Zwei relativ neue Medikamente für die Erstlinien- sowie die Zweitlinientherapie signalisieren Hoffung für Patienten mit fortgeschrittenem, nicht-kleinzelligem Adenokarzinom der Lunge mit und ohne EGFR-Mutation: Afatinib und Nintedanib. Voraussetzung für eine Erstlinien-Therapie ist eine genetische Analyse.

In Deutschland ist Lungenkrebs mit Abstand die häufigste Krebstodesursache bei Männern (25%) und die dritthäufigste bei Frauen (15%), doch steigt bei Frauen die Neuerkrankungsrate kontinuierlich. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt für Männer bei 16%, für Frauen bei 21%. Erst in den letzten Jahren erkannte man, dass molekulargenetische Faktoren bei der Genese des NSCLC eine wichtige Rolle spielen: Bei rund 50% der Adenokarzinome lassen sich Treibermutationen in Genen nachweisen, die potenziell für die maligne Transformation wichtig sind: KRAS (22%), EGFR (17%) EML4-ALK (7%), BRAF, PIK3CA, HER2 oder AKT1, d. h. nicht nur der histologische Subtyp, sondern auch genetische Unterschiede beeinflussen das Ansprechen auf eine Therapie. Daher richten sich neue Therapeutika gezielt gegen die veränderten Proteine, wie beispielsweise Afatinib (Giotrif®) gegen EGF-Rezeptoren und Nintedanib (Vargatef®) gegen verschiedene für die Angiogenese wichtige Rezeptoren.

Vor Afatinib Mutations-Testung erforderlich

Bis zu 17% der Patienten mit einem Adenokarzinom der Lunge weisen einen mutierten Rezeptor für epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR) auf, der Niels Reinmuth, Großhansdorf, zufolge maßgeblich für die Entstehung eines Lungenkarzinoms verantwortlich ist, vor allem bei Frauen und Wenig-Rauchern. Voraussetzung für eine gezielte Erstlinientherapie mit Afatinib ist daher eine Testung auf das Vorliegen von Mutationen im EGFR-Gen, betonte der Pathologe Markus Falk, Hamburg. Neben EGFR würde u. a. auf ALK- sowie ROS1-Mutationen getestet, da es nicht zu verantworten sei, Patienten mit solchen Mutationen eine Therapie mit einem gegen die jeweiligen Tyrosinkinasen gerichteten Inhibitor vorzuenthalten. Dennoch liegt die Rate von Testungen auf EGFR-Mutationen bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC derzeit nur bei 72%. Bei rund 35% startet eine Erstlinientherapie ohne Testergebnis, etwa weil zu wenig Gewebe vorliegt, der Patient in einem schlechten Zustand ist oder weil die Wartezeit bis zum Testergebnis zu lang ist. Falk zufolge lässt sich die Wartezeit jedoch auf ein Minimum reduzieren, wenn sich Onkologen, Pneumologen und Pathologen abstimmen und gut organisieren.

Besonders wichtig ist dies für Patienten mit NSCLC und häufig auftretenden EGFRA-Mutationen (Del19/L858R), die in 89% der Fälle vorliegen: Der Überlebensvorteil dieser Patienten konnte durch Afatinib auf 13,6 Monate nahezu verdoppelt werden im Vergleich zur Standardchemotherapie mit Cisplatin/Pemetrexed (6,9 Monate), wie die Phase-III-Studie LUX-Lung 3 zeigte. Der irreversible ErbB-Family-Blocker Afatinib, der die Signalweiterleitung über die Rezeptoren der ErbB-Familie direkt ebenso wie indirekt hemmt, ist seit 2013 für die Erstlinientherapie bei NSCLC mit aktivierenden EGFRA-Mutationen zugelassen. Zudem zeigte sich in LUX-Lung 3 wie auch in LUX-Lung 6, der asiatischen Zulassungsstudie, in einer prä-spezifizierten Subgruppenanalyse für Patienten mit einer Deletion 19 ein Überlebensvorteil von über zwölf Monaten im Vergleich zur Chemotherapie (LUX-Lung 3: 33,3 vs. 21,1 Monate; LUX-Lung 6: 31,4 vs. 18,4 Monate). Eine beim ASCO-Kongress 2015 vorgestellte Post-hoc-Analyse von LUX-Lung 3 lässt zudem darauf schließen, dass selbst nach einer wegen Nebenwirkungen erforderlichen Dosisreduktion die Wirksamkeit hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens erhalten bleibt.

Basierend auf den Ergebnissen der Phase-III-Studie LUX-Lung 8 wurden nun auch die Zulassungsanträge für Afatinib zur Behandlung von Patienten mit einem fortgeschrittenen, nicht-kleinzelligen Plattenepithelkarzinom (SCC) der Lunge nach Versagen der Erstlinien-Chemotherapie gestellt – aufgrund eines signifikanten Vorteils beim progressionsfreien Überleben.

Nintedanib als Zweitlinientherapie verlängert Überlebenszeit

Der Focus in der Zweitlinientherapie nach Versagen der Erstlinien-Chemotherapie bei NSCLC-Patienten liegt, so David Heigener, Großhansdorf, auf der Verbesserung von Lebensqualität, Schmerzsymptomatik und Verträglichkeit. Erstmals seit zehn Jahren konnte mit dem oralen, 3-fach zielgerichteten Angiokinasehemmer Nintedanib in Kombination mit Docetaxel auch eine Verlängerung des Gesamtüberlebens gegenüber der Docetaxel-Monotherapie erreicht werden. In der Phase-III-Studie LUME-Lung 1 erhielten die 1.314 Patienten randomisiert entweder Nintedanib oral 2 x 200 mg/d plus Docetaxel 75 mg/m2 i. v. alle drei Wochen oder Placebo plus Docetaxel. Die Kombination mit dem Angiokinaseinhibitor verlängerte das Gesamtüberleben von 10,3 auf 12,6 Monate. Sie ermöglicht einem von vier Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom ein Überleben von zwei Jahren oder länger nach Erstlinien-Chemotherapie.

Phase-III-Studien mit Nintedanib laufen außerdem beim therapierefraktären kolorektalen und beim Ovarialkarzinom. In Phase-II-Studien wird es derzeit beim malignen Pleura-Mesotheliom, beim Nierenzellkarzinom und beim hepatozellulären Karzinom evaluiert.
Die Lebensqualität der NSCLC-Patienten kann unter dem gut verträglichen Nintedanib erhalten werden, etwas häufigere Nebenwirkungen wie Diarrhö und erhöhte Leberenzymwerte lassen sich durch supportive Therapien bzw. Dosisreduktionen ausgleichen.

Helga Vollmer

 

Meet the Clinic: „Behandlung von NSCLC-Patienten (Stadium IIIb/IV) mit und ohne therapierbare/n Mutationen“ am 10./11. August 2015 in Großhansdorf, veranstaltet von Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Ingelheim.