Der Höhepunkt und Abschluss des hämatologischen Jahres, der ASH-Kongress, fand Anfang Dezember 2018 zum wiederholten Mal im südlichsten Kalifornien, in San Diego, statt. Von den Waldbränden, die Südkalifornien in den Monaten vorher heimgesucht hatten, war hier nichts zu bemerken; am Tag nach dem Kongressende trübte sich das Wetter sogar ein und brachte den lang ersehnten Regen. Beim Kongress selbst waren für das subjektive Auge des Berichterstatters zwei Dinge bemerkenswert:
Erstlinientherapie der CLL
In der Erstlinientherapie der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) kündigte sich in zweifacher Hinsicht ein Paradigmenwechsel an (S. 20 ff.): Zum einen scheint hier die Ära der Chemotherapie endgültig vorbei zu sein: Zielgerichtete Medikamente wie BTK-, PI3K- und Bcl2-Inhibitoren erweisen sich in Kombination mit CD20-Antikörpern der herkömmlichen Chemoimmuntherapie als überlegen, wie in mehreren wegweisenden Studien gezeigt werden konnte.
Die zweite bemerkenswerte Entwicklung, die sich im Vorjahr schon angekündigt hatte (s. Trillium Krebsmedizin 1/2018): Die neuen Therapien haben ihre Überlegenheit bisher meist in Protokollen gezeigt, in denen sie unbegrenzt bzw. bis zur Progression gegeben wurden, Mittlerweile zeichnet sich ab, dass manche Regimes das ebenso schaffen, wenn sie wie die Chemotherapie nur für einen begrenzten Zeitraum verabreicht werden. Im Augenblick ist das erst für as Venetoclax/Rituximab-Protokoll in der Rezidivtherapie endgültig bestätigt, aber die Deutsche CLL-Studiengruppe konnte in San Diego Phase-II-Daten präsentieren, die auch in der Erstlinie einen hohen Anteil an Patienten zeigen, bei denen keine minimale Resterkrankung mehr nachweisbar ist.
Bestätigt sich das in der Phase III, so werden erstmals Therapien verfügbar sein, die bei begrenzter Therapiedauer die Patienten zumindest langfristig leukämiefrei machen können. Ob man dann von Heilung sprechen kann, wird sich erst nach längerer Beobachtung zeigen.
CAR-T-Zellen sind angekommen
Vor einigen Jahren noch ein Geheimtipp, waren die Gentherapien mit T-Zellen, denen ein chimärer Antigenrezeptor eingepflanzt wird, bei den letzten Kongressen bereits in zahlreichen Sitzungen zu myeloischen oder lymphatischen Malignomen vertreten. Mittlerweile sind zwei Präparate zugelassen, und dass in San Diego mindestens ein halbes Dutzend Oral-Abstract-Sitzungen sich ausschließlich mit CAR-T-Zellen oder ähnlichen auf genetischen Manipulationen basierenden zellulären Therapien beschäftigten, zeigt die Dynamik, die dieses Gebiet erfasst hat und in Kürze wohl zu weiteren Zulassungen bei anderen Krankheitsbildern wie der CLL oder dem Multiplen Myelom führen wird (s. z. B. S. 13 ff. und S. 20 ff.). Auch hier gibt es interessante Weiterentwicklungen:
Offenbar kann man durch Kombination der Zellen mit zielgerichteten Substanzen die Raten an sehr tiefen Remissionen noch erhöhen. Und die nächste Generation genetisch veränderter Zellen steht schon in den Startlöchern: Die hohen Kosten der autologen CAR-T-Zellen, die für jeden Patienten aufwendig und individuell hergestellt werden müssen, lassen sich künftig vielleicht durch die Gabe allogener Zellen reduzieren. Diese T-Zellen enthalten ebenfalls einen chimären Antigenrezeptor, werden aber darüber hinaus so manipuliert, dass sie keine anderen Fremdantigene mehr erkennen. Man wird sie deshalb in Serie herstellen und vielen Patienten geben können, ohne bei ihnen eine Graft-versus-Host-Reaktion auszulösen.