Liquid Biopsy beim NSCLC: aktueller Stand
Die Analyse der Tumormutationslast kann die Therapieauswahl mit Medikamenten wie Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) bestimmen. Oft ist es jedoch nicht möglich, ausreichend verwertbares Tumorgewebe aus Biopsien zu gewinnen. Mit der Analyse von im Blut zirkulierender Tumor-DNA scheint es möglich, diese diagnostische Lücke zu füllen.
Die Liquid Biopsy analysiert unter anderem zellfreie Nukleinsäuren wie zirkulierende Tumor-DNA (circulating tumor DNA, ctDNA) in Körperflüssigkeiten, meist im peripheren Blut. Sie wird bisher vor allem zur Therapiewahl bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) genutzt. Dabei wird die Biomarker-Diagnostik in Gewebebiopsien durch die Analyse im Blut zirkulierender Tumorzellen und Nukleinsäuren ergänzt, sagte Prof. Martin Schuler, Essen.
Viele Studien haben mittlerweile den Stellenwert der Flüssigbiopsie untersucht. So wurde in einer Vergleichsstudie [1] die Sensitivität und Spezifität des Nachweises von EGFR-Mutationen (Epidermal Growth Factor Receptor) beim fortgeschrittenen NSCLC in Gewebe- und Plasma-DNA von Patienten bestimmt. Für Mutationen, die Resistenzen gegen EGFR-TKI vermitteln, ergab sich im Tumorgewebe eine hohe Sensitivität von 78–100% sowie eine Spezifität von 93–100%. Mit der Liquid Biopsy wurde ebenfalls eine hohe Sensitivität von 82–87% und eine Spezifität von 97% erreicht.
Für die EGFR-T790M-Mutation (T790M: p.Thr790Met point mutation) lag die Sensitivität bei der auf zwei Plattformen analysierten Liquid Biopsy zwischen 73% und 81% und die Spezifität zwischen 58% und 67%. Die T790M-Mutation ist bei zirka 60% der Patienten der Grund für eine Resistenz gegen die Erstlinientherapie mit einem TKI. Die Detektion dieser Mutation kann als Prädiktor für ein Ansprechen auf TKI dienen, die zielgerichtet auf die T790M-Mutation einwirken.
Ein Beispiel dafür ist die randomisierte, offene Phase-III-Studie AURA3 [2], in der die Wirksamkeit des EGFR-TKI Osimertinib gegenüber einer Platin-basierten Behandlung einschließlich Pemetrexed bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC nach einer TKI-Erstlinientherapie geprüft wurde. Osimertinib wirkt sowohl auf den primär mutierten EGFR als auch auf die T790M-Resistenzmutation. Für den Einschluss in die Studie war die Bestätigung einer T790M-Mutation mit dem Cobas-EGFR-Mutationstest, Version 2, Voraussetzung. Die Detektion erfolgte mithilfe von zirkulierender Tumor-DNA aus Blutproben.
Im Ergebnis erwies sich die mediane Dauer des progressionsfreien Überlebens (PFS) unter der Therapie mit Osimertinib gegenüber Platin plus Pemetrexed als signifikant länger (10,1 vs. 4,4 Monate). Auch die objektive Ansprechrate war unter Osimertinib signifikant besser (71 % vs. 31 %). Des Weiteren wurde bei Patienten mit Metastasen im zentralen Nervensystem (ZNS) ein längeres medianes PFS unter Osimertinib beobachtet (8,5 vs. 4,2 Monate).
Die Mutation T790M ist von besonderem Interesse, da sie die Bindung der
EGFR-TKI der ersten und zweiten Generation an die ATP-bindende EGFR-Tasche hemmt und auf diese Weise die durch die Medikamente vermittelte Inhibition des Signalwegs einschränkt.
Auch in einer retrospektiven Analyse [3] von NSCLC-Patienten mit erworbener EGFR-TKI-Resistenz wurde die zellfreie Plasma-DNA untersucht, um die Genauigkeit der Liquid Biopsy gegenüber der Tumor-Genotypisierung zu bewerten. Die Sensitivität der Plasma-Genotypisierung bezüglich T790M betrug 70%. Von den 58 Patienten mit T790M-negativen Tumoren wurde die Mutation im Plasma fälschlicherweise bei 18 (31%) diagnostiziert.
Die objektive Ansprechrate (ORR) und das mediane PFS zeigten bei Patienten mit T790M-Positivität im Plasma und im Tumorgewebe ähnliche Resultate (ORR 63% vs. 62%, PFS 9,7 vs. 9,7 Monate). Bei einer falsch-positiven Rate von 31% mit der Plasma-Genotypisierung scheint es notwendig, bei Patienten mit T790M-negativen Ergebnissen im Plasma zusätzlich eine Tumorbiopsie durchzuführen.
Es besteht beim NSCLC eine robuste Korrelation zwischen im Tumorgewebe und im Blut nachweisbaren genomischen Biomarkern und dem Ansprechen auf eine Behandlung, resümierte Schuler. Die European Medicine Agency (EMA) hat demzufolge für Patienten mit NSCLC bei der Therapie mit Gefitinib den Nachweis aktivierender Mutationen der EGFR-Tyrosinkinase sowie bei Osimertinib-Behandlung den Nachweis der T790M-Mutation aus Blutproben zugelassen, wenn kein ausreichendes Tumorgewebe zur Verfügung steht [4].
Ralph Hausmann