mPDAC: NALIRIFOX als neues Erstlinienregime
Auf dem ASCO 2023 wurde berichtet, dass in der Phase-III-Studie NAPOLI 3 das Regime NALIRIFOX (liposomales Irinotecan [nal-IRI] plus 5-Fluorouracil [5-FU] und Oxaliplatin) in der Erstlinientherapie von Patient:innen mit metastasiertem Adenokarzinom des Pankreas (mPDAC) zu einem signifikant besseren Gesamtüberleben (OS) als eine Therapie mit Gemcitabin plus nab-Paclitaxel geführt hat [1]. Das mediane OS lag im NALIRIFOX-Arm (n = 383) bei 11,1 Monaten, im Standardarm (n = 387) bei 9,2 Monaten. Das entspricht nach median 16,1 Monaten Beobachtungsdauer einer relativen Risikoreduktion für Tod um 17 % (Hazard Ratio [HR] 0,83; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 0,70–0,99; p = 0,04). Wie Prof. Zev A. Wainberg von der Universität von Kalifornien in Los Angeles, CA/USA, in Barcelona berichtete, war der Vorteil für NALIRIFOX auch in allen untersuchten Subgruppen festzustellen, unabhängig vom Performancestatus, der Zahl der Lebermetastasen oder dem Alter [2]. Als Folgetherapien hatte in beiden Armen gut die Hälfte der Patient:innen eine weitere Chemotherapie erhalten, im NALIRIFOX-Arm vor allem eine Gemcitabin-basierte Therapie und im Kontrollarm vor allem eine 5-FU-basierte Therapie. Eine Sensitivitätsanalyse belegte einen noch größeren Vorteil der Erstlinientherapie mit NALIRIFOX, wenn der Effekt der Folgetherapien herausgerechnet wurde. Das mediane OS bis zu Beginn der nächsten Therapie betrug 15,1 Monate mit NALIRIFOX und 9,2 Monate mit Gemcitabin plus nab-Paclitaxel. Damit ist NALIRIFOX Wainbergs Ansicht nach ein neues Referenzregime zur Erstlinientherapie des mPDAC.
Einfachere Alternative
NALIRIFOX geht allerdings mit 46-stündigen 5-FU-Infusionen und damit meist der Anlage eines zentralen Venenkatheters einher. Ersetzt man 5-FU durch das orale Fluoropyrimidin S-1, erleichtert das die Therapie für die Patient:innen. Laut Prof. Changhoon Yoo von der Asan-Universitätsklinik in Seoul, Südkorea, ist das resultierende sogenannte NASOX-Regime (nal-IRI: 50 mg/m² D1, 40 mg/m² S-1 BID D1–7, Oxaliplatin 60 mg/m² D1 q2w) vergleichbar gut wirksam und verträglich wie NALIRIFOX [3]. Das mediane OS betrug in einer Phase-I/II-Studie mit NASOX bei 41 Patient:innen mit mPDAC 15,2 Monate, das mediane PFS 6,5 Monate, und die Ansprechrate lag bei 58,5 %. Unerwünschte Ereignisse (UE) der Grade 3–4 traten nur selten auf. Yoon regt weitere Studien mit diesem Regime an, das eine vergleichbar wirksame und tolerable, aber einfacher durchzuführende Alternative zu NALIRIFOX darstellen könnte.
Magenkarzinom: Pembrolizumab-Vorteil auch für PFS2
In der KEYNOTE-859-Studie war bei Patient:innen mit HER2-negativen fortgeschrittenen Karzinomen des Magens und gastroösophagealen Übergangs (GEJ) mit Pembrolizumab zusätzlich zu einer Platindublette ein verbessertes OS und PFS im Vergleich zur Platindublette allein gezeigt worden [4]. Der OS-Vorteil setzte sich in die nächste Linie fort, erklärte Prof. Lucjan Wyrwicz vom National Cancer Research Institute in Warschau, Polen [5]. Das mediane PFS2, definiert als Zeit von der Randomisierung bis zum objektivierten Tumorprogress in der nächsten Linie oder Tod jeder Ursache, lag mit Pembrolizumab bei 11,2 Monaten, ohne Pembrolizumab bei 10,0 Monaten (HR 0,76; 95%-KI 0,68–0,85). Der Anteil der Behandelten, die nach 24 Monaten noch ohne zweiten Progress lebten, betrug mit der Immunchemotherapiekombination 24,2 %, mit der Platindublette alleine 13,3 %. Vergleichbar viele Patient:innen hatten mindestens eine Folgetherapie erhalten, und die Häufigkeit der dabei eingesetzten Chemotherapien, Immuntherapien mit einem PD-1(„programmed cell death 1“)- oder PD-L1(„programmed cell death-ligand 1“)-Hemmer oder mit VEGF(„vascular endothelial growth factor“)- oder VEGF-Rezeptor(VEGFR)-Inhibitoren war ähnlich.
Breiterer Pembrolizumab-Einsatz?
In Europa ist Pembrolizumab beim fortgeschrittenen HER2-negativen Magenkarzinom/Karzinom des gastroösophagealen Übergangs (GEJ) indiziert, wenn der CPS(Combined-Positive-Score)-Wert ≥10 ist. In der KEYNOTE-859-Studie profitierten allerdings nicht nur Patient:innen mit einem CPS-Score ≥ 10 signifikant (OS: HR 0,65; 95%-KI 0,53–0,79; p < 0,0001), sondern auch solche mit einem CPS-Score ≥ 1 (OS: HR 0,74; 95%-KI 0,65–0,84; p < 0,0001). In den USA und in Japan ist Pembrolizumab in dieser Indikation ohne jegliche CPS-Einschränkung zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob Pembrolizumab in Europa aufgrund der neuen Studiendaten zumindest eine Zulassung bei einem CPS-Wert von 1–9 erhält. Wie Prof. Florian Lordick, Direktor des Universitären Krebszentrums Leipzig, erläuterte, wäre dann für diese Patient:innen der Einsatz von Pembrolizumab im Rahmen einer gemeinsamen Entscheidungsfindung und unter Berücksichtigung anderer individuell möglicher Optionen einer zielgerichteten Therapie zu erwägen. Nach der ESMO-Magnitude-of-Clinical-Benefit-Skala sei der klinische Vorteil von Pembrolizumab bei dieser Gruppe von Patient:innen mit einer HR von 0,85 allerdings grenzwertig, meinte er.
HCC: Fortschritt durch die Immuntherapie
Die Studie RATIONALE-301 hatte zuvor bereits ihren primären Endpunkt erreicht: Das OS war mit Tislelizumab in der Erstlinientherapie des nicht resektablen hepatozellulären Karzinoms (HCC) Sorafenib nicht unterlegen (15,9 vs. 14,1 Monate) [6]. Tislelizumab ging aber mit einem günstigeren Sicherheitsprofil einher. Viele Patient:innen erkranken in höherem Lebensalter an einem HCC. Daher blickte Prof. Arndt Vogel von der Medizinischen Hochschule Hannover auf die Subgruppe von 255 über 65-Jährigen in der Studie, die 37,8 % der Studienpopulation ausmachten [7]. Dabei zeigte sich mit Tislelizumab kontraintuitiv ein numerisch längeres OS für die Älteren gegenüber der Gesamtpopulation (18,2 v. 15,9 Monate). Mit Sorafenib gab es dagegen keinen Unterschied zwischen Älteren und Jüngeren (14,2 vs. 14,1 Monate). Auch beim PFS und der ORR ergaben sich leichte Vorteile unter der Immuntherapie für die ältere Subgruppe. Allerdings hatten die älteren in die Studie eingeschlossenen Patient:innen auch im Mittel eine weniger fortgeschrittene Erkrankung, einen günstigeren Performancestatus und seltener eine virale Genese des HCC. Die Interpretation der Ergebnisse ist also schwierig. So verwies Vogel in seinem Resümee der Post-hoc-Analyse vor allem auf das bei ≥ 65-Jährigen günstigere Nebenwirkungsprofil unter Tislelizumab im Vergleich zu Sorafenib.
Rekord-4-Jahres-Überleben beim nicht resektablen HCC
Die HIMALAYA-Studie hatte in der Erstlinientherapie des nicht resektablen HCC einen klaren OS-Vorteil für die Kombination von einer Dosis Tremelimumab zusätzlich zur regelmäßigen Therapie mit Durvalumab (STRIDE-Regime) gezeigt [8]. Wie Prof. Bruno Sangro von der Universitätsklinik in Navarra, Spanien, jetzt berichtete, ist die 4-Jahres-OS-Rate mit dieser Kombination die beste, die bislang für das nicht resektable HCC berichtet wurde: Jeder Vierte lebte nach vier Jahren noch (25,2 vs. 15,1 % mit Sorafenib) [9]. Patienten- und Krankheitscharakteristika, die ein Langzeitüberleben vorhersagen könnten, fanden sich nicht. Die Therapie mit Durvalumab allein war in der HIMALAYA-Studie ähnlich wie Tislelizumab in der Studie RATIONALE-301 der mit Sorafenib nicht unterlegen.
Intermittierende mCRC-Therapie
Das Regime FOLFIRI (Folinsäure, 5-Fluorouracil und Irinotecan) ist beim metastasierten kolorektalen Karzinom (mCRC) auch intermittierend gegeben effektiv. In der Phase-II-Studie IMPROVE prüfte man, ob das auch für die Kombination von FOLFIRI mit Panitumumab beim nicht vorbehandelten, nicht resektablen oder metastasierten CRC mit RAS-/BRAF-Wildtyp gilt [10].
Wie Dr. Alfonso De Stefano von der INT-Stiftung Pascale in Neapel, Italien, berichtete, erhielten die Patient:innen randomisiert in einem Arm kontinuierliche Zyklen von Panitumumab plus FOLFIRI (Folinsäure, 5-Fluorouracil und Irinotecan) bis zum Progress und anschließend eine Zweitlinientherapie nach Wahl des Prüfarztes/der Prüfärztin. Im experimentellen Arm war die Therapie mit Panitumumab plus FOLFIRI bis zu maximal acht Zyklen vorgesehen, auf die ein behandlungsfreies Intervall folgte. Nach einem Progress erhielten die Patient:innen dieser Gruppe noch einmal bis zu acht Zyklen FOLFIRI plus Panitumumab, bei erneutem Ansprechen oder stabiler Erkrankung folgte wieder ein therapiefreies Intervall.
Nach median 30 Monaten lag das mediane PFS unter der Therapie (PFSOT, primärer Endpunkt der Studie) mit kontinuierlicher Therapie bei 11,4 Monaten und mit intermittierender Therapie bei 18,1 Monaten. Bei den 80 % der Patient:innen mit einem linksseitigen Tumor war der Vorteil im medianen PFSOT noch größer (11,7 vs. 23,9 Monate). Das mediane OS war vergleichbar (31,0 vs. 32,2 Monate), mit intermittierender Therapie traten aber weniger Hauttoxizitäten auf. Eine Phase-III-Studie zur intermittierenden Therapie läuft. De Stefano hofft, dass damit langfristig weniger neu erworbene Resistenzen auftreten.
Schockergebnis beim biliären Karzinom
NUC-1031 ist eine Weiterentwicklung von Gemcitabin, die für eine höhere Stabilität im Plasma und einen größeren intrazellulären Gehalt des aktiven Metaboliten sorgen soll. Nach ermutigenden Phase-I-Studien mit vielversprechenden Ansprechraten beim biliären Karzinom und einer akzeptablen Toxizität beim Einsatz bei anderen Karzinomen wurde eine Phase-III-Studie initiiert. Verglichen wurde NUC-1031 (725 mg/m²) plus Cisplatin (25 mg/m²) mit Gemcitabin (1.000 mg/m²) plus Cisplatin (25 mg/m²) bei nicht vorbehandelten Patient:innen mit einem lokal fortgeschrittenen oder metastasierten biliären Karzinom.
Wie Prof. Jennifer J. Knox vom Princess Margeret Cancer Center in Toronto, Kanada, berichtete, musste die Rekrutierung allerdings frühzeitig gestoppt werden, als die erste Interimsanalyse einen OS-Vorteil im Standardarm zeigte [11]. Das mediane OS betrug mit NUC-1031 plus Cisplatin 9,2 Monate, mit Gemcitabin plus Cisplatin 12,6 Monate (HR 1,79; p < 0,001). Alle Patient:innen wurden auf den Standard umgestellt. Die Kaplan-Meier-Kurve belegte ein Auseinanderweichen der OS-Kurve zugunsten der Standardtherapie direkt von Beginn an. Ähnliches fand sich auch für das PFS. Es zeigte sich, dass schon innerhalb der ersten 30 Tage deutlich mehr Patient:innen die experimentelle Therapie abgebrochen hatten als die Standardtherapie (14,6 vs. 2,6 %). Bedeutsam war unter anderem die ausgeprägte Lebertoxizität mit NUC-1031.
Knox meinte selbstkritisch, dass das Studiendesign problematisch war. Das unabhängige Datenmonitoring erfolgte erstmals nach sechs Monaten. Das war zu spät, um den negativen Trend frühzeitig zu entdecken und Patient:innen vor Schaden zu bewahren. Die erste Interimsanalyse mit der Untersuchung der Sinnhaftigkeit der Studienfortführung (Futility-Analyse) wurde erst durchgeführt, als bereits 90 % der Patient:innen rekrutiert waren.
Hochrisiko-Magen/GEJ-Karzinom: Chemotherapie doch besser?
Nicht wie gewünscht verlief auch die Phase-II-Studie VESTIGE mit Patient:innen mit gastroösophagealen Adenokarzinomen und hohem Rezidivrisiko (ypN+ und/oder R1). Wie Prof. Elizabeth Smith vom Royal Marsden Hospital, London, United Kingdom, für die europäische Studiengruppe EORTC berichtete, hatten die Betroffenen nach neoadjuvanter Chemotherapie und Operation randomisiert entweder eine Komplettierung der Chemotherapie oder eine kombinierte Immuntherapie mit Ipilimumab plus Nivolumab erhalten [12].
Auch diese Studie wurde vorzeitig gestoppt. Der primäre Endpunkt krankheitsfreies Überleben (DFS) zeigte nach einem Jahr einen Vorteil für die fortgesetzte Chemotherapie (1-Jahres-DFS 62 vs. 49 % bei kombinierter Immuntherapie). Eine Auswertung unter Berücksichtigung von PD-L1- oder Mismatch-Reparatur(MMR)-Status gibt es bislang nicht.
Prof. Salah-Eddin Al-Batran aus Frankfurt am Main betonte in seiner Diskussion, dass es keinen Sinn habe, die adjuvante Chemotherapie wegzulassen, ohne Biomarker für die Stratifizierung des Risikos und damit des Bedarfs für eine weitere Chemotherapie einzusetzen.
Lenvatinib-Pembrolizumab beim mCRC: Am Studiendesign gescheitert
Auch die Phase-III-Studie LEAP-017 verfehlte ihr Ziel. Lenvatinib plus Pembrolizumab verbesserte bei Patient:innen mit vorbehandeltem mCRC ohne hohe Mikrosatelliteninstabilität oder MMR-Defizienz das OS gegenüber einer Standardtherapie (Regorafenib oder Triflutidin/Tipiracil) nur numerisch, aber nicht signifikant (mOS 9,8 vs. 9,3 Monate; HR 0,83) [13]. Da im Studiendesign eine hierarchische Testung festgelegt war, ist die Studie damit negativ ausgegangen.
Das PFS ist mit Lenvatinib plus Pembrolizumab zwar gegenüber der Standardtherapie verbessert (3,8 vs. 3,3 Monate; HR 0,69; 95%-KI 0,56–0,85). Diese Analyse ist aber bei der gewählten hierarchischen Testung nicht regulär. Das Fazit von Dr. Akihito Kawazoe vom Nationalen Krebszentrum in Kashiwa, Japan: Neue therapeutische Optionen für das vorbehandelte mCRC zu entwickeln, bleibe schwierig.
Analkarzinom: Mehr Immuntherapie, mehr Toxizität
Die kombinierte Immuntherapie mit Ipilimumab plus Nivolumab sei beim refraktären Analkarzinom nicht statistisch signifikant effektiver als Nivolumab allein, berichtete Prof. Van Karlyle Morris vom MD Anderson Cancer Center der Universität von Texas in Houston, TX/USA [14]. Das mediane PFS (primärer Endpunkt der Studie) lag mit Nivolumab allein bei 2,9 Monaten, mit Ipilimumab plus Nivolumab bei 3,7 Monaten (HR 0,80; 95%-KI 0,52–1,2; p = 0,16). Die Immuntherapiekombination geht nach einer akademisch initiierten und öffentlich geförderten Studie aber wie zu erwarten mit mehr Toxizität einher. Nur unter der kombinierten Immuntherapie kam es zu einer UE des Grades 5 (Tod infolge einer behandlungsassoziierten schweren Pneumonitis). Auch UE eines Grades 4 traten nur unter der kombinierten Immuntherapie auf (drei Fälle von Hyperglykämien und ein Patient mit einer diabetischen Ketoazidose). Die Studiengruppe plant weitere Analysen, um herauszufinden, wer doch von der kombinierten Immuntherapie profitieren könnte, denn einige Patient:innen sprachen auch lang anhaltend auf Ipilimumab plus Nivolumab an. Morris betonte die Bedeutung von öffentlich geförderten Studien bei seltenen Tumorentitäten, um neue Behandlungsansätze zu entwickeln.