Non-Hodgkin-Lymphome sind eine sehr heterogene Gruppe von malignen lymphatischen Erkrankungen. Dieses Heft bietet ein Update zu den häufigsten und wichtigsten Vertretern.
Während die Heilungsraten beim selteneren Hodgkin-Lymphom bei über 80 % liegen, erreichen wir bei den Non-Hodgkin-Lymphomen insgesamt erst relative 10-Jahres-Überlebensraten von 64 % (Stand 2018 – Robert Koch-Institut). Die Prognose ist allerdings je nach Entität sehr unterschiedlich. Sie dürfte sich aufgrund der therapeutischen Fortschritte der vergangenen Jahre, die in diesem Schwerpunkt dokumentiert sind, in naher Zukunft kontinuierlich verbessern.
Zwei Entwicklungen stechen vor allem ins Auge: Zum einen werden nicht mehr alle Patient:innen mit ein und derselben Krankheit gleich behandelt, sondern die Therapie orientiert sich zunehmend an der Prognose, die mithilfe ausgeklügelter Risikoscores immer besser differenziert werden kann. Zum anderen bewegen wir uns bei den Lymphomen ebenso wie bei anderen Krebserkrankungen schrittweise weg von den klassischen Chemotherapien und setzen zunehmend auf immunologische und zielgerichtete Behandlungsformen. Vorreiter sind hier schon seit Längerem die aggressiven Non-Hodgkin-Lymphome und darunter vor allem das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL), das für etwa 35 % aller Non-Hodgkin-Lymphome verantwortlich ist. Einen Überblick zu dieser Entität geben in diesem Heft Prof. Anna Lena Illert und Dr. Alisa Martina Lörsch.
Neue Therapieformen beim DLBCL
Das DLBCL war die erste maligne Erkrankung, bei der bereits vor zwei Jahrzehnten durch die Zugabe eines monoklonalen Antikörpers, des gegen das B-Zell-Antigen CD20 gerichteten Rituximab, zur Chemotherapie die Überlebenszeiten verlängert werden konnten. Die neuen Therapieprinzipien, die ebenfalls beim DLBCL angewendet werden, attackieren die malignen Zellen durch immunologisch basierte Mechanismen:
- Bei Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADCs) wird ein Zytostatikum an einen monoklonalen Antikörper gegen ein auf den Tumorzellen lokalisiertes Antigen gekoppelt; dadurch wird die zytotoxische Therapie zielgerichtet auf die malignen Zellen fokussiert. Auf diese Weise lassen sich in den Tumorzellen sehr hohe Konzentrationen des Zytostatikums erreichen, während die Nebenwirkungen minimiert werden. Das ADC Polatuzumab vedotin etwa nutzt das CD79b-Antigen, einen Bestandteil des Antigen-Rezeptor-Komplexes auf B-Lymphozyten, als Eingangspforte zu den Lymphomzellen und hat es beim DLBCL mit intermediärem bis hohem Risiko mittlerweile in die Erstlinientherapie geschafft.
- Lediglich auf immunologischen Prinzipien beruht die Wirkungsweise bispezifischer Antikörper. Bei den meisten bislang zugelassenen Substanzen enthalten diese Medikamente die Antigen-Erkennungsdomänen zweier monoklonaler Antikörper: Die eine bindet an ein Antigen auf den Tumorzellen, die andere an ein Molekül auf zytotoxischen T-Lymphozyten – meist das CD3-Antigen. Diese beiden Zellen werden so in direkten räumlichen Kontakt miteinander gebracht, was es der T-Zelle erleichtert, die Lymphomzelle anzugreifen. Zwei Medikamente dieser Art, Glofitamab und Epcoritamab, wurden soeben zur Therapie des DLBCL ab dem zweiten Rezidiv zugelassen. Dort imponierten sie in den entsprechenden Studien mit hohen Ansprechraten.
- Die komplexeste und aufwendigste Form der neuen Therapien sind T-Zellen mit chimärem Antigenrezeptor (CAR-T-Zellen). Zu ihrer Herstellung werden bisher den einzelnen Patient:innen autologe zytotoxische T-Lymphozyten entnommen und mit dem Gen für einen Rezeptor ausgestattet, der ein Antigen auf den Tumorzellen erkennt. Nach In-vitro-Vermehrung werden diese Zellen den Erkrankten reinfundiert, und sie suchen sich dann den Weg zu ihren Zielzellen, die sie sehr effektiv eliminieren. Beim Frührezidiv und bei primär refraktären Formen des DLBCL sind solche Therapien so effektiv, dass sie hier bereits in der Zweitlinie zugelassen sind.
Verglichen mit anderen Behandlungsformen ist die CAR-T-Zell-Therapie sehr aufwendig und mit einem hohen logistischen Aufwand verbunden: Die für jeden Patienten und jede Patientin individuelle, zentrale Herstellung der autologen Zellen sowie die potenziellen schweren Nebenwirkungen, die eine interdisziplinäre Betreuung erfordern können, beschränken die Durchführung der Therapie auf spezielle, zertifizierte Zentren. Allerdings sind Verfahren in der Entwicklung, bei denen allogene T-Zellen von Fremdspender:innen verwendet werden können. Es kann also gewissermaßen eine Therapie „von der Stange“ erfolgen.
Indolente Non-Hodgkin-Lymphome
Den aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen stehen die indolenten Formen gegenüber, die im Allgemeinen – wenn auch nicht immer – einen langsameren Verlauf zeigen. Die häufigste Entität, das follikuläre Lymphom, benötigt anfangs oft gar keine Therapie. Ist eine solche erforderlich, so lässt sich die Krankheit mit einer Induktions- und gegebenenfalls Erhaltungstherapie häufig für viele Jahre unter Kontrolle halten. Allerdings gibt es zum Teil auch hier raschere Verläufe, die bald nach der Ersttherapie rezidivieren und dann schwer zu kontrollieren sind. Zum anderen erreicht man bei den fortgeschrittenen indolenten – im Gegensatz zu den aggressiven – Formen bisher keine Heilung: Die meisten Patient:innen versterben im weiteren Verlauf an der Erkrankung – jedoch werden durch Aufklärung der zugrundeliegenden molekularen Mechanismen auch hier zunehmend innovative, molekulare und immunbasierte Therapieoptionen entwickelt. Einen Überblick geben in dieser Ausgabe Dr. Louisa Adolph und Prof. Oliver Weigert.
Mantelzell-Lymphom
Zwischen aggressiven und indolenten Lymphomen liegt in gewissem Sinne das Mantelzell-Lymphom, eine seltene, in sich relativ heterogene Entität, die von Natyra Tahiri vorgestellt wird. Gemeinsam ist nahezu allen Erkrankungen die durch eine Gentranslokation verursachte Überexpression von Cyclin D1, doch variiert die Prognose zwischen indolent für die leukämische Form und einem mehr oder weniger aggressiven Verlauf des klassischen Mantelzell-Lymphoms. Das Mantelzell-Lymphom lässt sich mithilfe des MIPI(Mantle cell lymphoma International Prognostic Index)-Score in drei verschiedene Prognosegruppen einteilen, die auch risikoabhängig therapiert werden.
Durch die Verfeinerung der Therapiestrategien hat sich das Gesamtüberleben in den vergangenen Jahren verbessert. Für jüngere Patient:innen mit höherem Risiko hat sich jüngst mit Einführung der Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren (BTKi) in die Erstlinie eine neue, vielversprechende Option eröffnet. Im Rezidiv profitieren neuerdings auch hier Patient:innen, bei denen eine BTKi-Therapie versagt hat, von der Behandlung mit CAR-T-Zellen.
T-Zell-Lymphome
Eine insgesamt ungünstige Prognose schließlich haben die Non-Hodgkin-Lymphome vom T-Zell-Typ; Prof. Marcus Hentrich stellt diese vor. Ausgenommen sind hier die anaplastisch großzelligen T-Zell-Lymphome, die sich gut mit dem von der Therapie des Hodgkin-Lymphoms bekannten ADC Brentuximab vedotin behandeln lassen. Bei den übrigen Formen sind Kombinations-Chemotherapien noch der Standard, wenngleich vor allem für Patient:innen im Rezidiv neue Optionen wie HDAC-Inhibitoren und hypomethylierende Substanzen erprobt werden.
Diese Ausgabe der Trillium Krebsmedizin gibt mit genannten Schwerpunkten einen recht guten und ausführlichen Überblick über ein Gebiet der Hämatologie, das sich derzeit in rasanter Entwicklung befindet. Ich wünsche Ihnen eine kurzweilige Lektüre, die Ihnen für die tägliche Praxis hoffentlich viel Gewinn bringen wird!
Und denken Sie bitte daran: Die German Lymphoma Alliance e. V. (https://www.german-lymphoma-alliance.de/) zählt mit ihren Arbeitsgruppen zu den verschiedenen Lymphomtypen zu den international führenden klinischen Forschungsverbünden auf diesem Gebiet. Es lohnt sich bei vielen Patient:innen, nachzusehen, ob es nicht laufende Studien gibt, in die sie eingeschlossen werden können – sie profitieren in jedem Fall davon!