Die Entwicklung der Molekularpathologie verlief in den vergangenen Jahren parallel zur Halbleitertechnik mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und Dynamik. Rechenleistung und Speicherkapazitäten steigen mit jeder neuen Chipgeneration bei gleichzeitigem Verfall der Preise. Hiervon profitiert die Molekularpathologie mit einer rasch anwachsenden Vielfalt von Anwendungsmöglichkeiten.
In der klassischen Pathologie dominieren Abläufe, die in ihren Grundzügen bereits vor über 100 Jahren etabliert worden waren und nun durch Verfahren der Digitalisierung modifiziert werden. In der Molekularpathologie hingegen ergeben sich durch die technischen Neuerungen und Ansätze nicht nur Modifikationen, sondern völlig neue personelle Strukturen in den Pathologien, die diese Entwicklung mitgehen können und wollen.
Die Geschwindigkeit der neuen Entwicklungen sowie der hohe Kostenaufwand stellen bisher nicht gekannte Herausforderungen dar. Darüber hinaus werden Ergebnisse und deren Diskussion in einem immer kürzeren Zeitraum eingefordert. Dies durchaus mit Recht, da im Rahmen dieser verbesserten, personalisierten Medizin die Entscheidungszeiträume immer kürzer werden und für die Patient:innen lebensentscheidend sein können. Institutionen wie molekulare Tumorboards spiegeln dies wider.
Die Kommunikation zwischen Pathologie und Klinik wird auf eine neue Ebene gestellt, die für viele ungewohnt ist und die Erschließung zusätzlicher Tätigkeitsfelder einfordert.
Lokale oder zentralisierte Molekularpathologie?
Idealerweise werden die neuen Prozesse der modernen und personalisierten Patientenversorgung vor Ort umgesetzt. Dies spart Zeit und ermöglicht den direkten Austausch mit dem behandelnden ärztlichen Personal, was die Qualität der getroffenen Entscheidungen fördert.
Allerdings spricht gegen diese sehr enge Verzahnung, dass der apparative Aufwand für eine umfangreiche molekulare Pathologie hoch ist und dass er einen erheblichen Personaleinsatz erfordert. Dies kann nicht von jeder Pathologie geleistet werden. Solange sich die Entwicklung im apparativen Aufwand nicht umkehrt – und danach sieht es derzeit nicht aus, ist ein Zusammenschluss auf regionaler Ebene unumgänglich. Dieser Prozess hat bereits begonnen.
Diese leistungsfähigen molekularen Pathologien sind integraler Bestandteil der Patientenversorgung. Die Entstehung solcher leistungsfähigen Institute nimmt ihren Ausgang von ganz verschiedenen Strukturen und ist häufig nichtuniversitär geprägt. Diese Vielfalt hat sich als wesentlich in der Umsetzung neuer Therapien erwiesen und lässt unsere Nachbarstaaten neidisch auf diese Strukturen blicken.
Dort, zum Beispiel in Frankreich und Großbritannien, wurde die regionale zugunsten einer zentralen Versorgung in wenigen großen Instituten aufgegeben. Dies ist ein Weg, den die Krankenkassen beziehungsweise die Kostenträger auch in Deutschland favorisieren. Das beruht auf verschiedenen, letztlich politischen Ursachen, die wir aber im Hinblick auf die Patientenversorgung nicht teilen.
Aufgrund der erfreulichen, aber nicht planbaren Zunahme der zielgerichteten Therapien und Biomarker können die Leistungen durch wenige ausgewählte Leuchtturmzenten für ganz Deutschland flächendeckend nicht erbracht werden. Dazu benötigt man die finanzielle Flexibilität und die Kenntnisse des lokalen Bedarfs der dezentralen Strukturen und Netzwerke. Der Erfolg der überwiegend universitären Verbünde (wie das Nationale Netzwerk Genomische Medizin, nNGM) ist beachtlich, welche allerdings aus organisatorischen, Kapazitäts- und Platzgründen wohl nicht unbegrenzt erweiterbar sind.
Vorteile der lokalen molekularpathologischen Versorgung in der Onkologie
Die Entwicklung der Zentralisierung sehen die Mitglieder des Netzwerks Molekularpathologie als nicht zielführend an, weil sie wegführt von den Erkrankten und den Behandelnden. Hierzu sei nur auf die durch eine nichtregionale Versorgung bedingte Verlängerung der Befundzeiten verwiesen: ein besonderer, weil therapierelevanter Nachteil der zentralisierten Versorgung.
Nicht weniger wichtig und nicht weniger aktuell ist der zunehmende Bedarf an molekularen Tumorboards, die ohne direkte Versorgung in ihrer Qualität leiden. Gerade in den molekularen Tumorboards sind der direkte Austausch und die Weitergabe von Informationen für Menschen mit Tumorerkrankungen von großer Bedeutung. Über die Vorteile eines engen Kontakts mit den klinischen Kolleginnen und Kollegen brauchen wir hier nicht zu sprechen, sie sind den Beteiligten als selbstverständlich bekannt. Deswegen betrachten wir eine öffentliche Förderung lokaler molekularer Tumorboards als essenziell für eine optimale onkologische Versorgung in der Fläche.
Damit kann die Vielfalt der etablierten onkologischen leistungsfähigen Versorgungslandschaft erhalten und gefördert werden. Diese Vielfalt soll ihre Basis in der Leistungsfähigkeit und Qualität der molekularen Pathologien finden, unabhängig von strukturellen Vorgaben und Bevorzugungen. Das bedeutet, dass alle Pathologien, die angemessene Qualitätsvorgaben erfüllen, zur Erbringung der Leistungen zugelassen werden. Sicherlich wird es hiervon Ausnahmen in Form von besonderen Strukturentwicklungen und Untersuchungen geben, die primär in kleinen Verbünden ausgewählter Leistungserbringer erarbeitet und erprobt werden müssen. Vorhaben jedoch, die von vornherein den dauerhaften Ausschluss von Leistungserbringern einplanen, sind ein Irrweg.
Wofür steht das Netzwerk MolPath?
Regulierungen seitens des Gesetzgebers und der Kostenträger in diese Richtung werden daher von den Mitgliedern des Netzwerks kritisch betrachtet. Der Ansatz des Netzwerks MolPath favorisiert hingegen die qualitätsbasierte Erbringung von Untersuchungen unabhängig von der Trägerschaft der jeweiligen Molekularpathologien. Das bedeutet, dass Molekularpathologien zum Beispiel in ärztlicher Trägerschaft die gleichen Möglichkeiten und Pflichten haben müssen wie alle anderen Leistungserbringer auch. Die Qualitätsvorgaben ergeben sich hierbei aus anerkannten Richtlinien beziehungsweise den Vorgaben seitens der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS), der Bundesärztekammer/BÄK („Rili-BÄK“) oder freiwilliger Eigeninitiativen wie der Qualitätssicherung in der Pathologie (QuIP).
Die QuIP zeigt das Selbstverständnis des gesamten Fachgebiets zur Qualitätssicherung und hat sich in der MolPath in den vergangenen Jahren als Prüfstandard etabliert. Wiederkehrende Ringversuche für alle therapierelevanten Untersuchungen, organisiert über Biomarkerportale und unterstützt durch Seminare, gewährleisten die flächendeckende und kontrollierte Etablierung der Verfahren sowie deren dauerhafte Qualitätssicherung.
Daraus ergibt sich ebenso klar, dass das Netzwerk nicht gegen, sondern für etwas ist: nämlich für die optimale Versorgung der erkrankten Personen durch die gleichberechtigte Teilnahme aller qualitätskontrollierten Leistungserbringer. Wir wollen dies gemeinsam umsetzen und laden alle dazu ein, hieran mitzuwirken. Insbesondere umfasst dies auch unsere Kolleginnen und Kollegen aus den Naturwissenschaften, ohne die es nicht geht.
Die Arbeitsansätze, die sich aus dieser Zielstellung ergeben, umfassen die Information der Entscheidungs- und Kostenträger. Der enge Austausch mit unserem klinischen Kollegium und untereinander ist hierin eingebettet. Darüber hinaus werden Plattformen gebildet, auf denen Informationen aus dem diagnostischen und wirtschaftlichen Bereich ausgetauscht werden können.
Die AG Netzwerk MolPath hat sich hierzu im Rahmen des 23. Bundeskongresses Pathologie im September 2023 konstituiert und ihre Arbeit aufgenommen (direkte Ansprechpartner sind aktuell die beiden Verfasser des Artikels; Tab. 1).