Verzögerte CINV: neuer NK-1-Rezeptorantagonist in Einmalgabe wirksam
Ab Juni 2017 ist auch in der EU ein neuer Wirkstoff gegen Chemotherapie-induzierte Übelkeit und Erbrechen verfügbar: Rolapitant, ein selektiver, lang wirksamer und oral verfügbarer NK1-Rezeptor-Antagonist. Aufgrund seiner langen Wirkdauer ist sein Einsatz vor allem in Situationen vorteilhaft, in denen mit einer verzögerten bzw. verlängerten Übelkeit zu rechnen ist.
Die Aktivierung der NK-1-Rezeptoren (Neurokinin-1-Rezeptoren) spielt eine zentrale Rolle bei Übelkeit und Erbrechen, die durch bestimmte Chemotherapien induziert werden (CINV = chemotherapy-induced nausea and vomiting), insbesondere in der verzögerten Phase. Zwar lässt sich die CINV dank unterschiedlicher Antiemetika heute besser kontrollieren, stellt aber trotzdem immer noch eine Herausforderung dar, wie Prof. Karin Jordan, Heidelberg, konstatierte. Nicht zu unterschätzen seien auch individuelle Risikofaktoren wie weibliches Geschlecht, junge Patienten, ängstliche Patienten, die Chemotherapie-Anamnese, minimaler Alkoholgenuss, Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft sowie eine Veranlagung zu Reisekrankheit. Rolapitant (Varubi®), in den USA bereits seit einiger Zeit zur Behandlung von phasenverzögerter, Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Emesis zugelassen, ist ab Juni 2017 auch in der EU für Situationen verfügbar, in denen mit einer verzögerten Übelkeit zu rechnen ist.
Rolapitant ist ein oraler, hoch selektiver, lang wirksamer NK-1-Rezeptor-Antagonist mit einer sehr langen Halbwertszeit von ungefähr sieben Tagen (169–183 Stunden). Die Zulassung in den USA und nun auch in Europa ist nicht beschränkt auf hoch-emetogene Chemotherapien, da in den Zulassungsstudien die verzögerte Übelkeit primärer Endpunkt war. Die Substanz ist nur in Kombination mit anderen Antiemetika indiziert. Dank der langen Halbwertszeit muss der orale Antagonist in Form von zwei Filmtabletten (je 90 mg) lediglich einmal an Tag 1 vor der Chemotherapie eingenommen werden, um die gesamte Phase einer verzögerten CINV (25–120 Stunden) abzudecken. Im Gegensatz zu den bisher verfügbaren NK-1-Rezeptor-Antagonisten hemmt Rolapitant nicht das CYP3A4-Enzym und kann daher mit Dexamethason in der vollen Dosis von 20 mg kombiniert werden.
Sicherheit und Wirksamkeit der Substanz wurden in drei randomisierten, doppelblinden klinischen Studien an insgesamt 2.800 Patienten untersucht: Rolapitant wurde in Kombination mit Granisetron (an den Tagen 1–3) und Dexamethason (an Tag 1) gegen Granisetron, Dexamethason und Placebo getestet. Die Patienten erhielten in zwei der Studien hoch-emetogene (z. B. Cisplatin) und in einer weiteren Studie moderat emetogene Chemotherapien; bei letzteren waren nach der damaligen Definition auch Kombinationen auf Anthrazyclin-/Cyclophosphamid-Basis eingeschlossen. Primärer Endpunkt war jeweils der Anteil an Patienten mit komplettem Ansprechen, d. h. ohne Erbrechen und ohne Bedarf für eine Notfallmedikation in der verzögerten Phase (> 24 bis 120 Stunden nach Beginn der Chemotherapie).
In den beiden Studien zur hoch-emetogenen Chemotherapie war der Anteil an Patienten mit komplettem Ansprechen in der verzögerten Phase in der Rolapitant-Gruppe um 15% bzw. 8% höher als in der Placebogruppe. Auch in der Studie zur moderat emetogenen Chemotherapie war der Anteil dieser Patienten mit komplettem Ansprechen in der verzögerten Phase ebenso wie im gesamten Risikozeitraum signifikant höher (p < 0,002 bzw. p < 0,0001). Besonderes Augenmerk galt in dieser Studie der Behandlung mit Carboplatin, die unter den moderat emetogenen Regimes mit einem Emesis-Risiko von 30–90% sehr weit oben rangiert, so Jordan: In einer Subgruppenanalyse der
401 Patienten, die in der Studie Carboplatin erhalten hatten, sprachen von den mit Rolapitant behandelten 80,2% komplett an, von denen im Placeboarm nur 64,6% (p < 0,001). Diese Differenz von rund 15% liegt im gleichen Bereich wie bei einer Behandlung mit Cisplatin.
Die besondere Rolle von Carboplatin unter den als moderat emetogen klassifizierten Chemotherapien spiegelt sich auch in den Empfehlungen von MASCC (Multinational Association of Supportive Care in Cancer) und ESMO (European Society for Medical Oncology) sowie in der deutschen Onkopedia-Leitlinie, die in dieser Situation einen NK-1-Antagonisten in Kombination mit einem 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten und Dexamethason vorsehen. In der deutschen S3-Leitlinie ist die Gabe von NK-1-Antagonisten unter Carboplatin-Therapie als Kann-Empfehlung enthalten.
Helga Vollmer
37. Münchener Fachpresse-Workshop „Supportivtherapie in der Onkologie“ am 30.03.2017 in München, veranstaltet von POMME-med, München.