Tumoren haben ausgefeilte und vielfältige Mechanismen entwickelt, um den Nachstellungen des Immunsystems zu entgehen – sonst würden die meisten Krebserkrankungen klinisch gar nicht in Erscheinung treten. Einen neuen Signalweg, wie metabolisch sehr aktive Tumoren – zum Beispiel Melanome – sich dem Angriff des Immunsystems entziehen können, haben Wissenschaftler an der Universität Mainz nun identifiziert. Im Tiermodell und an menschlichen Gewebeproben konnten sie eine immunsuppressive Rolle eines Proteins namens ICER nachweisen und zeigen, dass in Abwesenheit von ICER der Tumor langsamer wächst.
Melanom-Zellen zeigen im Vergleich etwa zu Zellen von Darmtumoren eine hohe Glykolyse-Aktivität. Das führt, wie die Autoren fanden, zu einer starken Ansäuerung des Tumor-Microenvironments mit erheblichen Konsequenzen: Die Azidose induziert in tumorassoziierten Makrophagen über einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor-Mechanismus die Expression des Transkriptions-Repressors ICER. Dieses Protein bewirkt eine funktionelle Polarisierung der Makrophagen, die daraufhin einen nicht-inflammatorischen Phänotyp annehmen. Dadurch werden Makrophagen beispielsweise befähigt, in Monozyten die Expression von PD-L1 zu induzieren, wodurch wiederum zytotoxische T-Lymphozyten in ihrer anti-tumoralen Wirksamkeit gehemmt werden.
In den Experimenten wuchsen inokulierte Melanome in Mäusen, im Gegensatz zu kolorektalen Tumoren, die ein weniger saures Milieu produzieren und in denen ICER weniger stark exprimiert wird (Abb. 1). Interessanterweise zeigte sich bei 92 Krebspatienten ein umso schlechteres Ansprechen, je mehr ICER in Proben ihrer Tumoren exprimiert wurde. Außerdem konnten bei Mäusen, bei denen die Fähigkeit zur Expression von ICER auf gentechnischem Weg ausgeschaltet worden war, Melanome im Gegensatz zu kolorektalen Karzinomen komplett eradiziert werden.
Die Versuche zeigen, dass die starke Ansäuerung des Milieus durch hohe glykolytische Aktivität offenbar einen wirksamen Mechanismus darstellt, mit dem Tumoren sich dem Zugriff des Immunsystems entziehen. Möglicherweise sind Mechanismen wie dieser auch dafür verantwortlich, dass nur ein Teil der Patienten auf Therapien – etwa mit Immuncheckpoint-Inhibitoren – anspricht.jfg