„Alle Organe sind über den Blutkreislauf miteinander verbunden und hinterlassen im Blut ihre Spuren, die wir durch Liquid Profiling detektieren“, erläuterte Holdenrieder. Vor allem die zirkulierenden Nukleinsäuren, die auch von Tumoren ins Blut abgegeben werden (ctDNA), können laut Holdenrieder für die Tumordiagnostik eingesetzt werden. Die ctDNA im Blutplasma werde mittels Next Generation Sequencing (NGS) oder digitaler Polymerasekettenreaktion (ddPCR) analysiert. Nutzen könne man die ctDNA-Analyse im Frühstadium des Mammakarzinoms zur Detektion einer molekularen Resterkrankung (MRD) oder zum Nachweis des Ansprechens auf eine neoadjuvante Therapie, aber auch im metastasierten Stadium zur Auswahl von gezielten Therapien oder zur Entdeckung einer molekularen Progression, führte Holdenrieder aus. Nach Meinung des Labormediziners konnte die Liquid Biopsy bereits ihre klinische Bedeutung in einigen Studien zeigen. Er führte die multizentrische Phase-IIa-Studie PlasmaMATCH an, in der Patienten mit einem fortgeschrittenen Mammakarzinom deutlich auf eine ctDNA-geleitete Therapie ansprachen: Die Teilnehmenden erhielten abhängig von der durch eine ctDNA-Analyse nachgewiesene Mutation eine gezielte Therapie, wie zum Beispiel das Antiöstrogen Fulvestrant bei einer bestehenden ESR1-Mutation [2]. Von einem Wechsel von einem Aromatase-Inhibitor auf Fulvestrant (jeweils plus den CDK4/6-Inhibitor Palbociclib) profitierten in der Phase-III-Studie PADA-1 nach Darstellung Holdenrieders auch Patienten mit einem Hormonrezeptor-positiven, HER2-negativen fortgeschrittenen Brustkrebs nach einem Anstieg der ESR1-Mutation in der ctDNA [3].
Die ctDNA-Analyse habe aber auch ihre Limitationen, schränkte er ein. So sind für die Aussagekraft der Liquid Biopsy die Spezifität und die Sensitivität der Analysemethode entscheidend. Im Mai 2023 hat deshalb die Bundesärztekammer eine Richtlinie zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen herausgegeben [4]. „Die Liquid Biopsy hat ein wahnsinniges Potenzial. Wir stehen beim Mammakarzinom aber gerade erst am Anfang. Unser Wunsch ist es, mit den Pathologen und den Klinikern ganz eng zusammenzuarbeiten, damit wir dieses Potenzial gemeinsam heben können“, wünschte Holdenrieder.
Sabrina Kempe