Die empfohlenen Nachsorgemaßnahmen nach einem frühen Mammakarzinom sind seit vielen Jahren unverändert und weiterhin wenige. Grund hierfür sei, dass große prospektive Studien gezeigt haben, dass ein verstärktes Monitoring und eine intensive Diagnostik das Überleben der Betroffenen letztlich nicht verbessern konnten, erläuterte Prof. Wolfgang Janni, Ulm. Dabei handelt es sich im Wesentlichem um zwei in den 1990er-Jahren publizierte randomisierte Studien, die in den späten 1980er-Jahren in Italien durchgeführt worden waren [1, 2]. Auch nachfolgende Follow-ups der Studien und eine Cochrane-Analyse konnten keine neuen Ergebnisse bringen. „Zur Nachsorge gibt es bislang nur wenige neue Daten; die Evidenz gibt derzeit keine anderen Empfehlungen her“, resümierte Janni. So wird als Routinenachsorgeuntersuchung bei asymptomatischen Betroffenen derzeit nur zur Mammografie, zum Brustultraschall sowie zur körperlichen Untersuchung und Anamnese geraten. Mögliche Metastasierungsorte wie Knochen oder Leber werden nicht untersucht. Auch von labormedizinischer Seite werden keine Tests empfohlen, mit Ausnahme von Bluttests zur Detektion von Toxizitäten. Tumormarker werden nicht erhoben, auch die Suche nach zirkulierenden Tumorzellen (CTCs) spielt keine Rolle.
Neue Therapiemöglichkeiten
Patientinnen seien mit dieser Nachsorgesituation verständlicherweise unzufrieden, so Janni. Nach langer multimodaler Therapie wollten diese wissen, ob sie tatsächlich geheilt seien, und außerdem ein Rezidiv möglichst früh erkennen. Auch viele Experten seien der Meinung, dass man das Paradigma der onkologischen Nachsorge beim Mammakarzinom noch einmal untersuchen müsse, zumal sich die Diagnostik-, aber auch die Therapiemöglichkeiten fundamental verändert haben. „Neue Chemotherapeutika, Aromatasehemmer, SERDs, CDK4/6-Inhibitoren, HER2-Inhibitoren, PARP-Inhibitoren bei BRCA-Mutation, Antikörper-Wirkstoff-Konjugate und die Immuntherapie – wir haben heute eine komplett andere Therapiewelt“, konstatierte Janni.
Neue diagnostische Möglichkeiten – MRD-Monitoring
Eine Möglichkeit, einen Krankheitsrückfall nach kurativer Therapie bei Betroffenen mit primärem Mammakarzinom früh zu erkennen, ist die Überwachung auf minimale Tumorresiduen (MRD). „Um eine etwaige Systemerkrankung zu detektieren, muss man das System untersuchen, und das geht heute mit der Liquid Biopsy zur MRD-Detektion im peripheren Blut“, erklärte Janni. Für die MRD-Überwachung spricht eine Reihe von Studiendaten. Hier ging die Entwicklung von der Suche nach Mikrometastasen beziehungsweise disseminierten Tumorzellen (DTC) im Knochenmark [3] über den Nachweis von CTCs im Blut hin zur Detektion von zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA).
Der Nachweis von DTCs aus Knochenmarkaspiraten aus dem Beckenkamm sei eine sehr invasive Methode, für die Patientinnen extrem unangenehm und so kaum seriell durchführbar, so Janni. Im Rahmen der SUCCESS-Studie wurden dann CTCs aus dem peripheren Blut nachgewiesen, und zwar vor und nach der adjuvanten Chemotherapie. Beides war prognostisch relevant [4]. Patientinnen mit persistierenden CTCs im Blut nach der Chemotherapie hatten ein deutlich schlechteres Überleben. Auch in der Nachsorge nach einem frühen Hochrisikomammakarzinom erwiesen sich CTCs, erfasst zwei Jahre nach Ende der adjuvanten Chemotherapie, als ein signifikanter, unabhängiger, prognostischer Faktor für ein schlechtes krankheitsfreies Überleben (DFS; Hazarad Ratio [HR] 2,28) und Gesamtüberleben (OS; HR 3,82) [5]. Auf die Frage, warum sich diese Möglichkeit, auch nach jahrelangem Nachweis der MRD im peripheren Blut, nicht stärker durchgesetzt habe, erklärte Janni, der Nachweis von CTCs sei mit den verfügbaren immunzytochemischen Methoden sehr aufwendig und schwierig. „Man findet die CTCs tatsächlich nur selten; in der Studie wurden sie bei 13 % der Patientinnen entdeckt.“
Analyse von ctDNA im Blut
Fragmente von Tumor-DNA sind im Unterschied zu ganzen Tumorzellen um ein Vielfaches häufiger im Blut zu detektieren. Den Durchbruch brachte aus Jannis Sicht somit auch die Analyse der zirkulierenden zellfreien DNA (cfDNA), genauer gesagt der ctDNA. Um in der Tumornachsorge DNA-Partikel zu finden, die auf die vorherige Krebserkrankung hinweisen, stehen derzeit zwei Arten von ctDNA-Tests zur Verfügung:
- Tumor-informed-Tests: Nach der Sequenzierung des individuellen Tumors anhand einer Gewebeprobe („fingerprint“) wird das Blut auf diese individuellen Tumormutationen hin untersucht.
- Beim Blood-only-Test erfolgt eine (epi)genomische ctDNA-Detektion in Kombination mit einer Methylierungsanalyse zur Identifizierung von Mutationen unabhängig vom individuellen Karzinom. Man untersucht also auf die bei diesem Tumortyp üblicherweise vorkommenden Mutationen.
Studien zur ctDNA-Analyse beim Mammakarzinom
In der Konzeptentwicklungsphase der derzeit anlaufenden SURVIVE(Standard Surveillance versus Intensive Surveillance in Early Breast Cancer)-Studie zur Mammakarzinomnachsorge wurden zunächst kleinere Pilotstudien zum Nachweis von ctDNA durchgeführt. So wurde mit einem Tumor-informed-Test bei 92 % der Betroffenen mit Metastasen ctDNA nachgewiesen; bei jenen mit lokoregionärem Rezidiv waren es 38 %. Bei den gesunden Patientinnen ohne Rezidiv zum Zeitpunkt der Analyse kam es zu einem – vermeintlich – falsch-positiven Ergebnis. Allerdings wurden bei dieser Patientin mittlerweile Lebermetastasen nachgewiesen, so Janni [6]. Außerdem wurde in einer prospektiven Studie bei Betroffenen mit einem Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinom und hohem Rezidivrisiko im späten Nachsorgezeitraum (im Median acht Jahre nach Diagnose) ohne klinischen Nachweis eines Rezidivs ctDNA mindestens ein Jahr vor dem Auftreten von Fernmetastasen mittels Tumor-informed-Tests nachgewiesen. Im Median vergingen 12,4 Monate zwischen dem ersten ctDNA-Nachweis und dem klinisch apparenten Rezidiv (Lead Time) [7]. In eine ähnliche Richtung weisen die Daten der ctDNA-Analyse im Rahmen der Studie PENELOPE-B, hier aber nach einer neoadjuvanten Chemotherapie (NACT): Der retrospektive Nachweis von ctDNA nach NACT war mit einem sehr hohen Risiko für ein Rezidiv assoziiert [8].
SURVIVE-Studie
Derzeit läuft nun mit der SURVIVE-Studie die erste prospektive Studie zur Nachsorge beim Mammakarzinom. 3.500 Patienten mit Mammakarzinom und einem mittleren bis hohen Rezidivrisiko sollen eingeschlossen werden. 1:1-randomisiert erhalten sie entweder eine Standardnachsorge nach nationaler Leitlinie oder eine intensivierte Liquid-Biopsy-basierte Nachsorge. Im peripheren Blut der Patienten wird nach ctDNA, nach CTCs und nach Tumormarkern gesucht. Koprimäre Endpunkte sind das OS und der Overall-Lead-Time-Effekt, um zu sehen, ob und in welchem Ausmaß die Frühdetektion funktioniert. Ist eine der sequenziellen ctDNA-Analysen positiv, erfolgten eine Bildgebung und gegebenenfalls eine leitliniengerechte Therapie. Bei negativer Bildgebung werden die ctDNA-Analysen fortgesetzt. Außerdem werde den Betroffenen mit dem Nachweis von ctDNA oder CTCs die Teilnahme an einer der folgenden Therapiestudien angeboten, so Janni: In der Studie SURVIVE-HERoes bei HER2-Positivität (inkl. HER2-low) erhalten die Patienten mit einem molekularen Rezidiv entweder eine Standardtherapie plus T-DXd oder nur eine Standardtherapie. In der TREAT-ctDNA-Studie bei HR-positivem Tumor wird im Falle eines molekularen Rezidivs Elacestrant oder eine Standardtherapie gegeben (Abb. 1).