Immuntherapie – ein universelles Wirkprinzip in der Onkologie

Editorial

Welche Therapieform kommt in dieser Ausgabe von Trillium Krebsmedizin in allen Kongressberichten vom ASCO-, ICML- und EHA-Kongress vor – gleichgültig ob es sich um Lungenkarzinome, urologische Tumoren, Sarkome, Lymphome oder Leukämien handelt? Wäre dies eine Multiple-Choice-Frage,  etwa zu einem CME-Beitrag, so würde es allen, die sich in den letzten Jahren intensiv mit Onkologie und Hämatologie beschäftigt haben, sicher leicht fallen, die richtige Antwort unter all den gezielten Therapien für einzelne Indikationsgebiete herauszufinden: Es geht natürlich um die Immuntherapie, die – wenn nicht alle Anzeichen täuschen – derzeit gerade eine Zeitenwende in der Onkologie bewirkt.
Genau genommen handelt es sich um einen ziemlich kleinen Bereich aus dem breiten Spektrum potenzieller Immuntherapien: die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren. Von ihnen sind in Europa augenblicklich gerade einmal drei Präparate zugelassen (drei weitere stehen in den Startlöchern), doch die haben das Zeug dazu, das gesamte Fach umzukrempeln. Offenbar wurde hier endlich ein universelles Wirkprinzip gefunden, das im Gegensatz zu den bisher entwickelten zielgerichteten Therapien imstande ist, ein Vielzahl unterschiedlichster Mali­gnome angreifbar zu machen.
So verwunderlich ist das gar nicht, bewirken diese Therapien doch eine Reaktivierung körpereigener Mechanismen, deren Aufgabe darin besteht, alles zu erkennen und zu beseitigen, was fremd oder bösartig ist. Es bedurfte aber jahrzehntelanger, akribischer Kleinarbeit der Immunologen, die komplexen Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Zelltypen des Immunsystems, den Tumorzellen und vielfach auch des Tumorstromas zu entschlüsseln, um zu verstehen, mit welchen Tricks sich der Krebs dem Angriff der Immunabwehr entzieht, und wie man ihn überlisten kann.
Ein weiterer Erfolg versprechender Ansatz ist die gentechnische Manipula­tion körpereigener zytotoxischer T-Zellen, die durch künstlich eingesetzte Antigenrezeptoren tatsächlich zu den „magic bullets“ werden, die Paul Ehrlich schon vor 100 Jahren postuliert hatte. Sie können nicht nur riesige Mengen maligner Zellen vernichten, sondern nach getaner Arbeit möglicherweise auch als Gedächtniszellen im Körper verbleiben, um bei einem Wiederaufflackern der Erkrankung erneut zur Stelle zu sein.
Im Augenblick beschränkt sich dieser Ansatz noch auf die Hämatologie. Neben ALL und aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen, bei denen Zulassungsstudien stattfinden bzw. Zulassungen unmittelbar bevorstehen, gibt es auch schon vielversprechende Untersuchungen zu AML, CLL, Multiplem Myelom u. a.
Ob sich solche Zellen künftig auch bei soliden Tumoren als nützlich erweisen werden, muss man abwarten. Fachleute erwarten, dass es schwieriger sein wird, im dort viel dichteren Gewebeverband mit extern zugeführten T-Zellen ähnliche Wirkung zu erzielen. An dieser Stelle sei schon auf weitere Kongressberichte im nächsten Heft hingewiesen, die sich u. a. mit gastrointestinalen und gynäkologischen Tumoren befassen – und auch hier wird es um Immuntherapien gehen.
Apropos Immunologie und Immuntherapie: Im Trillium Verlag erscheint im September anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) ein Jubiläumsheft, dessen Schwerpunktthema ebenfalls die Immunonkologie sein wird. Unter dem Namen Trillium Immunologie soll es ab 2018 viermal jährlich erscheinen. Allen Lesern, die sich für aktuelle Entwicklungen in diesem spannenden Fachgebiet interessieren, sei ein Besuch auf unserer Website www.trillium.de/zeitschriften/ empfohlen.

Josef Gulden