Ein negativer zirkumferentieller Resektionsrand ist beim frühen Rektumkarzinom der stärkste Prädiktor für Rezidivfreiheit. Die bisher gültige Empfehlung einer präoperativen Chemoradiotherapie bei Tumoren der Stadien II und III wird neuerdings durch einige Studien, darunter diese kanadische Phase-II-Studie, relativiert.
Um einen durchweg negativen zirkumferentiellen Resektionsrand im Operationpräparat mit möglichst hoher Sicherheit zu erreichen, wird – auch in der deutschen S3-Leitlinie – für die UICC-Stadien II und III (cT3/4 und/oder cN+) bei Tumoren des unteren und mittleren Rektumdrittels eine neoadjuvante Chemoradiotherapie empfohlen. Sie vermindert allerdings nur das Lokalrezidivrisiko, nicht aber die Gesamtsterblichkeit, während das funktionelle Ergebnis sich eher verschlechtert. Auf der Suche nach besseren Selektionskriterien für die präoperative Therapie kann möglicherweise die Kernspintomographie helfen:
In die nicht-randomisierte kanadische Phase-II-Studie QuickSilver wurden 82 Patienten mit Rektumkarzinom und laut MRT guter Prognose eingeschlossen, d. h. der Abstand zwischen Tumorrand und mesorektaler Faszie betrug mehr als 1 mm, das Stadium war T2, T2/frühes T3 oder definitiv T3 mit einer extramuralen Invasionstiefe von < 5 mm und ohne definitive extramurale venöse Invasion. Diese Patienten wurden ohne neoadjuvante Therapie operiert, primärer Endpunkt war der Anteil von Patienten mit positivem zirkumferentiellem Resektionsrand.
Die pathologische Untersuchung bestätigte für 75 der Tumoren (91%) ein
T-Stadium von ≥ 2, für 24 (29%) einen positiven Nodalstatus und für 48 (59%) ein UICC-Stadium von II oder III. Ein positiver zirkumferentieller Resektionsrand fand sich nur bei vier Patienten (4,9%) – vergleichbar mit den beiden größeren Studien MERCURY und OCUM, in denen die Rate ebenfalls < 5% gewesen war.
Sollten sich diese günstigen Ergebnisse in weiteren Studien bestätigen, wird man wohl bei Patienten mit Rektumkarzinom im Stadium II/III und entsprechenden günstigen MRT-Kriterien auf die Chemoradiotherapie verzichten können, ohne das onkologische Risiko zu erhöhen. Dass für die Patienten selbst auch das funktionelle Ergebnis zählt, zeigt sich daran, dass kein Patient nach ausführlicher Aufklärung über die möglichen Vor- und Nachteile die Teilnahme an der Studie verweigert hätte.
jfg