RCC: neuer Multikinase-Inhibitor zugelassen
Für Patienten mit fortgeschrittenem bzw. metastasiertem Nierenzellkarzinom (mRCC) gibt es jetzt eine weitere Therapieoption: Mit Tivozanib wurde ein neuer Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor zugelassen, der die Rezeptoren 1–3 des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGFR) selektiv hemmt. Die Zulassung basiert auf den Daten der Studie TiVO-1, in der sich Tivozanib gegenüber Sorafenib bei Wirksamkeit und Verträglichkeit überlegen zeigte.
Von allen Patienten mit mRCC leben fünf Jahre nach Diagnose nur noch etwa 5%, d. h. es gibt einen Bedarf für neue Medikamente, die die Effektivität der Behandlung verbessern und zugleich besser verträglich sind, so Michael Staehler, München.
Bei Progression und Metastasierung des RCC ist die Angiogenese ein zentraler Prozess, und in ihm wiederum spielen der VEGF und seine Rezeptoren eine maßgebliche Rolle. Das ist die Rationale für den Einsatz von Inhibitoren dieser Rezeptor-Tyrosinkinasen (TKI), die derzeit in der Erstlinientherapie des mRCC die wichtigste Rolle spielen. Die bisher verfügbaren Medikamente blockieren aber auch eine Reihe anderer Tyrosinkinasen – mit den entsprechenden Nebenwirkungen.
Tivozanib (Fotivda®) ist ein oral verfügbarer VEGFR-TKI, der einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten einzunehmen ist und im Unterschied zu anderen Substanzen selektiv nur die VEGF-Rezeptoren 1, 2 und 3 inhibiert. Zugelassen ist die Substanz zur Erstlinienbehandlung erwachsener Patienten mit fortgeschrittenem RCC sowie zur Therapie von Patienten, die noch keinen
VEGFR- und/oder mTOR-Inhibitor erhalten haben, aber nach vorheriger Zytokin-Therapie progredient waren [2].
PFS um drei Monate verlängert
Die Zulassung von Tivozanib basiert auf den Ergebnissen der Phase-III-Studie TiVO-1, in der 517 Patienten mit einem solchen Tumor randomisiert entweder 1,5 mg/d Tivozanib Hydrochloridmonohydrat (entsprechend 1,34 mg Tivozanib) oral über drei Wochen mit anschließender einwöchiger Pause oder 400 mg Sorafenib zweimal täglich oral kontinuierlich bis zu einer Progression der Erkrankung erhielten. Für Patienten, die unter Sorafenib progredient waren, war ein Cross-over auf Tivozanib möglich.
Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), das in der Intention-to-treat-(ITT)-Population unter Tivozanib bei 11,9 Monaten, unter Sorafenib bei 9,1 Monaten lag (Hazard Ratio 0,797; p = 0,042). Bei den Patienten ohne systemische Vorbehandlung war der Benefit unter Tivozanib noch ausgeprägter (medianes PFS 12,7 vs. 9,1 Monate; HR 0,756; p = 0,037; [3]).
Auch bei den sekundären Endpunkten erwies sich Tivozanib dem Sorafenib als überlegen, etwa bei der Gesamtansprechrate (33,1% vs. 23,3%; p = 0,014; [3]). „Die Überlegenheit von Tivozanib bestand in allen Subgruppen unabhängig von der Lokalisation der Metastasen und der Vortherapie“, so Staehler.
Gesamtüberleben: kein signifikanter Unterschied
Bei der medianen Gesamtüberlebenszeit (OS) ergab die ITT-Auswertung keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Armen, lediglich einen leichten Trend zugunsten von Sorafenib, aber das dürfte laut Staehler daran liegen, dass deutlich mehr Patienten im Sorafenib-Arm eine Zweitlinientherapie erhielten (75,7% vs. 38,4%). Tatsächlich wurden 61% der Patienten, die unter Sorafenib progredient waren, auf Tivozanib umgestellt. In einer statistischen Auswertung, in der für diesen Cross-over-Effekt korrigiert wurde, ergab sich tatsächlich ein Trend beim Gesamtüberleben zugunsten von Tivozanib.
Tivozanib besser verträglich
Zu den häufigsten Nebenwirkungen von TKI zählen Hypertonie, Diarrhö, Heiserkeit, Asthenie und das Hand-Fuß-Syndrom. Besonders belastend für die Patienten sind laut Staehler anhaltende schwere Diarrhöen, die die soziale Funktionsfähigkeit stark beeinträchtigen, sowie das Hand-Fuß-Syndrom. Bei der Gesamtinzidenz von Toxizitäten fanden sich in der TiVO-1-Studie keine Unterschiede zwischen beiden Substanzen, wohl aber bei einzelnen unerwünschten Wirkungen vom Grad ≥ 3: Hypertonie war gleich häufig (Tivozanib 27%, Sorafenib 18%), bei Diarrhöen war Tivozanib deutlich besser verträglich (2% vs. 7%). Gleiches gilt für das Hand-Fuß-Syndrom (2% vs. 17%). Auch die Lebensqualität wurde in der TiVO-1-Studie anhand verschiedener Scores ermittelt, wobei Tivozanib durchgehend besser abschnitt [3].
Josef Gulden
Literatur
1. Fotivda Produktinformation, Stand August 2017.
2. Motzer RJ et al. J Clin Oncol 2013; 31: 3791-9.
Launch-Pressekonferenz „Tivozanib – Ein neuer Standard in der mRCC-Therapie“ am 25.10.2017 in München, veranstaltet von EUSA Pharma, Tutzing.