Es ist inzwischen Tradition, dass das Sommerheft von Trillium Krebsmedizin sich den großen onkologischen Kongressen im Juni widmet: Das sind vor allem der größte Krebskongress der Welt, die Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago – die dieses Jahr mit über 42.000 Teilnehmern aus aller Welt einen neuen Rekord aufstellte – und der Kongress der European Hematology Association (EHA). Alle zwei Jahre schließt sich noch der weltgrößte Lymphom-Kongress an, der das Städtchen Lugano mittlerweile an die Grenzen seiner Kapazitäten bringt – zumindest was Hotelzimmer angeht.
Es ist unmöglich, auch nur einen halbwegs erschöpfenden Überblick über die Entwicklungen zu geben: Dieses Heft kann nur eine kleine Auswahl an Themen und Studienergebnissen bieten.
Ein kurzer Blick zurück: Bereits im ersten ASCO-Heft aus dem Jahr 2014 war das Editorial überschrieben mit „Immuntherapie – ein Meilenstein in der Tumorbehandlung“, und diese Thematik zieht sich seither als Konstante durch diese Ausgaben. Während die immunonkologischen Therapien weiter auf dem Vormarsch in immer neue Indikationsgebiete sind, gibt es aber natürlich Fortschritte auch bei anderen Therapieprinzipien. Zwei Beispiele vom diesjährigen ASCO-Kongress:
Wer hätte vor Jahren gedacht, dass das Prinzip der PARP-Inhibition, eingeführt beim Ovarialkarzinom, sich auf eine Reihe ganz unterschiedlicher Tumorentitäten ausbreiten würde? Die ursprüngliche Intention war, damit Tumoren zu behandeln, die durch Mutationen in den BRCA-Tumorsuppressor-Genen (in der Keimbahn oder somatisch) in ihrer Fähigkeit zur DNA-Reparatur geschwächt sind. Nach einer die DNA schädigenden Chemotherapie sollte ihnen vollends der Todesstoß versetzt werden, indem man die Poly(ADP-Ribose)-Polymerase 1 (PARP-1) hemmt – ein Enzym, das die Funktion der BRCA-Proteine zumindest teilweise ersetzen kann. Das hat funktioniert, aber es stellte sich heraus, dass auch Patientinnen mit Ovarialkarzinomen ohne BRCA-Mutationen von PARP-Inhibitoren profitieren. Eigentlich ist das einleuchtend: Auch die Hemmung nur eines einzelnen Reparaturmechanismus kann eine durch Chemotherapie geschädigte Krebszelle in die Apoptose treiben. Trotzdem wird bei der Weiterentwicklung der PARP-Inhibitoren offenbar immer wieder zunächst auf die Karte „BRCA-Mutationen“ gesetzt, wie zum Beispiel beim Pankreaskarzinom: In die POLO-Studie, die in der Plenary Session beim ASCO-Kongress vorgestellt wurde, kamen nur Patienten mit metastasierten Pankreastumoren, die BRCA-Keimbahnmutationen aufwiesen – ein paar Prozent der gesamten Population. Bei ihnen zeigte die Behandlung mit dem PARP-Inhibitor Olaparib als Erhaltungstherapie nach einer platinhaltigen Chemotherapie eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens, während beim Gesamtüberleben bislang (noch?) kein Unterschied erkennbar ist. Ob sich der Nutzen der PARP-Inhibition auch hier auf Patienten ohne BRCA-Mutation ausweiten lässt, muss man abwarten:Laut Hedy Kindler, die die POLO-Studie vorstellte, gibt es hierzu bisher noch keine Daten. Die PARP-Inhibition wird mit Sicherheit auch noch in anderen Indikationsgebieten Einzug halten:
In die POLO-Studie, die in der Plenary Session beim ASCO-Kongress vorgestellt wurde, kamen nur Patienten mit metastasierten Pankreastumoren, die BRCA-Keimbahnmutationen aufwiesen – ein paar Prozent der gesamten Population. Bei ihnen zeigte die Behandlung mit dem PARP-Inhibitor Olaparib als Erhaltungstherapie nach einer platinhaltigen Chemotherapie eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens, während beim Gesamtüberleben bislang (noch?) kein Unterschied erkennbar ist. Ob sich der Nutzen der PARP-Inhibition auch hier auf Patienten ohne BRCA-Mutation ausweiten lässt, muss man abwarten: Laut Hedy Kindler, die die POLO-Studie vorstellte, gibt es hierzu bisher noch keine Daten.
Die PARP-Inhibition wird mit Sicherheit auch noch in anderen Indikationsgebieten Einzug halten: Beim Prostatakarzinom wird ihre Wirkung zurzeit zum Beispiel bei vorliegenden DNA-Reparaturstörungen getestet, aber auch bei davon unbelasteten Patienten – und hier in Kombination mit Checkpoint-Inhibitoren.
Immer weiterentwickelt wird auch das Wissen über onkogene Treibermutationen etwa beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC): Mutationen im Gen für den EGF-Rezeptor stellen seit nunmehr zehn Jahren das Ziel von Tyrosinkinase-Inhibitoren dar. Sie machen aber nur einen kleinen Teil der pathogenetisch relevanten Mutationen bei diesen Tumoren aus, ebenso wie ALK-Translokationen, für die es auch spezifische Inhibitoren gibt. In Chicago wurden dieses Jahr frühe klinische Studien mit Inhibitoren einer ganzen Reihe weiterer Zielstrukturen gezeigt, darunter MET – der Rezeptor für Hepatozyten-Wachstumsfaktor –, das RET-Onkoprotein und ROS1. Auch Antikörper-Toxin-Konjugate sollen erstmals beim NSCLC eingesetzt werden – bei Patienten mit EGFR-Mutationen, die gegen sämtliche Tyrosinkinase-Inhibitoren resistent sind.
Diese Entwicklung wird vielleicht zu einer gewissen Umordnung der Prioritäten bei den Therapien des NSCLC führen: Patienten ohne behandelbare Treibermutationen erhalten heute überwiegend Checkpoint-Inhibitoren, solche mit EGFR- oder ALK-Mutationen hingegen die entsprechenden Inhibitoren. Je mehr von diesen Mutationen aber in Zukunft therapierelevant werden, desto intensiver dürfte die Konkurrenz zwischen Immun- und zielgerichteten Therapien werden – es sei denn, Kombinationen beider Prinzipien erweisen sich als noch wirksamer und etablieren sich als die neuen Standards.