ITP: Therapie oft nicht lege artis
Patienten mit Immunthrombozytopenie bekommen oft zu lange zu hoch dosierte Kortikosteroide, werden zu früh systemisch und operativ behandelt. Dabei käme fast ein Drittel der Patienten ganz ohne Therapie aus.
„Patienten mit Immunthrombozytopenie werden oft nicht leitlinienkonform behandelt“, berichtet Prof. Axel Matzdorff, Asklepios Klinikum Uckermark Schwedt, Brandenburg. Das beruhe unter anderem auf Kommunikationsdefiziten und habe erhebliche negative Folgen für die Lebensqualität der Patienten. So würde oft die Therapie mit Kortikosteroiden viel zu lange fortgeführt, entgegen der Leitlinienempfehlung, die eine Reduktion der Initialdosis nach ein bis zwei Wochen vorsieht, gefolgt von einem weiteren Ausschleichen. Die maximale Therapiedauer von zwei bis drei Monaten dürfe man wegen des Risikos schwerer Steroid-Nebenwirkungen auf keinen Fall überschreiten [1]. „Es scheint außerdem, als ob Thrombopoetin-Rezeptoragonisten (TRA) früher gegeben werden als zugelassen, insbesondere bei therapierefraktären Patienten“, erklärte Matzdorff.
Die überwiegend auf Expertenmeinung basierenden Empfehlungen im deutschsprachigen Raum sehen eine generelle Therapienotwendigkeit nur bei Patienten mit ausgeprägtem Blutungsrisiko vor, und zwar weitgehend unabhängig von den Thrombozytenzahlen. Bei oligo- oder asymptomatischen Patienten, besonders bei jungen Patienten mit niedrigen Thrombozytenzahlen ist unklar, ob eine Behandlung überhaupt notwendig ist. Nutzen und Risiken, beispielsweise berufliches Verletzungsrisiko und Komorbiditäten, erfordern eine individuelle Abwägung [1]. Fast ein Drittel aller Patienten kommt auch langfristig mit einer alleinigen abwartend-beobachtenden Strategie aus [2].
Die Erstlinientherapie erfolgt mit Kortikosteroiden, bei schweren Blutungen zusätzlich mit i. v. Immunglobulinen und Thrombozyten-Konzentraten. Wenn unter der Kortikosteroid-Therapie keine dauerhafte Remission eintritt, ist bei Patienten mit nur minimalen oder keinen Blutungen ein weiteres abwartend-beobachtendes Vorgehen vertretbar. Den Empfehlungen zufolge kann dann auch eine Splenektomie-aufschiebende Therapie mit einem TRA wie Eltrombopag (Revolade®) oder mit dem Anti-CD20-Antikörper Rituximab erwogen werden. Dasselbe gilt für Patienten, bei denen nach Abschluss der Erstlinientherapie Blutungen persistieren oder neu auftreten, die Erkrankung aber erst seit weniger als zwölf Monaten besteht und eine Spontanremission noch möglich ist. Nur bei häufigen, schweren Blutungen, einem Krankheitsverlauf von über einem Jahr und wenn Spontanremissionen unwahrscheinlich sind, ist eine Splenektomie die Zweitlinientherapie der Wahl. Wird mit dieser kein ausreichender Erfolg erzielt oder bestehen Kontraindikationen gegen die Operation, kommen TRA, Rituximab, Immunsuppressiva oder Zytostatika infrage [1].
Thomas Heim
Literatur
1. Matzdorff A et al. DGHO-Leitlinie Immunthrombozytopenie (ITP), Stand: November 2013. Download am 19.04.17 von www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/immunthrombozytopenie-itp/@@view/html/index.html.
2. Kühne T et al. Haematologica 2011; 96: 1831-7.
Online-Pressegespräch „Chronische Immunthrombozytopenie im Fokus – Eckpfeiler eines erfolgreichen Therapiemanagements“ am 06.04.2017, veranstaltet von Novartis Oncology, Nürnberg.