Insgesamt fünf Antikörper gegen die Checkpoint-Moleküle PD-1 und PD-L1 sind bislang zugelassen und haben die onkologische Therapie grundlegend verändert. Binnen weniger Jahre wurden etwa die beiden PD-1-Inhibitoren Nivolumab und Pembrolizumab zur Therapie von bisher fünf, und der PD-L1-Antikörper Atezolizumab für bislang zwei Tumorentitäten zugelassen; weitere Indikationen sind zu erwarten. Diese Checkpoint-Inhibitoren lösen durch die Blockade der PD-1-/PD-L1-Achse eine „Bremse“, die T-Lymphozyten daran hindert, ihre anti-tumorale Aktivität auszuüben. Der Preis, der für diese Verstärkung der Immunantwort anfällt, sind Autoimmunreaktionen in verschiedenen Organsystem, v. a. in Gastrointestinaltrakt, Lunge und endokrinen Organen, die bei manchen Patienten beobachtet werden und in seltenen Fällen auch lebensbedrohliche Ausmaße annehmen können.
Um das toxikologische Profil dieser Substanzen zu charakterisieren und gegebenenfalls Unterschiede zwischen einzelnen Substanzen genauer zu definieren, werden sie grundsätzlich in den klinischen Studien genauestens und in standardisierter Form erfasst. Trotz Unterschieden zwischen den einzelnen Studien – im Hinblick etwa auf die behandelten Tumorerkrankungen, die eingesetzte Substanz und die detaillierten Kriterien zur Protokollierung von Nebenwirkungen – müssten sich aus der erstaunlichen Vielzahl verfügbarer klinischer Studien mittels einer Metaanalyse wertvolle Informationen gewinnen lassen, wenn man mithilfe ausgefeilter statistischer Methoden Verzerrungen der wahren Häufigkeiten von Toxizitäten vermeidet.
US-amerikanische und chinesische Onkologen und Statistiker identifizierten durch eine ausgedehnte Literaturrecherche in einschlägigen Datenbanken alle klinischen Studien, in denen PD-1- oder PD-L1-Inhibitoren in Monotherapie gegeben und die behandlungsbedingten Nebenwirkungen tabellarisch aufgeführt worden waren. Tumortyp und Dosierungsschemata der Medikamente wurden selbstverständlich ebenfalls berücksichtigt. Mit einem neuartigen Modell aus der bayesianischen Statistik gelang es außerdem, das Fehlen von Informationen in einzelnen Studien zu kompensieren und so ein wirklich repräsentatives Bild der Häufigkeit von Nebenwirkungen zu erhalten.
Aus 125 klinischen Studien mit mehr als 20.000 Patienten wurden 106 Studien mit 18.610 Patienten ausgewertet, in denen Angaben zu mindestens einer Nebenwirkung beliebigen Schweregrads bei 66% der Patienten gemacht worden waren; in insgesamt 110 Studien war außerdem bei 14% von 18.715 Patienten mindestens eine Nebenwirkung vom Grad ≥ 3 registriert worden. Wurden alle Schweregrade berücksichtigt, so waren die häufigsten Toxizitäten Fatigue (18,26%), Pruritus (10,61%) und Diarrhö (9,47%), wenn man sich auf Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher beschränkte, waren es Fatigue (0,89%), Anämie (0,78%) und eine Erhöhung der Aspartat-Aminotransferase (0,75%). Die immunologisch bedingten endokrinen Nebenwirkungen aller Schwergrade waren vor allem mit Schilddrüsen-Unterfunktionen (6,07%) und Hyperthyreoidismus (2,82%) vertreten.
Die einzelnen Medikamente unterschieden sich auch: Der PD-1-Antikörper Nivolumab war gegenüber Pembrolizumab im Mittel mit mehr Nebenwirkungen aller Schwergrade (Odds Ratio 1,28; 95%-Konfidenzintervall 0,97–1,79) ebenso wie mit mehr Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 assoziiert (OR 1,30; 95%-KI 0,89–2,00). Außerdem waren PD-1-Inhibitoren als Gruppe mit deutlich mehr unerwünschten Ereignissen vom Grad ≥ 3 verbunden als PD-L1-Inhibitoren (OR 1,58; 95%-KI 1,00–2,54). Keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Nebenwirkungen hatte hingegen der Typ des behandelten Tumors.
PD-1- und PD-L1-Antikörper haben sehr ähnliche Wirkmechanismen, unterscheiden sich aber dennoch zum Teil überraschend deutlich, was die Inzidenz von Nebenwirkungen angeht. Die Daten dieser sehr ausgedehnten Metaanalyse werden für die Anwendung dieser Substanzen in der Praxis große Bedeutung haben.
jfg