FLT3-mutierte AML und systemische Mastozytose: neue zielgerichtete Behandlung
Mit der Zulassung von Midostaurin steht die erste zielgerichtete Therapie für Patienten mit neu diagnostizierter FLT3-positiver akuter myeloischer Leukämie (AML) zur Verfügung. Die Kombination aus Midostaurin und der AML-Standardbehandlung führte in der Phase-III-Studie RATIFY zu einer signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens mit einer 22%igen Reduktion des Sterberisikos. Überdies wurde Midostaurin als erste Therapie für drei Formen der fortgeschrittenen systemischen Mastozytose zugelassen, weil es die Konzentration an Mastzellen sowie die Symptomlast deutlich reduziert.
Bei etwa 30% der AML-Patienten finden sich in den leukämischen Zellen Mutationen des FLT3-Gens und des dadurch kodierten Rezeptorproteins, die mit einer schlechten Prognose verbunden sind – entweder interne Tandem-Duplikationen (ITD) in oder nahe der Membran-Domäne des Rezeptors oder Punktmutationen innerhalb der Tyrosinkinase-Domäne (TKD; [1, 2]).
Midostaurin bei FLT3-positiver AML: die RATIFY-Studie
Seit über 25 Jahren beruhte die Behandlungsstrategie bei der AML (mit Ausnahme der APL) allein auf der Gabe eines Anthrazyklins und Cytarabin
(„3 + 7“-Regime) sowie im Fall eines Ansprechens einer Cytarabin-Konsolidierung oder einer allogenen Stammzelltransplantation [3]. Das galt bisher auch für die FLT3-positive AML, so Hartmut Döhner, Ulm; die Zulassung von Midostaurin (Rydapt®) bei FLT3-mutierter AML markiert hier einen Durchbruch – auf der Grundlage der Phase-III-Studie RATIFY (Randomized AML Trial In FLT3 in patients < 60 Years old; [4]). In dieser bislang größten AML-Studie überhaupt nahmen insgesamt 717 Patienten aus 17 Ländern teil, davon 40% aus Deutschland.
Patienten mit neu diagnostizierter AML und nachgewiesener FLT3-Mutation erhielten hier eine Standard-Induktion aus Daunorubicin und Cytarabin, gefolgt von Hochdosis-Cytarabin zur Konsolidierung, und wurden randomisiert, dazu entweder Plazebo oder Midostaurin einzunehmen, das im Anschluss an die Konsolidierung als Mono-Erhaltungstherapie für maximal ein Jahr weitergegeben wurde. Allogene Stammzelltransplantationen waren im Rahmen der Studie erlaubt, die Teilnehmer mussten dafür die Studientherapie beenden. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben, ein sekundärer Endpunkt das ereignisfreie Überleben.
Midostaurin plus Standardchemotherapie: deutlich längere Überlebenszeit
Das wichtigste Ergebnis der RATIFY-Studie, so Döhner, war eine Verlängerung des Gesamtüberlebens durch Midostaurin von median 25,6 im Plazebo-Arm auf 74,7 Monate – mit 4-Jahres-Überlebensraten von 51,4% versus 44,3% (Hazard Ratio 0,78; p = 0,009; Abb. 1). Diese Wirkung von Midostaurin war in allen FLT3-Subgruppen zu beobachten (FLT3-ITD mit hoher und niedriger Allel-Last, FLT3-TKD-Mutation). Auch beim ereignisfreien Überleben war der Midostaurin-Arm mit median 8,2 Monaten gegenüber 3,0 Monaten deutlich und signifikant überlegen (HR 0,78; p = 0,002).
Die häufigsten nicht-hämatologischen Nebenwirkungen vom Grad 3–5 waren im Midostaurin-Arm febrile Neutropenien und Infektionen, im Plazebo-Arm febrile Neutropenien, Infektionen und Lymphopenien. Insgesamt waren die Raten an schweren Nebenwirkungen in beiden Gruppen annähernd gleich.
Die Zulassung von Midostaurin bedeutet laut Döhner, dass bei Diagnose einer AML auch ein Test auf FLT3-Mutationen durchgeführt werden sollte, da die Midostaurin-Therapie ab dem achten Behandlungstag starten sollte.
Erste Therapie für fortgeschrittene systemische Mastozytose
Die systemische Mastozytose umfasst eine Gruppe seltener und zum Teil lebensbedrohlicher Erkrankungen, so Georgia Metzgeroth, Mannheim, mit unkontrollierter Vermehrung von Mastzellen im Körper und deren Infiltration und Akkumulation in Organen mit der Folge von Organschäden, Knochenfrakturen und Anämien sowie teilweise sehr belastenden Symptomen durch freigesetzte Mastzell-Mediatoren [5–8]. Schlecht ist die Prognose in fortgeschrittenen Stadien, so Metzgeroth, mit medianen Überlebenszeiten von 3,5 Jahren, für die Mastzell-Leukämie sogar von unter sechs Monaten [9, 10].
Bisher gab es für diese Patienten keine zugelassene Therapie; die Zulassung von Midostaurin als Monotherapie zur Behandlung der fortgeschrittenen systemischen Mastozytose basiert unter anderem auf den Ergebnissen der bislang größten prospektiven Studie zu dieser Indikation, der Phase-II-Studie CPKC412D2201. Die 116 Teilnehmer erhielten Midostaurin als orale Monotherapie (zweimal 100 mg/d; [11]). Diese Behandlung führte in der Subgruppe von 89 Patienten mit messbaren Organschäden zu einer Gesamtansprechrate von 60%, definiert als beträchtliches bzw. teilweises Ansprechen. Bei 78% kam es unter Midostaurin zur Abnahme der Mastzelldichte im Knochenmark sowie der Serum-Tryptase, beides assoziiert mit einer Verbesserung des Krankheitsverlaufes. Die mediane Dauer des Ansprechens lag bei 24,1 Monaten, das mediane Gesamtüberleben bei 28,7 Monaten. Unter der Midostaurin-Therapie verbesserten sich 30 von 32 Symptomen, die häufigsten nicht-hämatologischen Nebenwirkungen waren Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Für das Monitoring des Therapie-Ansprechens, so Metzgeroth, ist u. a. die regelmäßige Messung der Tryptase-Level von zentraler Bedeutung.
Die Einsatzmöglichkeiten des Multikinase-Inhibitors Midostaurin sind damit nicht erschöpft. In weiteren Studien soll überprüft werden, ob etwa auch AML-Patienten ohne FLT3-Mutation von Midostaurin profitieren können.
Josef Gulden
Literatur
1. Kumar C. Genetic abnormalities and challenges in the treatment of acute myeloid leukemia. Genes Cancer 2011; 2: 95-107.
2. Levis M. FLT3 mutations in acute myeloid leukemia: What is the best approach in 2013? Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2013; 2013: 220-6.
3. Röllig C et al. DGHO Leitlinien „Akute Myeloische Leukämie (AML)“. Stand: März 2017. Online verfügbar unter: www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/akute-myeloische-leukaemie-aml/@@view/html/index.html.
4. Stone RM et al. Midostaurin plus chemotherapy for acute myeloid leukemia with a FLT3-mutation. N Engl J Med 2017; 377: 454-64.
5. Arock M et al. Current treatment options in patients with mastocytosis: Status in 2015 and future perspectives. Eur J Haematology 2015; 94: 474-94.
6. Pardanani A. Systemic mastocytosis in adults: 2015 update on diagnosis, risk stratification, and management. Am J Hematol 2015; 90: 251-62.
7. Verstovsek S. Advanced systemic mastocytosis: The impact of KIT mutations in diagnosis, treatment, and progression. Eur J Haematol 2013; 90: 89-98.
8. Orpha Net. Systemische Mastozytose. Online verfügbar unter: www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php.
9. Lim KH et al. Systemic mastocytosis in 342 consecutive adults: Survival studies and prognostic factors. Blood 2009; 113: 5727-36.
10. Georgin-Lavialle S et al. Mast cell leukemia. Blood 2013; 121: 1285-95.
11. Gotlib J et al. Efficacy and safety of midostaurin in advanced systemic mastocytosis. N Engl J Med 2016; 374: 2530-41.
Pressekonferenz „Durchbruch in der Behandlung der FLT3-mutierten AML und der fortgeschrittenen systemischen Mastozytose mit Rydapt® (Midostaurin) von Novartis“ am 19.10.2017 in München, veranstaltet von Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.