Oliver Hauss
„Blut ist ein ganz besondrer Saft“ – unter dieses Zitat aus Goethes Faust stellte Prof. Hartmut Link, ehemaliger Chefarzt der Hämatologie am Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern, seine Ausführungen zur Leitlinien-konformen Behandlung von Anämie bei Krebspatienten. Er beklagte, dass Internisten und andere konservative Mediziner häufig eilfertig Erythrozyten-Konzentrate (EKs) gäben, wo dies gar nicht nötig sei. Gerade weil eine Anämie sich schon frühzeitig signifikant auf die Lebensqualität auswirke, müsse sie auch gemäß den individuellen Bedürfnissen des Patienten therapiert werden.
Werden bei Krebspatienten Aufnahme und Freisetzung von Eisen durch eine chronische Entzündung unterdrückt, so reiche häufig die intravenöse Substitution aus. Ist zusätzlich die Erythropoese gehemmt, können Erythropoese-stimulierende Agenzien (ESAs) das kompensieren. Bei gezieltem, rationalem Einsatz seien sie in Nutzen und Risiko mit der Gabe von EKs vergleichbar. Auch diese sind nicht frei von Risiken und sollten gemäß den Leitlinien daher nur in bestimmten Situationen eingesetzt werden: bei ausgeprägter Anämie und konkreten Beschwerden, die ein rasches Anheben von Hämatokrit und Hämoglobin notwendig machen.
Bei Chirurgen sieht die Situation nicht unbedingt besser aus, so Prof. Kai Zacharowski vom Universitätsklinikum Frankfurt. Bei vielen Patienten liege bereits vor einer Operation eine Anämie vor, die je nach Schweregrad die Notwendigkeit von Transfusionen, aber auch die Mortalität massiv erhöhen kann. Diese Anämie sollte bereits vor der Operation behoben werden. Besonders kritisierte Zacharowski, dass Patienten über die Risiken einer präoperativen Anämie nicht aufgeklärt würden – sei doch zu erwarten, dass die meisten eine elektive Operation verschieben würden, wenn das die Risiken verringert. Auch nach der Operation reicht die intravenöse Gabe von Eisen oft aus, um das Komplikationsrisiko zu verringern. Transfusionen, die in Deutschland fast doppelt so häufig erfolgen wie in den Niederlanden, sind oft nicht nötig.
Zacharowski ging noch weiter und zeigte, dass Transfusionen oft erst durch die Untersuchung im Krankenhaus notwendig gemacht werden. Er setzt sich daher für die Etablierung des „Patient-Blood-Management“-Ansatzes ein. Die zugrunde liegenden Maßnahmen werden von den Fachgesellschaften sowie von der WHO empfohlen und gefordert und haben in seinem Hause dazu geführt, dass nicht nur viele Transfusionen, sondern auch Kosten eingespart werden können. Um sie weiter zu verbreiten, hat er mit www.patientbloodmanager.de eine kostenlose Lernplattform geschaffen. „Hört auf, an Menschen etwas Planbares durchzuführen, ohne sie darauf vorzubereiten!“ schloss Zacharowski.
Prof. Link hatte zuvor mit einem weiteren Faust-Zitat geschlossen: „Allwissend bin ich nicht, doch viel ist mir bewusst!“ – ein bewussterer Umgang mit Blut und Blutprodukten würde, da waren sich die Referenten einig, nicht nur Patienten, sondern auch Krankenhäusern helfen.
Pressegespräch „Neubewertung des Anämie- und Blutmanagements: Aktuelle Publikation gibt Orientierung“ am 06.12.2017 in Frankfurt, veranstaltet von der Hexal AG, Holzkirchen.