Metastasiertes Prostatakarzinom: Wahl der Sequenz kann entscheidend für Prognose sein
Bei der Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms wurden in letzter Zeit erhebliche Fortschritte erzielt, und es stehen zusätzlich zur Androgendeprivation (ADT) verschiedene Optionen, wie gegen den Androgenrezeptor (AR) gerichtete Therapien und Chemotherapien, zur Verfügung. Der Wahl der individuell abgestimmten optimalen Sequenz kommt dabei eine immer größere Bedeutung zu.
Zwischen den 1990er-Jahren und 2017 konnte durch den Einsatz neuer Therapien das Gesamtüberleben beim metastasierten Prostatakarzinom um den Faktor drei gesteigert werden, berichtete Dr. Stefan Machtens, Bergisch Gladbach. Bei 15–20% der Patienten mit Prostatakarzinom liegen bereits bei der Erstdiagnose Metastasen vor. Bei diesen Patienten mit metastasiertem kastrationsnaivem Prostatakarzinom (mCNPC) hat sich die Therapie mit ADT und Abirateron (plus Prednison/Prednisolon) in Bezug auf Gesamtüberleben und progressionsfreies Überleben als ebenso effektiv erwiesen wie die Kombination von ADT und Docetaxel, sodass heute beide Optionen in der S3-Leitlinie als Therapiestandards genannt werden [1]. Wichtiges Kriterium für die Patientenselektion könnte das unterschiedliche Nebenwirkungsspektrum sein, das unter der Chemotherapie mehr hämatologisch und unter dem Antiandrogen kardiovaskulär betont ist.
Wahl der Sequenz beim mCRPC
Wie ist die Situation beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC)? In den Zulassungsstudien zeigten die gegen den AR gerichteten Substanzen (ARTA) Abirateron und Enzalutamid sowie die Chemotherapeutika Docetaxel und Cabazitaxel (Jevtana®) vergleichbare Effektivität.
Größte Herausforderung bei der Anti-Androgen-Therapie ist die Resistenzentwicklung, so Machtens. Etwa 25% der Patienten zeigen bereits bei Therapiebeginn Resistenzen gegen die ARTA, und durch den Therapiedruck werden im Verlauf weitere resistente Klone begünstigt. Diese Resistenzen müssen frühzeitig erkannt werden, um die Therapie rechtzeitig umstellen zu können. PSA-Kontrollen reichen dafür alleine nicht aus, so der Experte. Auch bei stabilem PSA-Wert kann ein „stiller“ Progress vorliegen, sodass eine zusätzliche Bildgebung erforderlich ist. Eine Umstellung auf das jeweils andere ARTA ist hier wenig sinnvoll, da es Kreuzresistenzen gibt und die Ansprechzeit dann bei höchsten 2,7 Monaten liegt [2].
Chemotherapie hat auch in der Erstlinie hohen Stellenwert
Taxane haben daher in der Zweitlinie nach ARTA-Versagen den Vorrang. Aber auch in der Erstlinie beim mCRPC hat die Chemotherapie einen hohen Stellenwert. So sollte sie bei ausgeprägter Symptomatik und/oder viszeralen Metastasen (in der Regel mit Docetaxel) immer an erster Stelle stehen. Auch bei Vorliegen der folgenden Faktoren ist die Chemotherapie in der Erstlinie in der Regel die richtige Wahl:
- schnelle Progression und kurze PSA-Verdopplungszeit (< 55 Tage),
- initial hoher Gleason-Score (8–10),
- nur kurzes Ansprechen auf die primäre ADT (< 12 Monate),
- hohe Werte von LDL-Cholesterin und alkalischer Phosphatase,
- Anämie (als Anzeichen für die Krankheitsschwere).
Therapie nach Docetaxel
Nach Docetaxel sprechen für eine zweite Chemotherapie mit Cabazitaxel ebenfalls ein kurzes Ansprechen auf die ADT, ein schneller Progress, viszerale Metastasen, hohe Tumorlast, Schmerzsymptomatik, hoher Gleason-Score sowie ein Progress unter oder nach Docetaxel und Resistenzen gegen AR-gerichtete Therapien. Mit Cabazitaxel lässt sich die Docetaxel-Resistenz durchbrechen, wobei die Wirksamkeit unabhängig vom vorherigen Ansprechen auf ADT und ARTA ist, sagte der Urologe. Je früher nach einer Docetaxel-Therapie Cabazitaxel eingesetzt wurde, umso höher war in einer Auswertung von 13 Studien das kumulative 12-Monats-Überleben [3].
Dabei dürfe auch die Lebensqualität nicht unberücksichtigt bleiben: In einer prospektiven Registerstudie wurde bei mehr als 70% der Patienten mit mCRPC eine Stabilisierung oder Verbesserung der Lebensqualität und Schmerzsymptomatik gezeigt und die Patientenpräferenz zwischen Docetaxel und Cabazitaxel liegt klar bei Cabazitaxel [4].
Um alle Chancen optimal zu nutzen, sollte jeder Patient mit mCRPC im Verlauf mindestens eine wirksame Taxan-Therapie erhalten, betonte der Experte. Zögert man die Chemotherapie zu lange hinaus, könnte sie irgendwann aufgrund des verschlechterten Allgemeinzustandes nicht mehr möglich sein, und die Chance zur Lebensverlängerung ist vertan.
Maria Weiß