Ph-positive Leukämien: molekulares Therapieansprechen steuert die Therapie
Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) mit dem Prototyp Imatinib haben sich zur Hemmung der leukämiespezifischen Tyrosinkinase BCR-ABL1 als erfolgreiches Therapieprinzip bei chronisch myeloischer Leukämie (CML) und bei Philadelphia-Chromosom-positiver akuter lymphatischer Leukämie (Ph+ ALL) etabliert. Ein langfristiger Therapieerfolg erfordert jedoch die Kombination neuer Labortechniken sowie moderner TKI, um Resistenzen im Therapieverlauf zu verhindern.
Die Hämatologin Prof. Simona Soverini von der Universität Bologna sieht in der Verbindung neuer diagnostischer Technologien wie des Next Generation Sequencing (NGS) mit einem Portfolio moderner TKI bei Ph+ Leukämien ein Paradigma für moderne Präzisionsmedizin. Mutationen sind zwar nicht der alleinige, aber derzeit der einzige beeinflussbare Resistenzmechanismus bei diesen Erkrankungen, betonte Soverini. Daher sei eine möglichst präzise Mutationsanalyse entscheidend für ein optimales Patientenmanagement bei CML und Ph+ ALL.
Kriterium des Therapieansprechens bei CML ist heute die molekulare Response (MR). Dabei wird die Reduktion von Transkripten des BCR-ABL-Gens im peripheren Blut um bis zu fünf Logstufen erfasst, ausgehend von einem standardisierten Basiswert. Im Vergleich zum herkömmlichen Nachweis mit der Sanger-Sequenzierung sinke dieser Anteil mit automatisiertem NGS auf 1–3%. Zudem erlaube das NGS einen Nachweis von BCR-ABL-Transkripten – und damit der leukämischen Last – bis hin zu einer tiefen molekularen Remission mit weniger als 0,0032% BCR-ABL-Transkript. „Mit einem solchen ‚deep sequencing´ sehen wir mehr und besser, und in einigen Fällen können wir bessere Entscheidungen treffen“, so Soverini. Durch die Erfassung von Mutationen unterhalb der Nachweisgrenze konventioneller Sequenzierung lasse sich etwa die Auswahl eines ungünstigen TKI verhindern. Denn hochresistente Compound-Mutationen – vor allem wenn eine T315I-Mutation beteiligt ist – können durch den Wechsel auf einen weiteren TKI begünstigt werden, wenn der bestehende mutierte Klon nicht schnell und komplett eradiziert worden sei.
Eine regelmäßige Überprüfung der MR unter einer TKI-Therapie ermögliche es auch, einen Wiederanstieg der BCR-ABL1-Konzentrationen im Therapieverlauf als Zeichen einer Resistenzentwicklung oder einer mangelhaften Therapieadhärenz rechtzeitig zu erkennen.
Fünf der zehn häufigsten Imatinib-resistenten Mutationstypen vermitteln auch eine Resistenz gegenüber mindestens einem Zweitgenerations-TKI wie Nilotinib oder Dasatinib, unterstrich Soverini. So finden sich Mutations-Hotspots – nicht nur gegen Imatinib (über 50) sondern auch gegen Nilotinib (vier), Dasatinib (drei) und Bosutinib (mindestens drei). Lediglich für Ponatinib (Iclusig®) seien bislang keine Einzelmutationen der Kinasedomäne (KD) bekannt, betonte die Hämatologin.
Insbesondere bei Ph+ ALL entstehen rasch schwierig zu behandelnde Compound-Mutationen, bedingt durch die besonders hohe genetische Instabilität der Leukämiezellen. TKI-resistente Klone existieren hier bereits bei der Diagnose oder treten sehr früh im Therapieverlauf auf. So betrug der Anteil von besonders ungünstigen T315I-Mutationen bei Imatinib-resistenten Patienten 37,4% und stieg bei Patienten mit TKI-Resistenz in der Zweitlinie auf 65% an. Die Therapie dieser mit jedem Rezidiv akkumulierenden TKI-Resistenzen gleiche daher „dem Schießen auf ein bewegliches Ziel“, pointierte Soverini. Zugleich unterstreiche dieser Befund die Notwendigkeit, Patienten mit Ph+ ALL früh und kontinuierlich auf Mutationen der BCR-ABL1-Kinasedomäne zu überwachen. Mit NGS ließen sich dabei auch Mutationen erfassen, bei denen zwar molekular bereits eine minimale Resterkrankung (MRD), aber morphologisch noch keine Evidenz für ein Rezidiv nachweisbar sei. Solche „Low-burden“-Mutationen waren jedoch in bisherigen Studien bei Ph+ ALL stets mit einem späteren Rezidiv assoziiert. Eine vielversprechende künftige Perspektive sieht die Hämatologin auch bei der Ph+ ALL in einer Erstlinientherapie mit Ponatinib, da es bei zahlreichen Mutationen noch gut wirksam sei. Nach ersten, noch unpublizierten Befunden ihrer Studiengruppe kam es hierunter nur selten zum Rezidiv und zu Mutationen.
Andreas Häckel
Fachpressekonferenz zu Iclusig® „Evolution of diagnostics in chronic myeloid leukaemia (CML) and clinical relevance in daily practice“ am 10.04.2018 in Frankfurt am Main, veranstaltet von Incyte Biosciences Germany GmbH, Planegg/Martinsried.