Management der febrilen Neutropenie
Je nach Intensität einer Chemotherapie und Risikofaktoren des Patienten kann es zu unterschiedlich ausgeprägten Neutropenien mit erhöhtem Infektionsrisiko und zu lebensbedrohlichen Situationen kommen. So beträgt die Mortalität bei febriler Neutropenie (FN) ca. 10%, bei Komorbiditäten über 20%. Die prophylaktische und frühzeitige Gabe eines pegylierten humanen Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Faktors (G-CSF) reduziert das Auftreten einer Neutropenie und speziell einer FN.
Drastischer Abfall der neutrophilen Granulozyten unter 1.000/µl (schwere Neutropenie unter 500/µl) sowie Fieber von über 38 °C sind die typischen Zeichen einer FN, die häufig auch zur Reduktion der Chemotherapiedosis und/oder Verschiebung des Zyklus oder sogar zu einer Behandlungspause zwingt. Der damit einhergehende Verlust an relativer Dosisintensität, so Marcel Reiser, Köln, beeinträchtige auch das Gesamtüberleben.
Vorbeugen lässt sich dem durch die Gabe des Wachstumsfaktors G-CSF, der die Reifung von Granulozyten aus hämatopoetischen Stammzellen fördert. Der prophylaktische Einsatz von G-CSF bei chemotherapeutisch behandelten Patienten mit einem FN-Risiko > 20% wird von allen wichtigen Leitlinien wie denen von EORTC, ASCO, NCCN und DGHO empfohlen, zudem bei einem FN-Risiko von 10–20%, wenn weitere Risikofaktoren wie hohes Alter, fortgeschrittene Erkrankung, eine vorausgegangene FN und/oder Komorbiditäten vorliegen oder die Antibiotika-Prophylaxe fehlt. Der Schutz vor einer FN ist von Anfang an wichtig: Das FN-Risiko ist im ersten Chemotherapiezyklus am höchsten, da die Zahl der Lymphozyten etwa 7–14 Tage nach der Chemotherapie auf ein Minimum sinkt. Danach kann es bis zu über vier Wochen dauern, bis der Körper die neutrophilen Granulozyten regeneriert.
Pegfilgrastim (Neulasta®) wird aufgrund seines größeren Molekulargewichts anders als Filgrastim nicht über die Nieren ausgeschieden, sondern vorwiegend rezeptorvermittelt durch die neutrophilen Granulozyten selbst abgebaut. Insofern bleibt die wirksame Serumkonzentration während der neutropenischen Phase bei niedriger absoluter Neutrophilenzahl erhalten (verlängerte Halbwertszeit) und sinkt, sobald sich die Neutrophilen zu erholen beginnen. Die Patienten profitieren daher von der Selbstregulation unter Pegfilgrastim.
Laut einer beim ASCO-Kongress 2014 vorgestellten Ärztebefragung, die von 10/12 bis 09/13 in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und UK durchgeführt wurde, erhielten von 34.106 Patienten unter Chemotherapie nur 2.554 (7,5%) G-CSF. 61% der Patienten waren ≥ 56 Jahre alt, die häufigsten Tumoren waren Non-Hodgkin-Lymphome (28%), Mammakarzinome (20%), Hodgkin-Lymphome (7%) und nicht-kleinzellige Lungenkarzinome (6%). Von den Patienten mit soliden Tumoren erhielten 53% Pefilgrastim, 36% Filgrastim, 10% Lenograstim, bei den hämatologischen Neoplasien entsprechend 38%, 48% und 12% [1].
Einer Metaanalyse zufolge [2] reduziert eine Primärprophylaxe mit G-CSF die Inzidenz der FN signifikant um 46% und die Mortalität um 45%. Reiser riet zu einer zeitgerechten Gabe und Dosierung der Chemotherapie, da es im kurativen Setting noch Verbesserungspotenzial gebe: Eine G-CSF-Verabreichung biete gegenüber dem Verzicht darauf einen Überlebensvorteil von ca. 10%. Eine konsequente Umsetzung der aktuellen Guidelines zum Einsatz von G-CSF solle unbedingt angestrebt werden.
Helga Vollmer
Literatur
1. Anger C et al. J Clin Oncol 2014; 32 (Suppl) (ASCO 2014, Abstract #e20718).
2. Kuderer NM et al. Cancer 2006; 106: 2258-66.
28. Münchner Fachpresseworkshop „Onkologie und onkologische Supportivtherapie – was gibt es Neues?“ am 10. Juli 2014 in München, unterstützt von Amgen.