Die Therapie des multiplen Myelom hat in den letzten zehn Jahren durch die Einführung neuer Substanzklassen wie Immunmodulatoren und Proteasominhibitoren enorme Fortschritte gemacht: Eine beträchtliche Verlängerung der Überlebenszeiten und eine Verzögerung der Krankheitsprogression bei gleichzeitig guter Verträglichkeit der Therapien lässt hoffen, dass in absehbarer Zeit ein Teil der Patienten geheilt werden kann. Zehn Jahre nach der ersten Einführung des Proteasominhibitors Bortezomib (Velcade®) war es deshalb Zeit für eine Bilanz des Erreichten und einen Ausblick auf die Zukunft.
Um das Überleben weiter zu verlängern und möglicherweise eine Heilung zu erzielen, ist laut Prof. Hartmut Goldschmidt, Heidelberg, eine maximale Eradikation des Tumorklons durch bestmögliches Ansprechen bei akzeptabler Toxizität erforderlich. Eine Reihe von Studien konnte in den letzten Jahren zeigen, dass die Überlebenszeit umso länger wird, je tiefer die Remission ausfällt – so zum Beispiel in einer Metaanalyse von drei multizentrischen Studien, in denen insgesamt 1.175 Patienten mit neu diagnostiziertem Myelom Melphalan/Prednison (MP), Bortezomib plus MP (VMP) oder MP plus Thalidomid erhalten hatten: Hier war das Erreichen einer kompletten Remission mit deutlich und signifikant besseren Langzeit-Ergebnissen assoziiert als wenn nur eine sehr gute partielle Remission (VGPR) erzielt wurde [1]. Dieser Vorteil war in einer multivariaten Analyse unabhängig von Alter, IPSS-Stadium und Art der Behandlung.
Ein tieferes Ansprechen ist auch mit besserer Lebensqualität assoziiert, so Goldschmidt [2]. Die Verträglichkeit kann auch durch die Art der Verabreichung erhöht werden: Bortezomib liegt mittlerweile als subkutane Galenik vor, die so wirksam ist wie die intravenöse Gabe, aber deutlich weniger Neuropathien verursacht (6% vs. 16%; [3]).
Induktion vor autologer Stammzelltransplantation
Bortezomib ist in allen Indikationen beim multiplen Myelom anwendbar: Vor einer Hochdosistherapie mit Melphalan, so PD Dr. Katja Weisel, Tübingen, ist eine Bortezomib-basierte Induktionstherapie mittlerweile Standard. In Deutschland sind im Wesentlichen das PAd- (Bortezomib, Doxorubicin, niedrig-dosiertes Dexamethason) und das VCD-Regime (Bortezomib, Cyclophosphamid, Dexamethason) verfügbar, die zu einer Verbesserung von Ansprechen, progressionsfreiem und Gesamtüberleben geführt haben. In einer Metaanalyse [4] zeigten Bortezomib-haltige Induktions-Regimes nach drei Jahren ein signifikant höheres progressionsfreies (Hazard Ratio 0,75; p < 0,001) und Gesamtüberleben (HR 0,81; p = 0,0402). Auch Hochrisiko-Patienten, z. B. solche mit ungünstiger zytogenetischer Konstellation oder Einschränkung der Nierenfunktion, haben erheblich von der Einführung von Bortezomib profitiert. Kombinationen mit Immunmodulatoren und Antikörpern werden das Therapiespektrum in Zukunft noch erweitern, so Frau Weisel.
Primärtherapie bei nicht transplatablen Patienten
Auch bei Patienten, die sich aufgrund ihres Alters oder Allgemeinzustands nicht mehr für eine Hochdosistherapie eignen, hat die Zugabe von Bortezomib zum klassischen Melphalan-Prednison-Regime (VMP) Fortschritte gebracht: In der VISTA-Studie konnte diese Dreier- gegenüber der alten Zweierkombination das Gesamtüberleben der über 65-jährigen Patienten um median mehr als ein Jahr (13,3 Monate) verlängern (Hazard Ratio 0,653; p < 0,001). Dieser Vorteil ist nicht nur in allen Subgruppen von Patienten zu sehen, sondern er bleibt auch nach fünf Jahren erhalten, unabhängig von den verschiedensten Salvagetherapien, die die Patienten dann bereits erhalten haben [5]. Die detaillierte Analyse dieser Daten zeigt, so Goldschmidt, dass es entscheidend für den maximal möglichen Überlebensvorteil ist, die wirksamste Therapie mit Bortezomib gleich in der Erstlinie zu geben und sie nicht für spätere Linien zu reservieren. Eine Post-hoc-Analyse ergab darüber hinaus, dass man die VMP-Therapie tatsächlich über die vollen neun Zyklen durchführen sollte: 28% der Komplettremissionen wurden erst während der Zyklen 5–9 erreicht (Abb. 1, [6]).
Retreatment mit Bortezomib möglich
Bislang entwickelt noch nahezu jeder Myelom-Patient nach wirksamer Therapie früher oder später ein Rezidiv. Hier ist nicht unbedingt ein Wechsel der Therapie angezeigt, so Dr. Hans Salwender, Hamburg: Auch ein Retreatment mit Bortezomib kann sehr gute Ansprechraten erreichen wie zum Beispiel in einer Follow-up-Analyse der VISTA-Studie [7]: Die Patienten in beiden Armen sprachen auf nachfolgende Therapien gleich gut an, und auch Bortezomib-haltige Zweitlinientherapien führten noch bei 47% der zuvor mit VMP behandelten Patienten zu einem Ansprechen (im MP-Arm bei 59%). Entscheidend war die Wirksamkeit der Primärtherapie: Hatte die therapiefreie Zeit nach der VMP-Behandlung mehr als zwölf Monate betragen, lag die Ansprechrate auf Bortezomib in der Zweitlinie mit 71% (davon 14% komplette Remissionen) fast dreimal höher als bei kürzerer Therapiefreiheit (25% mit 6% kompletten Remissionen).
jfg
Literatur
1. Gay F et al., Blood 2011; 117: 3025-31.
2. Ludwig H et al. Haematologica 2007; Abstract #1103.
3. Moreau P et al. Lancet Oncol 2011; 12: 431-40.
4. Sonneveld P et al. J Clin Oncol 2013; 31: 3279-87.
5. San Miguel JF et al. J Clin Oncol 2013; 31: 448-65.
6. Harrousseau JL et al., Blood 2010; 116: 3743-50.
7. Dimopolous MA et al. Haematologica 2013;98:1264-72.
Pressekonferenz zu 10 Jahren Velcade® „Von der Innovation zur etablierten Therapie: Aktueller und zukünftiger Stellenwert von Velcade® beim multiplen Myelom“ am 27. Mai 2014 in Frankfurt, veranstaltet von Janssen, Neuss.