Eine der spannendsten Präsentationen zur AML gab Tim Grob, Amsterdam, am letzten Tag in der Late-Breaking-Abstracts-Sitzung. In der bislang größten prospektiven Studie dieser Art konnten die belgisch-niederländische HOVON- und die schweizerische SAKK-Studiengruppe zeigen, dass der Nachweis einer minimalen Resterkrankung (MRD) nach Erreichen einer Komplettremission ein starker unabhängiger Prädiktor für Rezidivrisiko und Überleben ist [16]: Seit Langem muss man in der AML-Therapie mit dem Widerspruch leben, dass zwar die meisten Patienten unter einer intensiven Chemotherapie in eine komplette Remission kommen, dass aber viele von ihnen später ein Rezidiv erleiden, das die weitere Prognose erheblich verschlechtert. Der MRD-Status ist zwar bereits als wichtiger Prognosefaktor erkannt, kann aber bei Anwendung der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) bisher nur für spezifische, genetisch definierte Subtypen der AML bestimmt werden. Mit Next Generation Sequencing (NGS) lässt sich in einem Assay ein breites Spektrum krankheitsrelevanter Genmutationen untersuchen.
In die belgisch-niederländisch-schweizerische Studie wurden 482 Patienten mit neu diagnostizierter AML rekrutiert, die in Therapiestudien eine Induktionstherapie, gefolgt von einer Konsolidierung, erhielten. Mittels NGS wurden Mutationen in einem Panel von 54 Genen, die bei der AML häufig mutiert sind, bei Diagnose und beim Erreichen einer Komplettremission nach zwei Zyklen Induktionstherapie untersucht. Primärer Endpunkt waren Rezidive, sekundärer Endpunkt das Gesamtüberleben. Die 430 Patienten, bei denen bei Diagnose somatische Treibermutationen nachweisbar waren, wurden in eine Trainings- (n = 283) und eine Validierungskohorte (n = 147) unterteilt.
Bei rund der Hälfte der Patienten (51,4%) konnten im Knochenmark während der morphologischen Komplettremission persistierende Mutationen mit sehr stark variierenden Allelfrequenzen detektiert werden, insbesondere in den Genen DNMT3A, TET2 und ASXL1, die allerdings nicht mit dem Rezidivrisiko korrelierten, sondern wohl eher auf eine klonale Hämatopoese zurückzuführen waren. Der Nachweis weiterer AML-relevanter Mutationen (das wurde als NGS-MRD-positiv definiert) war hingegen signifikant mit dem Rezidivrisiko korreliert (kumulatives Risiko nach fünf Jahren 76,4% vs. 39,4% bei NGS-MRD-negativen Patienten; p = 0,002). In der Trainingskohorte erhöhte das Vorliegen solcher Mutationen das Rezidivrisiko um 85% (Subdistribution Hazard Ratio 1,85; p = 0,001), in der Validierungskohorte sogar um 181% (SHR 2,81; p < 0,001; Abb. 1). Auch in beiden Kohorten zusammen erhöhte ein positiver NGS-MRD-Status das Rezidivrisiko nach fünf Jahren signifikant (58,3% vs. 33,9%; p < 0,001; Abb. 2).
Darüber hinaus reduzierte ein MRD-Nachweis in beiden Kohorten sogar die Chancen für das Gesamtüberleben (Trainingskohorte HR 1,64; p = 0,012; Validierungskohorte HR 3,08; p < 0,001). Auch in einer multivariaten Analyse, in die zusätzlich Risikofaktoren wie Alter, Leukozytenzahlen, ELN2017-Risikogruppe [3] und Anzahl der Induktionszyklen bis zur Komplettremission eingingen, erwies sich die mittels NGS detektierte MRD als signifikanter, unabhängiger Risikofaktor für Rezidiv (SHR 1,89; p < 0,001) und Überleben (HR 1,64; p = 0,003). Auch die Berücksichtigung von allogenen Stammzelltransplantationen änderte an diesen Verhältnissen nichts Wesentliches.
Mit dieser bisher größten Studie zum Thema konnte der Nachweis residueller leukämischer Zellen wie hier definiert (AML-assoziierte Mutationen im Knochenmark, die nicht DNMT3A, TET2 oder ASXL1 betreffen) im Stadium einer morphologischen Komplettremission als starker und unabhängiger Prädiktor für Rezidivrisiko und Überleben etabliert werden. Im Gegensatz zu bisherigen Nachweisverfahren, die meist mit PCR arbeiteten, lässt sich die MRD-Bestimmung mittels NGS bei praktisch allen neu diagnostizierten AML-Erkrankungen anwenden.