Ein CUP-Syndrom (Cancer of Unknown Primary) ist selten (7–12 neue Fälle pro 100.000 Personen im Jahr) und definiert durch das Vorliegen von Metastasen eines Primärtumors, den man nicht mehr nachweisen kann und dessen Ursprung sich auch durch Serummarker, Endoskopie, Bildgebung oder histopathologische Untersuchungen nicht zweifelsfrei feststellen lässt. Bisher wurden diese Erkrankungen meist mit platinbasierten Chemotherapien behandelt – mit mäßigen Resultaten. Weil personalisierte Therapiekonzepte, die auf spezifischen molekularen Veränderungen basieren, und neue molekulargenetische Diagnoseverfahren derzeit die Entwicklung in der Onkologie bestimmen, untersuchten US-amerikanische Onkologen das Potenzial eines solchen Ansatzes auch bei Patienten mit CUP-Syndrom.
Ansätze mit modernen Verfahren wie Next Generation Sequencing (NGS) wurden bereits an archiviertem pathologischem Material von CUP-Patienten getestet, waren aber nur begrenzt informativ, unter anderem wegen der genomischen Heterogenität innerhalb von einzelnen Tumorläsionen und weil die Krebszellen während der Therapie ein sehr dynamisches Mutationsgeschehen zeigen. Eine Möglichkeit, diese Probleme zu umgehen, ist die „Liquid Biopsy“, d. h. die Verwendung zirkulierender Tumor-DNA, die von den malignen Zellen ins Blut abgegeben wird und sich daraus isolieren lässt. Dieses Phänomen wurde im Prinzip bereits vor 30 Jahren erstmals nachgewiesen [1], lässt sich aber erst seit einigen Jahren durch die Fortschritte in der Sequenziertechnik in großem Maßstab klinisch anwenden. Die Autoren einer aktuellen Publikation wandten einen solchen „Liquid-Biopsy“- Ansatz auf Blutproben von insgesamt 442 CUP-Patienten an [2].
Analysiert wurden mittels Next Generation Sequencing zunächst 54 Gene pro Probe; im Verlauf der Studie erhöhte sich die Zahl auf schließlich 70 Gene. Bei etwa 80% aller Patienten fanden sich Veränderungen in der Tumor-DNA, bei ungefähr zwei Dritteln (290 von 442 Patienten) mindestens eine charakteristische, onkologisch bedeutsame Veränderung. 255 von diesen 290 Patienten (87,9%) konnte ein definiertes genomisches Profil zugeordnet werden, und 289 (99,7%) wiesen Mutationen auf, gegen die zielgerichtete Medikamente bereits verfügbar sind oder sich in klinischer Entwicklung befinden.
Wie sich ein solcher Ansatz klinisch nutzen lassen könnte, illustrieren die Autoren anhand zweier Kasuistiken:
- Ein 60-jähriger Patient, dessen Metastasen pathologisch als zu einem Plattenepithelkarzinom gehörig identifiziert worden waren, hatte zu Beginn im Blut Mutationen im MYK- und im JAK2-Gen aufgewiesen, die unter einer Cisplatin/ Gemcitabin-Chemotherapie verschwanden, zugleich mit der Rückbildung von Lebermetastasen. Parallel fanden sich multiple neue Veränderungen in den Genen APC, NF1, KIT, AR und STK11. Weil sich in einer archivierten Metastase auch eine Fusion von FGFR2- und DDX21-Gen zeigte, erhielt der Patient Pazopanib, während die Cisplatin-Therapie aufgrund der Toxizität beendet wurde. Interessanterweise war danach die MYK-Mutation wieder messbar.
- Der zweite Patient – ein 82-jähriger Mann – hatte Metastasen eines Adenokarzinoms in Leber und abdominellen Lymphknoten, in denen ebenso wie in der zirkulierenden Tumor-DNA Mutationen im KRAS-Gen und im Mismatch-Repair- Gen MLH1 gefunden wurden. Weil die RAS-Kinase die erste Station im RASRAF- MEK-ERK-Signalweg ist, erhielt er im Rahmen einer Phase-I-Studie den MEK-Inhibitor Trametinib und zusätzlich den PD-1-Checkpoint-Inihibitor Nivolumab (der zum Beispiel beim Kolonkarzinom mit Mismatch-Repair-Defekten wirksam ist). In der Studie waren nicht primär die Histologie, sondern die genetischen Charakteristika des Tumors ausschlaggebend für die Wahl der Therapie. Nach acht Wochen war der Patient in einer partiellen Remission, der CA 19-9-Spiegel war rasch gesunken; er wird bis auf Weiteres mit dieser Kombination behandelt.
Die Analyse zirkulierender Tumor-DNA ist also auch bei Patienten mit einem CUP-Syndrom möglich hilfreich, weil diese DNA bei den meisten Patienten, bei denen sie sich nachweisen lässt, ein charakteristisches genetisches Profil zeigt. Auch ohne Nachweis eines Primärtumors kann sie zielführend für eine mögliche Therapiesteuerung sein – wie das auch bei Nicht-CUP-Tumorerkrankungen immer häufiger diskutiert wird. Die nicht-invasive „Liquid Biopsy“ sollte deshalb nach Ansicht der Autoren in künftigen Studien mit CUP-Patienten eingesetzt werden.
Literatur