Pankreaskarzinom: effektive Zweitlinientherapie
Mit pegyliertem, liposomalem Irinotecan (nal-IRI) in Kombination mit 5-Fluorouracil/Folinsäure (5-FU/FS) ist seit einem Jahr eine Option für die Zweitlinientherapie des metastasierten Pankreaskarzinoms zugelassen. Damit kann jetzt bei diesem prognostisch ungünstigen Tumor eine Sequenztherapie in Betracht gezogen werden.
In Deutschland erkrankten 2010 mehr als 16.000 Menschen an einem Pankreaskarzinom, nahezu alle verstarben daran. Das verdeutlicht die schlechte Prognose bei diesem Tumor, dessen Inzidenz in den nächsten Jahren deutlich steigen wird, konstatierte Prof. Dr. Manfred Lutz, Saarbrücken. Ursächlich für die hohe Sterblichkeit ist die Tatsache, dass > 80% dieser Tumoren erst im lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Stadium detektiert werden. Zudem ist jeder zweite Patient bei Diagnosestellung bereits über 70, jeder Dritte über 80 Jahre alt, sodass Begleiterkrankungen die Therapie erschweren.
In der Erstlinientherapie des metastasierten Pankreaskarzinoms ist Gemcitabin seit rund 20 Jahren etabliert, besitzt jedoch nur eine moderate Wirksamkeit, gab Prof. Dr. Michael Geißler, Esslingen, zu bedenken. Effektiver ist das FOLFIRINOX-Regime, das jedoch wegen seiner hohen Toxizität bei den oft alten und komorbiden Patienten nur schwer einsetzbar ist. Eine verbesserte Erstlinientherapie gelang durch die Kombination nab-Paclitaxel/Gemcitabin, mit der eine Überlebensverlängerung auf 8,5 Monate erreicht wurde. Gemcitabin/Erlotinib ist heute laut Geißler „out“, da der Überlebensgewinn gering ist und kein prädiktiver Marker verfügbar ist.
Günstige Pharmakokinetik
Für die Zweitlinientherapie des metastasierten Pankreaskarzinoms nach Progress unter Gemcitabin-basierter Therapie gab es lange keinen etablierten Standard. Das änderte sich erst mit der Phase-III-Studie NAPOLI-1, in der ein Regime mit nal-IRI (Onivyde®) plus 5-FU/FS gegen 5-FU/FS allein getestet wurde. Bei nal-IRI handelt es sich um eine nano-liposomal verkapselte Irinotecan-Formulierung: Dank der stabilen Verkapselung ist Irinotecan vor einer vorzeitigen Metabolisierung zum aktiven Metaboliten SN-38 geschützt. Der Wirkstoff kann unmodifiziert im Blutkreislauf zirkulieren und penetriert durch die durchlässigeren Tumorgefäße vermehrt in die extrazelluläre Matrix. Erst nach Aufnahme in den Tumor wird Irinotecan zu SN-38 verstoffwechselt. So gelingt eine starke Anreicherung des Zytostatikums im Tumor mit rund tausendfach erhöhter Aktivität bei gleichzeitiger Schonung von gesundem Gewebe. Im Vergleich zu konventionellem Irinotecan, dessen Wirkspiegel im Organismus rasch steil ansteigt, dann aber schnell wieder abfällt, bleibt bei nal-IRI längerfristig ein stabil hoher Spiegel erhalten. Während konventionelles Irinotecan und SN-38 innerhalb von nur acht Stunden aus dem Plasma eliminiert werden, sind nal-IRI und der Metabolit mehr als 50 Stunden lang nachweisbar.
Die zulassungsrelevante Phase-III-Studie NAPOLI-1 umfasste 417 Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom und Progress nach Gemcitabin-basierter Therapie. Die Kombination nal-IRI plus 5-FU/FS verlängerte das Gesamtüberleben im Vergleich zu 5-FU/FS alleine um zwei Monate entsprechend einer Reduktion des Sterberisikos um 25% (6,24 vs. 4,24 Monate; Hazard Ratio 0,75; 95%-Konfidenzintervall 0,57–0,99). Die 1-Jahres-Überlebensrate stieg um 10% – von 16% im Kontrollarm auf 26% mit nal-IRI. Besonders stark profitierten Patienten, die das nal-IRI-Regime in voller Dosisintensität (≥ 80%) erhalten konnten: In dieser Subgruppe lag das Überleben bei median 8,9 Monaten und war damit fast ebenso lang wie unter der Erstlinientherapie mit Gemcitabin/nab-Paclitaxel, so Geißler (5-FU/FS: 5,1 Monate). Das progressionsfreie Überleben wurde etwa verdoppelt und lag im Kombinationsarm bei 3,09 Monaten gegenüber nur 1,46 Monaten mit alleinigem 5-FU/FS (HR 0,57; 95%-KI 0,43–0,76).
Längeres Überleben ohne Beschwerden und Toxizität
Zwar traten unter der Kombination mit nal-IRI vermehrt gastrointestinale Toxizitäten, Fatigue, Neutropenien und Alopezie auf. Doch blieb der globale Gesundheitszustand in beiden Armen erhalten; die funktionellen Lebensqualitäts-Scores waren ähnlich. Zudem wurde mit der nal-IRI-Therapie ein signifikanter Zugewinn im qualitätsadjustierten Überleben erreicht: Die qualitätsadjustierte Zeit ohne Symptome oder Toxizität (Q-TWIST) wurde im Vergleich zu 5-FU/FS alleine um 1,3 Monate verlängert.
Mittlerweile startet mit FOOTPATH eine Phase-II-Studie mit nal-IRI als Erstlinientherapie: Sie vergleicht den First-line-Standard Gemcitabin/nab-Paclitaxel (Arm A) mit dem NAPOLI-Protokoll (Arm B). In einem sequenziellen Arm C wird die alternierende Gabe von NAPOLI- und FOLFOX-Regime geprüft. Im Phase-III-Teil der Studie wird der überleben.