Thomas M. Heim
Breiter Expertenkonsens, viele Hinweise auf den Nutzen einer breiten HPV-Impfkampagne zugunsten der Prävention von Gebärmutterhalskrebs, aber noch kein endgültiger Beweis: Dieses Dilemma verleitete die Veranstalter einer Oxford-Debatte zu der etwas verdrucksten Fragestellung, ob bis zum Jahr 2020 alle Mädchen in Deutschland gegen HPV geimpft sein werden.
Die Empfehlung, zur Primärprävention des Zervixkarzinoms Mädchen ab dem 9. Lebensjahr möglichst frühzeitig gegen HPV zu impfen, ist mangels reifer Längsschnittdaten nicht durch einen hohen Evidenzgrad gedeckt. Gut belegt ist immerhin, dass bei mehr als 90% aller Zervixkarzinome eine Infektion mit einem Hochrisiko-HPV-Typ vorliegt. Auch zeigten prospektive Studien mit verschiedenen polyvalenten HPV-Impfstoffen, dass diese die Inzidenz zervikaler Krebsvorstufen reduzieren. Ob sich die Karzinom-Inzidenz, die sich bereits seit Einführung zytologischer Abstrich-Untersuchungen in den frühen 1970er-Jahren beständig im Sinkflug befindet, durch die Impfung weiter reduzieren lässt, wird sich jedoch erst in etlichen Jahren zweifelsfrei beantworten lassen. Die ersten Impfprogramme wurden nämlich erst vor zehn Jahren in einigen Ländern eingeführt [1], und das mittlere Erkrankungsalter beim invasiven Zervixkarzinom liegt bei über 50 Jahren [2].
Über jeden Zweifel erhaben?
Der Expertenkonsens pro Impfung ist gleichwohl breit genug, um sich in den Leitlinien zur Prävention des Zervixkarzinoms von Dezember 2017 [3], in den Leitlinien zur Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien von 2013 [4], sowie in den aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut [5] wiederzufinden. Er ist offenbar so stark, dass die Veranstalter der Oxford-Debatte zum Thema HPV auf dem diesjährigen Deutschen Krebskongress Probleme hatten, einen gegenüber der flächendeckenden HPV-Impfung kritisch eingestellten Kontrahenten zu finden. Stattdessen traten zwei glühende Impfbefürworter − vor allem miteinander und kaum gegeneinander − an, jeweils sekundiert von in dieser Frage ebenfalls bis ins Detail Gleichgesinnten.
Scheindebatte über hochgestecktes Ziel
Entsprechend konstruiert und kaum dazu geeignet, eine lebhafte Pro-Kon-Debatte anzufachen, wirkte dann der Gegenstand der vermeintlichen Kontroverse: „Im Jahr 2020 wird jedes Mädchen in Deutschland im Alter von 9–14 Jahren gegen HPV geimpft sein – Ja oder Nein?“ Pro-Referent Prof. Harald zur Hausen, Heidelberg, Nobelpreisträger und Krebsforschungs-Matador, erhob diese ambitionierte prognostische These zum Hoffnungssignal und zugleich zum Auftrag an alle Verantwortlichen in Medizin, Politik und nicht zuletzt auch an alle Eltern und Pädagogen von Mädchen im entsprechenden Alter. Für die Umsetzbarkeit dieser ehrgeizigen Zielsetzung sprechen für zur Hausen unter anderem die bestechend hohe Wirksamkeit der Impfung hinsichtlich der erreichten Antikörper-Titer sowie die ausgesprochen gute Verträglichkeit mit einer Rate schwerer Nebenwirkungen von unter 1/100.000. Zur Hausen rechnet damit, dass sich der Effekt der Impfung auf die Zervixkarzinom-Rate in fünf bis sechs Jahren zweifelsfrei zeige und damit das Hauptargument der Impfskeptiker endgültig aus dem Feld geschlagen sei. Ein entsprechender Review der Cochrane Collaboration ist bereits in Planung [6].
Nach Einschätzung der Kontra-Referentin Prof. Catharina Maulbecker-Armstrong, Gießen, sprechen die Zahlen zu den bisherigen Durchimpfungsraten jedoch gegen die Erreichbarkeit des 2020-Ziels. Schreibe man den Trend seit 2011 in die Zukunft fort, dann sei man 2020 gerade mal bei einer Impfquote von 40% angelangt.