Head-to-head-Studie: überlegene Lebensqualität unter SIRT beim Leberzellkarzinom
The International Liver Congress (ILC) 2017, Amsterdam
Wenn auch das Leberzellkarzinom nicht im Mittelpunkt des International Liver Congress der European Association for the Study of the Liver (EASL) stand, so wurden doch eine Reihe interessanter Studienergebnisse zur Behandlung dieses Tumors präsentiert: Im Folgenden eine kleine Auswahl von Antworten auf diverse Problemstellungen rund um das hepatozelluläre Karzinom (HCC).
Die Behandlung des Leberzellkarzinoms richtet sich nach Tumorgröße, Leberfunktion und Allgemeinbefinden des Patienten. Beim fortgeschrittenen HCC ist Sorafenib die etablierte palliative Standardtherapie, während bei Patienten mit nicht kurativer Erkrankung ohne Metastasierung die transarterielle Chemoembolisation (TACE) zum Einsatz kommt. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit im nicht resektablen Stadium ist die Radioembolisation (SIRT). Ergebnisse der SARAH-Studie, die Valérie Vilgrain, Paris, beim International Liver Congress (ILC) in Amsterdam vorstellte [1], zeigen für die SIRT im Head-to-head-Vergleich mit Sorafenib eine vergleichbare Wirksamkeit bei signifikant besserer Lebensqualität.
Die akademische, prospektive, multizentrische, offene Phase-III-Studie SARAH wurde an 25 französischen Zentren durchgeführt und randomisierte 459 HCC-Patienten, die bereits eine Radiochemotherapie für die lokal fortgeschrittene Erkrankung oder zwei Zyklen TACE bei inoperabler Erkrankung erhalten hatten. Der primäre Endpunkt war die Überlegenheit der SIRT gegenüber Sorafenib bezüglich des Gesamtüberlebens (OS). Als sekundäre Endpunkte wurden u. a. progressionsfreies Überleben (PFS), Tumoransprechen und die Lebensqualität untersucht.
Einschlusskriterien waren eine Lebenserwartung von mehr als drei Monaten, eine Leberfunktion gemäß Child-Pugh von A oder B (≤ 7 Punkte), ein ECOG-Performancestatus von 0–1 und die Abwesenheit extrahepatischer Metastasen. In der Intention-to-treat (ITT)-Population wurden
237 Patienten unter SIRT und 222 Patienten unter Sorafenib ausgewertet. 226 bzw. 216 Patienten erhielten die Vorbereitung zur SIRT oder wenigstens eine Tablette Sorafenib und bildeten die Safety-Population. 52 Patienten im SIRT-Arm und
10 Patienten im Sorafenib-Arm erfüllten die Einschlusskriterien nicht oder wurden vor Progress mit einer Therapie außerhalb des Studienprotokolls bzw. in anderer Weise nicht protokollgemäß behandelt, sodass auch eine Per-Protocol(PP)-Population mit 174 versus 206 Patienten ausgewertet wurde.
Die Patientencharakteristik war in beiden Studienarmen in allen Populationen ausgeglichen. Es handelte sich in etwa 90% der Fälle um Männer, 90% wiesen eine Leberzirrhose auf und bei etwa 65% der Männer war ein Alkoholabusus bekannt. Das durchschnittliche Alter der Patienten betrug etwa 65 Jahre und bei ungefähr der Hälfte lagen multiple Tumoren vor. Eine vorhergehende Chemoembolisation hatte bei mehr als 40% der Patienten versagt.
Vergleichbare Wirksamkeit, bessere Lebensqualität unter SIRT
Die SARAH-Studie erreichte ihren primären Endpunkt, eine Überlegenheit des Gesamtüberlebens (OS), nicht. In der ITT-Population betrug das mediane OS 8,0 Monate im SIRT-Arm versus 9,9 Monate im Sorafenib-Arm (Hazard Ratio 1,15; p = 0,18), in der PP-Population waren es jeweils 9,9 Monate (HR 0,99; p = 0,92). Auch das PFS war in den beiden Armen nicht verschieden mit 4,1 vs. 3,7 Monaten in der ITT- (HR 1,03; p = 0,76) bzw. 4,3 vs. 3,7 Monaten in der PP-Population (HR 0,97; p = 0,77). Ein radiologischer Progress in der Leber als primäre Lokalisation wurde im SIRT-Arm signifikant weniger häufig beobachtet als im Sorafenib-Arm (p = 0,014). Ein Tumoransprechen zeigten 19,0% der Patienten unter SIRT versus 11,6% derer unter Sorafenib (p = 0,042).
Therapie-assoziierte Nebenwirkungen wurden bei 76,5% der Patienten im SIRT-Arm und 94,0% im Sorafenib-Arm berichtet. Insbesondere Fatigue, Gewichtsverlust, Infektionen, Hand-Fuß-Syndrom, Pruritus, Diarrhö, abdominale Schmerzen und Bluthochdruck traten unter Sorafenib häufiger auf. Ein wichtiges Ergebnis, so Vigrain, zeitigte die Befragung zur Lebensqualität mithilfe des EORTC QLQ-C30-Fragebogens, die für SIRT sowohl in der ITT- als auch in der PP-Population eine signifikant bessere Lebensqualität zeigen konnte (Abb. 1).
Zusammenfassend erklärte Vigrain, dass die SIRT im Vergleich mit Sorafenib zwar nicht das Gesamtüberleben von HCC-Patienten verlängert, aber eine höhere Ansprechrate, weniger Nebenwirkungen und eine bessere Lebensqualität erreicht habe. Weitere Auswertungen, z. B. in Bezug auf prognostische Faktoren, Kosteneffektivität und Dosis-bezogene Effektivität, werden noch durchgeführt.
Neutrophilen-Lymphozyten-Ratio: prognostisch auch bei HIV-Infektion
Bei Patienten mit HIV-Infektion wird eine steigende Prävalenz des Leberzellkarzinoms beobachtet, insbesondere bei gleichzeitigem Vorliegen einer Hepatitis. Die systemische Entzündung ist beim HCC ein prognostischer Parameter, unabhängig vom BCLC-Stadium und der Child-Pugh-Klassifizierung. David James Pinato, London, und Kollegen untersuchten die klinische Bedeutung der systemischen Entzündung bei HCC-Patienten mit HIV-Infektion [2].
Innerhalb einer prospektiv geführten Datenbank des National Centre for HIV Oncology, London, konnten 21 Patienten identifiziert werden, bei denen zwischen 2001 und 2014 ein HCC diagnostiziert worden war. Diese wurden mit 38 Patienten eines unabhängigen Datensatzes des San Raffaele Hospital, Mailand, verglichen. Untersucht wurde die Rolle von diversen inflammatorischen Markern wie der Neutrophilen-Lymphozyten-Ratio (NLR), der Thrombozyten-Lymphozyten-Ratio (PLR), des Entzündungs-basierten Index (IBI) und des systemischen Immun-Entzündungsscores (SII) für das Gesamtüberleben (OS).
Bei den Patienten handelte es sich mehrheitlich um Männer, das mediane Alter betrug 52 Jahre, 69% von ihnen wiesen einen Child-Pugh-Score A auf und 66% waren in einem frühen oder mittleren BCLC-Stadium. An viralen Hepatitiden lagen vornehmlich HCV- (69%) und HBV-Infektionen (32%) vor. Zum Zeitpunkt der HCC-Diagnose lag die HIV-Diagnose median 22 Jahre zurück, die mediane CD4-Zahl betrug
390/µl, und bei 75% der Patienten war keine HIV-RNA detektierbar. Das mediane Gesamtüberleben (OS) betrug 22 Monate. In einer univariaten Analyse waren NLR und PLR Prädiktoren des OS, nicht aber SII oder IBI. Patienten mit einer NLR > 5 (n = 6) hatten ein medianes OS von einem Monat gegenüber 15 Monaten bei einem NLR < 5 (n = 51; HR 7,3; Abb. 2).
Der unabhängige prognostische Wert der NLR wurde in einer multivariaten Analyse bestätigt. Hohe NLR-Werte waren mit einem fortgeschrittenen BCLC-Stadium, einem schlechteren Allgemeinzustand und dem häufigeren Auftreten einer Portalvenen-Thrombose, aber nicht mit HIV-RNA oder CD4-Zahl korreliert. Daraus schließen Pinato et al., dass die systemische Aktivierung von proinflammatorischen Mechanismen eine den Tumor unterstützende Rolle spielt, nicht aber mit der koexistierenden HIV-Infektion assoziiert ist.
Prognostische Rolle des metabolischen Syndroms
Um die prognostische Bedeutung des metabolischen Syndroms zu verifizieren und weitere prognostische Parameter zu ermitteln, die eine Anti-Tumor-Behandlung negativ beeinflussen, untersuchten Gulia Gallo, Orbassano, Italien, und Kollegen die Daten von 205 Patienten mit HCC [3]. 76% von ihnen waren Männer, das durchschnittliche Alter betrug 66 ± 11 Jahre, 63% hatten eine HCV- und 10,7% eine HBV-Infektion, und 67% waren im Stadium BCLC A. 59% der Patienten wiesen ein metabolisches Syndrom auf, 35% hatten Diabetes und 73% arteriellen Bluthochdruck. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 19 Monaten waren 16% der Patienten verstorben und 53% rezidiviert. Der Krankheitsverlauf wurde negativ beeinflusst durch ein fehlendes Ansprechen auf eine antivirale Therapie (Odds Ratio 0,36), während der einzige prädiktive Faktor bezüglich der Mortalität ein hoher Blutdruck war (OR 0,434). In einer multivariaten Analyse waren eine Zunahme des Hüftumfangs und ein erhöhter Child-Pugh-Wert unabhängige Faktoren für ein Tumorrezidiv.
Exokrine Pankreasstörungen früh behandeln
Dermatologische Reaktionen, Diarrhö und Hypophosphatämie sind häufige Nebenwirkungen einer Sorafenib-Therapie, von einem relevanten Gewichtsverlust sind etwa 9% der Patienten betroffen. Die pathophysiologischen Mechanismen für diese Nebenwirkungen sind unklar, aber möglicherweise handelt es sich bei Hypophosphatämie, Diarrhö und Gewichtsverlust um sekundäre Auswirkungen einer Malabsorption. Alvaro Diaz-Gonzales, Barcelona, und Kollegen untersuchten deshalb die Inzidenz einer Malabsorption bei Patienten mit hepatozellulärem Karzinom unter Sorafenib-Therapie [4].
Zwischen 2014 und 2016 wurden
190 Patienten prospektiv ausgewertet.
21 von ihnen (11%) entwickelten eine chronische Diarrhö oder präsentierten sich mit wenigstens 10% Verlust ihres Körpergewichts ohne Nachweis eines radiologischen Progresses. 86% der Patienten waren männlich, 82% hatten einen Child-Pugh-Score A und 48% waren im Stadium BCLC C. In Bezug auf die Ätiologie waren 52,4% der Patienten HCV-infiziert, und 23,8% der Erkrankungen waren durch Alkoholabusus verursacht. Die mediane Dauer der Behandlung hatte 12,7 Monate betragen, die Zeit unter Sorafenib in der Malabsorptions-Studie 5,9 Monate und das Gesamtüberleben 30,1 Monate.
Bei elf der 21 ausgewerteten Patienten wurde die Sorafenib-Dosis wenigstens einmal aufgrund von Diarrhö oder Gewichtsverlust modifiziert. Bei zehn Patienten wurde ein sekundärer Hyperparathyreoidismus (HPTS) mit einem Vitamin-D-Mangel festgestellt, und bei acht Patienten wurde mithilfe der fäkalen Elastase eine exokrine Pankreas-Störung diagnostiziert. Nur vier Patienten stellten sich mit gleichzeitiger Pankreasstörung und einem HPTS vor. Bei fünf Patienten mit Pankreasinsuffizienz wurde Pankreatin supplementiert. Zwei dieser Patienten erhielten erneut Sorafenib und verblieben unter Therapie ohne Zeichen einer Malabsorption, zwei erholten sich von der Malabsorption nach Abbruch der Sorafenib-Therapie und ein Patient musste Sorafenib absetzen und verstarb drei Monate später. Die Ergebnisse fordern dazu auf, so Diaz-Gonzales, früh auf eine mögliche exokrine Pankreasstörung zu reagieren, um eine bessere Toleranz und Therapieadhärenz zu erreichen. Dies gehe mit einem anhaltenden Anti-Tumor-Effekt durch die Therapie und damit einer besseren Lebensqualität der Patienten einher.
Ine Schmale
Literatur
1. Vigrain V et al.: SARAH: A randomised controlled trial comparing efficacy and safety of selective internal radiation therapy (with yttrium-90 microspheres) and sorafenib in patients with locally advanced hepatocellular carcinoma. ICL 2017, Abstract #GS-012.
2. Pinato DJ et al. The systemic inflammatory response is a prognostic marker in human immunodeficiency virus-infected patients with hepatocellular carcinoma. ICL 2017, Abstract #THU-069.
3. Gallo G et al. Predictive factors of tumor recurrence and death in patients with hepatocelllar carcinoma treated by locoregional therapies: Results of a retrospective cohort study. ILC 2017, Abstract #THU-093.
4. Diaz-Gonzalez A et al. Pancreatic insufficiency related to hepatocellular carcinoma treatment: Early detection and treatment improves therapeutic adherence. ICL 2017, Abstract #THU-072.