Kongressbericht

Die chronische myeloische Leukämie (CML) ist eine „Pionier“-Krankheit: Bei ihr begann vor gut zehn Jahren mit der Einführung von Imatinib die neue Ära der zielgerichteten Therapien in der Onkologie, und die Medikamente sind bei vielen Patienten so wirksam, dass die Hämatologen hier das ehrgeizige Ziel einer „therapiefreien Remission“ verfolgen. Nach wie vor gibt es aber Patienten, die auf die gängigen Medikamente schlecht oder gar nicht ansprechen und deshalb neue, noch wirksamere Substanzen benötigen – wie Ponatinib (Iclusig®), das alle bisher bekannten Mutationen der BCR-ABL-Kinase effektiv inhibieren kann.

Waren die Optionen zur Behandlung der CML noch im Jahr 2000 sehr bescheiden mit medianen Überlebenszeiten von rund acht Jahren, so lässt sich mit den verfügbaren Medikamenten bei Patienten mit guter Compliance mittlerweile eine praktisch normale Lebenserwartung erreichen, so Prof. Andreas Hochhaus, Jena. Deshalb gibt es mittlerweile sehr viel mehr von diesen Patienten. Ziel der CML-Therapie ist heute das möglichst rasche Erreichen von möglichst tiefen Remissionen: Molekulare Remissionen, wo die verbliebene minimale Resterkrankung sich nur noch mit empfindlichen Methoden wie der Polymerasekettenreaktion nachweisen lässt, sollten möglichst nach sechs, spätestens aber nach zwölf Monaten Therapie erreicht sein, weil dann die Chance besteht, die Tumorlast in den nicht mehr nachweisbaren Bereich zu senken. Das gelingt bei vielen Patienten mit den drei bisher für die Erstlinientherapie verfügbaren Medikamenten, und vorläufigen Studien zufolge kann man bei etwa 40% dieser Patienten nach einigen Jahren die Medikation absetzen, ohne dass die Krankheit wieder zurückkehrt.
Es gibt aber auch Patienten, die dieses Ziel nicht erreichen oder bei denen eine zunächst erreichte molekulare Remission wieder verloren geht. Häufige Ursache dafür sind Mutationen in der BCR-ABL-Kinase, die für das Wachstum der leukämischen Zellen hauptsächlich verantwortlich ist und durch die Medikamente gehemmt wird. Betroffen von solchen Mutationen ist in der Regel die ATP-Bindungsstelle des Kinase-Moleküls, an der auch die Inhibitoren angreifen. Unter den bisher bekannt gewordenen Mutationen gibt es eine – T315I – die bis vor kurzem auf keinen der verfügbaren Inhibitoren ansprach. Die mediane Überlebenszeit dieser Patienten lag bislang bei rund zwei Jahren; befanden sie sich bei Diagnose der Mutation bereits in der Blas­tenkrise der Erkrankung, war es weniger als ein halbes Jahr.

Ponatinib hemmt auch BCR-ABL mit T315I-Mutation

Mit der zielgerichteten Entwicklung von Ponatinib, so Hochhaus, gibt es jedoch mittlerweile ein Medikament, das auch BCR-ABL-Moleküle mit der T315I-Mutation hemmt. Es bindet an die inaktive, geschlossene ABL-Konformation und hat ein breites Aktivitätsspektrum gegen alle bekannten BCR-ABL-Varianten ebenso wie gegen eine Reihe anderer Kinasen. Ponatinib wird einmal täglich oral mit 15–45 mg dosiert und wirkt als einziger zugelassener Inhibitor gegen alle bislang identifizierten Mutationen von BCR-ABL.
Seine klinische Wirksamkeit hat Ponatinib in der Phase-II-Studie PACE (Ponatinib Ph-positive acute lymphoblastic leukemia [ALL] and CML Evaluation) unter Beweis gestellt [1]. Da­rin wurden 449 Patienten mit CML oder mit Philadelphia-Chromosom-positiver akuter lymphatischer Leukämie (Ph+ ALL) eingeschlossen, die gegen die Zweitgenerations-Inhibitoren Nilotinib und Dasatinib resistent waren oder sie wegen inakzeptabler Nebenwirkungen nicht einnehmen konnten oder die eine T315I-Mutation der BCR-ABL-Kinase aufwiesen.
Nach zwei Jahren, so Hochhaus, wurde die beachtliche Wirksamkeit von Ponatinib in diesem stark vorbehandelten Kollektiv von Patienten bestätigt, von denen 58% bereits mindes­tens drei andere TKI erhalten hatten: 60% erreichten unter Ponatinib eine gute zytogenetische Remission (MCyR: 0–35% Philadelphia-Chromosom-positive Metaphasen), 54% eine komplette (CCyR) und 38% eine gute molekulare Remission. Patienten mit T315I-Mutation sprachen besonders gut an: Von ihnen erreichten 72% eine MCyR und 70% eine CCyR und 58% eine gute molekulare Remission. Von den Patienten in chronischer Phase mit MCyR konnten 89% diese wenigsten 24 Monate lang halten. In diesem Zeitraum hat kein Patient mit T315I-Mutation ein einmal erreichtes Ansprechen verloren.

Cave Kardiovaskuläre Risikofaktoren!

In der PACE-Studie wurden bei 17% der Patienten arterielle thrombotische Ereignisse beobachtet, bei 12% waren sie schwerer Natur, so Hochhaus. Ansprechen und Gesamtüberleben wurden dadurch nicht beeinflusst. In einer multivariaten Analyse waren eine hohe Dosisintensität, höheres Alter, längere Behandlungsdauer, höhere Zellzahl bei Diagnose und vorbestehende Risikofaktoren für vaskuläre Ereignisse bei Diagnosestellung (Diabetes, vorherige Ischämie etc.) unabhängige Risikofaktoren für diese Ereignisse. Jede Reduktion der Ponatinib-Dosis um 15 mg/d reduzierte das Risiko für ein arterielles thrombotisches Ereignis um etwa 40%. Das könnte praktikabel sein: Von den Patienten, deren Ponatinib-Dosis während der Studie reduziert wurde, konnten 92% eine zuvor erreichte MMR, 96% eine komplette und 97% eine gute zytogenetische Remission halten.

Josef Gulden

Pressekonferenz “Iclusig® erweitert die Therapie­optionen der chronischen myeloischen Leukämie und der Philadelphia-Chromosom positive akuten lymphatischen Leukämie” im Rahmen des 31. Deutschen Krebskongresses am 21. Februar 2014 in Berlin, veranstaltet von ARIAD Pharmaceuticals, Frankfurt.

Literatur

1. Cortes JE et al. N Engl J Med 2013; 369: 1783-96.