Bedeutung von PARP-Inhibitoren in der Therapie des Ovarialkarzinom-Rezidivs
Diagnostik in der Onkologie
Das Ovarialkarzinom ist mit einer Neuerkrankungsrate von etwa 8.000 Fällen pro Jahr nach dem Endometriumkarzinom das zweithäufigste Genitalkarzinom der Frau in Deutschland [1]. Aufgrund der fehlenden Frühsymptome erfolgt die Diagnose in rund 60% aller Fälle in fortgeschrittenen Stadien (FIGO III und IV). Hieraus resultiert die mäßig gute 5-Jahres-Überlebensrate von 40%. In Deutschland sterben jährlich etwa 5.500 Frauen an einem Ovarialkarzinom. Die Diagnose von Frühstadien beschränkt sich meist auf Patientinnen mit auffälligen Adnex-Befunden, die im Rahmen einer Vaginal-Sonografie erhoben (Abb. 1) und in der Folge operativ abgeklärt werden. Zu den sono-morphologischen Kriterien, die für eine maligne Neoplasie sprechen, zählen:
Papilläre oder solide Anteile in zystischen Ovarialtumoren
Multizystische Tumoren mit verdickten, vaskularisierten Septen (gut darstellbar mittels Farb-Doppler-Sonografie) Aszites.
Die Standard-Therapie besteht in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung aus einer radikalen Operation (Hysterektomie, Adnektomie, hohe Resektion der ovariellen Gefäßbündel, infragastrische Omentektomie, pelvine und paraaortale Lymphonodektomie, bei muzinösen Karzinomen auch Appendektomie) mit dem Ziel einer makroskopischen Tumorfreiheit (Abb. 2; [2]). Oftmals sind hierzu auch Darmresektionen, Deperitonealisierung des kleinen Beckens und des Zwerchfells, manchmal auch Resektionen oberflächlicher Leberkapsel-Metastasen erforderlich. Postoperativ wird in der Regel eine Platin- und Taxan-haltige Kombinationschemotherapie verabreicht (Carboplatin und Paclitaxel).
Die serösen Ovarialkarzinome sind mit ca. 45% am häufigsten, gefolgt von den endometrioiden und muzinösen Tumoren.
Während etwa 90% der Ovarialkarzinome sporadisch auftreten, stellt in ca. 10% eine Genmutation die Ursache der Malignom-Entstehung dar. Typischerweise treten die hereditären Ovarialkarzinome bei jüngeren Patientinnen mit familiärer Belastung (Ovarial- und Mammakarzinom) auf, die häufigsten Ursachen stellen die dominant vererbten Keimbahnmutationen in den Genen BRCA1 (Chromosom 17q21) und BRCA2 (Chromosom 13q12) dar. Das kumulative Risiko, bis zum 70. Lebensjahr an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, beträgt bei BRCA1-Mutationsträgerinnen 40%, bei BRCA2-Mutationsträgerinnen 11%. Meist handelt es sich um seröse „high-grade“-Ovarialkarzinome in fortgeschrittenen Stadien.
Allerdings treten die BRCA1/BRCA2-Mutationen auch sporadisch bei Patientinnen ohne familiäre Belastung auf (somatische Mutationen). Alsop et al. fanden unter 1.001 Patientinnen mit einem (nicht-muzinösen) Ovarialkarzinom in 14,1% der Fälle Mutationen [3]. In 44% dieser Fälle war keine Familienanamnese für Mamma- oder Ovarialkarzinom zu erheben. Daher sollte die BRCA-Testung bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom nicht allein auf Fälle mit einer einschlägigen Familienanamnese beschränkt werden.
Yates et al. fanden in einem Kollektiv von 92 Patientinnen mit nicht muzinösem Ovarialkarzinom neben 19,6% BRCA1/BRCA2-Keimbahnmutationen (die im Tumorgewebe bestätigt wurden) auch 8,7% somatische BRCA1/BRCA2-Mutationen im Tumorgewebe [4].
Patientinnen mit hereditärem Ovarialkarzinom weisen im Vergleich zu Patientinnen ohne Mutationsnachweis ein verbessertes 5-Jahres-Gesamtüberleben auf (44% bzw. 52% der BRCA1- bzw. BRCA2-Mutationsträgerinnen im Vergleich zu 36% ohne Mutationsnachweis; [5]), aber auch ein verbessertes rezidivfreies Überleben [6]. Ursache hierfür scheint die höhere Sensibilität für die Platin-haltige Chemotherapie zu sein.
In einer Phase-II-Studie wiesen Audeh et al. nach, dass durch einen PARP-Inhibitor (Poly-ADP-Ribose-Polymerase) bei Patientinnen mit einem rezidivierten hereditären Ovarial-Karzinom (BRCA1 und BRCA2) in 33% der Fälle ein Ansprechen zu erreichen war [8]. Ledermann et al. konnten in einer Doppelblindstudie bei Patientinnen mit einem rezidivierten Platin-sensiblen serösen Ovarialkarzinom mit BRCA-Mutationsnachweis eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens durch die PARP-Inhibitor-Therapie im Vergleich zu Placebo nachweisen (11,2 vs. 4,3 Monate, p < 0,0001; [9]).
Die Wirkung der PARP-Inhibition basiert auf der Tatsache, dass die Reparatur von DNA-Einzelstrangbrüchen mithilfe des Basenexzisions-Reparaturmechanismus verhindert wird. Diese Einzelstrangbrüche werden durch das Versagen der Replikationsgabel zu Doppelstrangbrüchen, welche wiederum durch die homologe Rekombination oder das nicht-homologe End-Joining repariert werden. Wenn durch eine Mutation in einem der an der homologen Rekombination beteiligten DNA-Reparaturgene wie BRCA1 oder BRCA2 die homologe Rekombination ausfällt, wird ersatzweise das nicht-homologe End-Joining wirksam und die Zellen fallen der Apoptose anheim.
Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat im Dezember 2014 den PARP-Inhibitor Olaparib für die Behandlung von Patientinnen mit einem rezidivierenden, Platin-sensiblen serösen „high-grade“-Ovarialkarzinom und Nachweis einer BRCA1- oder BRCA2-Mutation zugelassen. Häufigste Nebenwirkungen der oralen Monotherapie mit Olaparib (2x 400 mg/d) waren Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit und Anämie.
Die PARP-Inhibitor-Behandlung stellt einen weiteren, bedeutenden Schritt der personalisierten, zielgerichteten Tumortherapie dar.
Literatur
1. Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom). Robert Koch Institut, Zentrum für Krebsregisterdaten. www.rki.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Ovarialkrebs/ovarialkrebs_node.html
2. Maligne Ovarialtumoren. Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge. W. Zuckschwerdt Verlag München, 10. Auflage (2014).
3. Alsop K et al. BRCA mutation frequency and patterns of treatment response in BRCA mutation-positive women with ovarian cancer: A report from the Australian Ovarian Cancer Study Group. J Clin Oncol 2012; 30: 2654-63.
4. Yates M et al. Next generation sequencing of BRCA1/2 in high grade ovarian tumors expands BRCA defects beyond germline mutations. Ann Oncol 2014; 25 (Suppl 4) (ESMO 2014, Abstract #884PD).
5. Bolton KL et al. Association between BRCA1 and BRCA2 mutations and survival in women with invasive epithelial ovarian cancer. J Am Med Ass 2012; 307: 382-90.
6. Rubin SC et al. Clinical and pathological features of ovarian cancer in women with germ-line mutations of BRCA1. N Engl J Med 1996; 335: 1413-6.
7. Hennessy BT et al. Somatic mutations in BRCA1 and BRCA2 could expand the number of patients that benefit from poly (ADP ribose) polymerase inhibitors in ovarian cancer. J Clin Oncol 2010; 28: 3570-6.
8. Audeh MW et al. Oral poly(ADP-ribose) polymerase inhibitor olaparib in patients with BRCA1 or BRCA2 mutations and recurrent ovarian cancer: A proof-of-concept trial. Lancet 2010; 376: 245-51.
9. Ledermann J et al. Olaparib maintenance therapy in patients with platinum-sensitive relapsed serous ovarian cancer: A preplanned retrospective analysis of outcomes by BRCA status in a randomised phase 2 trial. Lancet Oncol 2014; 15: 852-61.
Prof. Dr. med. Martin Kolben
Praxis für Frauengesundheit und
WolfartKlinik Gräfelfing
Bahnhofstraße 9, 82166 Gräfelfing
info[at]frauenarzt-graefelfing[dot]de