Wenn bei einer Chemotherapie das Risiko für eine febrile Neutropenie (FN) über 20% bzw. bei zusätzlich vorliegenden individuellen Risikofaktoren über 10% beträgt, wird in der S3-Leitlinie zur Supportivtherapie eine Neutropenie-Prophylaxe mit Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Wachstumsfaktoren (G-CSF) empfohlen [1]. Wie die Ergebnisse einer beim ESMO-Kongress 2018 vorgestellten prospektiven europaweiten Studie belegen, bewährt sich der Einsatz von Lipegfilgrastim (Lonquex®) nicht nur in kontrollierten Studien, sondern auch im klinischen Alltag [2].
In der paneuropäischen Studie hatten 895 Patienten Lipegfilgrastim zur Primärprophylaxe einer FN erhalten, 192 zur Sekundärprophylaxe. Knapp die Hälfte der Patienten wurden wegen eines Mammakarzinoms, ein gutes Viertel wegen eines Lymphoms und die übrigen wegen Bronchial-, Ovarial- oder Prostatakarzinomen mit Chemotherapien behandelt, deren FN-Risiko – auch unter Berücksichtigung der individuellen Risikofaktoren – als erheblich eingeschätzt worden war.
Mit der primärprophylaktischen Gabe von Lipegfilgrastim lag die FN-Inzidenz während des ersten Chemotherapie-Zyklus bei lediglich 1,8%, in der Sekundärprophylaxe bei 1% [2]. Eine nicht-febrile Neutropenie vom Grad 3 oder 4 wurde bei 7,5% der Patienten in der Primär- und bei 6,7% in der Sekundärprophylaxe registriert.
Neutropenie kaum Grund für Therapieänderung
Ein weiteres wichtiges Ziel der supportiven Gabe von G-CSF ist neben der Vermeidung von FN-Episoden auch die von daraus resultierenden Komplikationen sowie von Dosisreduktionen oder Therapieunterbrechungen aufgrund schwerer Neutropenien. In der aktuellen Studie musste in jedem fünften Fall (20,1%) eine Chemotherapie oder eine biologische Behandlung, bei der eine Primärprophylaxe mit Lipegfilgrastim erfolgt war, bezüglich der Dosis reduziert oder unterbrochen werden, aber das war nur bei 1,0% der Patienten durch eine FN und bei 2,2% durch eine Grad-3/4-Neutropenie bedingt. Bei einer Sekundärprophylaxe lagen die entsprechenden Werte bei 28,1%, 2,1% bzw. 5,5%.
Sicherheit im Alltag bestätigt
Von 1.313 Patienten, die mindestens eine Dosis Lipegfilgrastim bei im Mittel 4,27 Chemotherapiezyklen erhalten hatten, wurden bei 284 (21,6%) unerwünschte Ereignisse registriert, darunter Knochenschmerzen (5,86%), Myalgie (3,83%), Rückenschmerzen (1,83%) und Fieber (1,14%). Schwere unerwünschte Ereignisse traten in 3,2% der Fälle auf.
Die prospektiv gewonnenen Daten belegen, dass Lipegfilgrastim zur FN-Prophylaxe auch unter Alltagsbedingungen und zur Unterstützung der Therapie von sowohl soliden als auch hämatologischen Neoplasien wirksam und sicher ist. Diese Real-World-Ergebnisse stimmen mit den in randomisierten Studien erhobenen überein [3, 4].
Josef Gulden
Jahrestagung der European Society of Medical Oncology (ESMO) 2018 vom 19.–23.10.2018 in München.