Auf unserem Streifzug durch statistische Fragestellungen in der Onkologie haben wir p-Werte und Signifikanzen, Odds Ratios und Hazard Ratios, Konfidenzintervalle, Überlebenskurven sowie Real-World-Studien für neu zugelassene Medikamente vorgestellt. Dabei ging es fast immer um Wahrscheinlichkeiten, wobei unausgesprochen von „frequentistischen“ Wahrscheinlichkeiten die Rede war.
Diese in der Medizin vorherrschende Deutung der Wahrscheinlichkeit geht davon aus, dass eine Beobachtung beliebig oft wiederholt werden kann. Man ermittelt daher einfach die relative Häufigkeit des untersuchten Ereignisses in einer repräsentativen Stichprobe: Wenn im Jahr 2019 unter 100.000 Deutschen 82 neue Fälle von Darmkrebs auftraten, dann nimmt man an, die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres in Deutschland an Darmkrebs zu erkranken, betrage 82 / 100.000 = 0,82 ‰.
In der Statistik kennt man aber auch noch andere Formen von Wahrscheinlichkeit, zum Beispiel die bei Glücksspielen bedeutsame „Laplacesche Wahrscheinlichkeit“: Auch ohne tausendmal zu würfeln, kann man beispielsweise davon ausgehen, dass in einem Sechstel aller Fälle eine Sechs fallen wird. In der Medizin kommen solche Modelle vor allem bei Computersimulationen zum Einsatz.
Die „Bayessche Wahrscheinlichkeit“ lässt sich unter anderem auf Ereignisse anwenden, die man nicht beliebig oft wiederholen kann, zum Beispiel einen Flugzeugabsturz. Hier muss man sich an die wahrscheinlichste Fundstelle des Wracks oftmals durch Versuch und Irrtum herantasten. In der Onkologie kommt das Bayes-Theorem als frequentistische Anwendung zum Einsatz, wenn man abschätzen möchte, ob hinter einem positiven Krebsfrüherkennungstest auch wirklich ein Malignom steckt. Die Ergebnisse dieser Rechnung können durchaus überraschend sein.
Georg Hoffmann, Frank Klawonn