Voraussetzung ist allerdings eine BRCA-Mutation.
Erhaltungstherapie mit Rucaparib ohne BRCA-Status möglich
Dies ist auch deshalb hervorzuheben, weil Rucaparib in der Erhaltungstherapie nach platinbasierter Chemotherapie nicht mehr an das Vorliegen einer BRCA-Mutation gebunden ist, erläuterte PD Dr. Lars C. Hanker, Lübeck, anhand der Zulassungsstudie ARIEL3: In die doppelblinde, placebokontrollierte klinische Studie wurden 564 Frauen mit rezidivierenden, epithelialen Ovarial-, Eileiter- oder primären Peritonealkarzinomen nach Ansprechen auf eine platinbasierte Chemotherapie eingeschlossen. Als Erhaltungstherapie bekamen sie entweder Rucaparib in Tablettenform (n = 375) oder Placebo (n = 189; [3]).
Besonderes Augenmerk, so Hanker, erfuhren die Subgruppen mit BRCA-Mutation sowie die Kohorte mit einem hohen Grad an Verlusten von Heterozygotie (LOH high). LOH, erklärte der Onkologe, ist ein Marker für das Ausmaß einer homologen Rekombinationsdefizienz (HRD). Bei Vorliegen von HRD sind PARPi besonders effektiv.
Primärer Zielparameter war das progressionsfreie Überleben (PFS). Dies betrug in der Gesamtpopulation (ITT-Analyse) unabhängig vom BRCA-Status und anderen Mutationen unter Rucaparib median 10,8 Monate gegenüber 5,4 Monate unter Placebo.
Besonders ausgeprägt war der Effekt erwartungsgemäß bei Patientinnen mit einer BRCA-Mutation (16,6 vs. 5,4 Monate). Ebenfalls größer als bei der Gesamtpopulation war die Differenz in der Wirkstärke bei den Patientinnen mit HRD, ohne dass hier notwendigerweise eine BRCA-Mutation detektiert worden war (13,5 vs. 5,4 Monate). Alle Unterschiede waren signifikant (p < 0,0001; [4]).
Prof. Dr. Barbara Schmalfeldt, Hamburg, betonte hinsichtlich der Nebenwirkungen der PARPi, dass es Klasseneffekte gibt wie Fatigue, Nausea sowie Anämie und Thrombozytopenie, aber auch Besonderheiten einzelner Präparate wie etwa bei Rucaparib, wo ein Anstieg der Lebertransaminasen (ALT und/oder AST) auftreten kann. Dieser tritt normalerweise früh im Verlauf der Behandlung auf und ist in aller Regel passager. Bei Erhöhungen der ALT/AST vom Grad 1–3 ist meist keine Dosismodifikation vonnöten, in der Regel aber bei ALT/AST-Werten über dem 20-Fachen der oberen Grenze des Normalbereichs.
Reimund Freye
Post-Launch-Symposium „Personalisierte Therapie des Ovarialkarzinoms” in Lübeck am 04.09.2019, veranstaltet von Clovis Oncology, München.