Vorteile elektronischer Laborbücher: Werkzeug bei der Erstellung und Dokumentation von Forschungsdaten

Elektronische Laborbücher lösen zunehmend Laborbücher in Papierform ab [1]. Dies bietet Vorteile in der operationalen Handhabung, ist aber auch eine strategische Entscheidung im Hinblick auf den Aufbau einer digitalen Forschungsumgebung und die Etablierung eines durchgängigen Forschungsdatenmanagements für digitale Forschungsdaten. Die Vorteile einer elektronischen Form der Dokumentation von Experimenten müssen den Forschenden oft noch vermittelt werden. Daher sind bei Auswahl und Einführung eines elektronischen Laborbuchs eine Reihe von Kriterien und Rahmenbedingungen zu beachten und vorbereitende Analysen durchzuführen.

Schlüsselwörter: Elektronisches Laborbuch, Forschungsdatenmanagement

Einleitung

Vor dem Hintergrund der Einhaltung der Leitlinien zur guten wissenschaftlichen Praxis (GWP), den Möglichkeiten einer Digitalisierung von Forschungsprozessen und den wachsenden Anforderungen an ein institutionelles Forschungsdatenmanagement kommt der Nutzung eines elektronischen Laborbuchs (Elec­tronic Lab Notebook, ELN) in den Lebenswissenschaften eine wachsende Bedeutung zu.
Die Möglichkeiten einer beweissicheren, transparenten Dokumentation von Experimenten, deren Einträge durch die digitale Form schnell durchsuchbar sind, bieten gegenüber der Papierform Vorteile zur Wahrung der GWP und dem Nachweis ihrer Einhaltung [2].
Darüber hinaus spielt ein Laborbuch eine zentrale Rolle in der Erhebungs- bzw. Dokumentationsphase im Lebenszyklus von Forschungsdaten, die vielfach bereits in digitaler Form vorliegen. Die Phasen des Lebenszyklus umfassen die Planung, Erhebung, Dokumentation, Analyse, Archivierung, Publikation und Nachnutzung von Forschungsdaten. Bei der Nutzung eines ELN wird schnell deutlich, dass auch vor- und nachgelagerte Phasen der Dokumentation wie die Datenerhebung oder die Datenanalyse in einen Gesamtprozess eines Forschungsdatenmanagements integriert werden müssen. Somit löst die Einführung eines ELN nicht selten eine Analyse des gesamten digitalen Workflows von Forschungsdaten in einer Forschungseinrichtung aus. Eine Einbettung des ELN in eine vernetzte digitale Forschungsumgebung (Standardschnittstellen, Import-, Exportfunktionen, Anbindung an Repositorien, u. a.) wird in Gang gesetzt [3]. Abb. 1 zeigt eine mögliche Einbettung eines ELN in einen Workflow des institutionellen Forschungsdatenmanagements.

Vorteile eines Elektronischen Laborbuchs

Das ELN bietet Forschenden Vorteile in unterschiedlichen Bereichen. Zunächst bietet es operative Vorteile in der Nutzung:

  • Anlage, Wiederverwendung und Teilen von Vorlagen für Protokolle, Prozesse und Workflows
  • Zeitersparnis durch mögliche Standardisierung, Verwendung von Templates und direkter Verwertbarkeit von bereits digital vorliegenden Daten
  • Leichte Auffindbarkeit spezieller Informationen durch Suchfunktionen und Filtermöglichkeiten
  • Automatische Erfassung von Mess­ergebnissen
  • Zugriff auf das Laborbuch jederzeit von überall

Im Hinblick auf die Einhaltung der GWP bieten sich folgende Vorteile:

  • Vermeidung von Medienbrüchen zwischen handschriftlichen und digitalen Einträgen
  • Vermeidung von Informationsverlust durch Unleserlichkeit
  • Strukturierung und Visualisierung von Prozessen und Workflows
  • Such- und Filterfunktionen
  • Leicht zu erstellende Sicherungskopien/Backups und damit Schutz vor Verlust der Dokumentation
  • Versionsverwaltung und Beweis­sicherheit
  • Erhöhung der Datenqualität durch Konsistenz bzw. Standardisierung der Einträge
  • Erhöhte Nachvollziehbarkeit durch Verbindung/Verlinkung von Dokumentation und Rohdaten

Für ein institutionelles Forschungsdatenmanagement bietet ein ELN Vorteile hinsichtlich der Möglichkeit zur Vorbereitung der Publikation und Langzeitarchivierung von Forschungsdaten:

  • Unterstützung bei der Erstellung von Metadaten
  • Direkte Anbindung an Forschungsdatenrepositorien, Datendienste oder Publikationsplattformen

Ein weiterer Bereich betrifft die Schaffung einer vernetzten digitalen Forschungsumgebung:

  • Import- und Exportfunktion
  • Nahtlose Schnittstellen zu anderen Programmen, z. B. Analyse- und Visualisierungstools
  • API zur Einbindung in die vorhandene Softwareumgebung
  • Messgeräte liefern ihre Daten direkt an das elektronische Laborbuch
  • Kollaboration durch Teilen von Forschungsdaten, Prozessprotokollen, Workflows

Auswahl- und Einführungsprozess

Die Einführung eines geeigneten ELN gliedert sich grob in drei Phasen, die jeweils ihre besonderen Herausforderungen bergen [4]. Am Anfang steht die Auswahl eines oder mehrerer möglicherweise geeigneter Produkte. Daran schließt sich eine Testphase an, während der sich im Idealfall ein Produkt als passend herauskristallisiert. Sobald ein ELN lizensiert und implementiert ist, folgt die Verbreitung in den Forschungsgruppen (Einführungsphase).

Auswahlprozess

Eine große Hürde im Auswahlprozess stellt die Produktvielfalt dar. Es existiert ein breites Angebot von fast hundert Produkten mit unterschiedlichen Schwerpunkten, Ausstattungsmerkmalen und Preisstrukturen.
Eine grundsätzliche Entscheidung besteht zwischen

  • kommerziellen ELNs,
  • Open-Source-Lösungen und
  • Eigenentwicklungen (ggf. auf der Grundlage von Open-Source-Lösungen).

Wichtig ist hierbei, sich nicht in den Möglichkeiten zu verlieren, sondern sich zunächst auf die Definition der eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren („Muss-Kriterien“). Diese werden z. B. anhand einer Bedarfsabfrage in den Laboren ermittelt. Die Ergebnisse können dann mit den Produktmerkmalen angebotener Elektronischer Laborbücher abgeglichen werden. Ist eine Bedarfsabfrage zu aufwendig, werden Kriterien wie z. B. Budget, Konzept (fachgebunden/generisch), benötigter Systemumfang etc. die Auswahl einschränken.

Als Auswahlkriterien können vier Bereiche unterschieden werden:

  • Kernfunktionen Datenverarbeitung (zum Beispiel Import- und Export­formate, Vorlagen)
  • Kernfunktionen Sharing & Publizieren (zum Beispiel Metadatenerstellung, Beweissicherheit)
  • Kernfunktionen IT & Datenschutz (zum Beispiel Datenspeicherung,
  • Bereitstellungsmodell)
  • Informationen zu Herstellersupport, Kosten, Referenzen

Herausforderungen ergeben sich aber nicht nur im Auswahlprozess. Auch während der Test- und Einführungsphase ist eine gute Planung und Begleitung essentiell für die spätere allgemeine Akzeptanz und breite Nutzung des elektronischen Laborbuchs.

Testphase

Neuerungen – so tiefgreifend sie auch die tägliche Arbeit erleichtern und effizienter machen – gehen oft zunächst mit Mehrarbeit und der Notwendigkeit einher, alte Gewohnheiten anzupassen. Aus diesem Grund kann es hilfreich sein, für die Testphase Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, die sowohl „computeraffin“ sind als auch Veränderungen gegenüber aufgeschlossen. Darüber hinaus empfiehlt sich die Entwicklung eines testbegleitenden Fragebogens, in dem die Testpersonen ihre Eindrücke festhalten können. Deren Auswertung kann wichtige Hinweise zur Eignung eines Produktes geben.
Gibt es eine Vorauswahl von mehr als drei ELN, ist es empfehlenswert, diese möglichst nochmals einzuschränken. Es ist zielführender, wenige ELNs intensiv zu testen statt viele nur oberflächlich. Eine Einschränkung kann z. B. dadurch erfolgen, dass die ausgewählten Produkte einem „Vortest“ unterzogen werden anhand der Cloud-Versionen, die viele Anbieter kostenlos zur Verfügung stellen.

Konkret könnte die Testphase folgendermaßen gestaltet werden:

  • Zusammenstellung eines Teams aus affinen Personen für den Test; dieses Team kann später die anderen User bei der Einführung mit den Kenntnissen unterstützen, die es in der Testphase erworben hat.
  • Festlegung typischer Anwendungsfälle, anhand derer die für den Test ausgewählten Produkte verglichen werden sollen.
  • Entwicklung eines Testfragebogens, der abfragt, wie gut die alltägliche Forschungsdokumentation mit dem jeweiligen Tool durchführbar ist. Ebenso kann es nützlich sein, die einfache und intuitive Bedienbarkeit, abzufragen (Usability).  

Einführungsphase

Für die Einführungsphase ist ein spezielles Supportangebot empfehlenswert. Die Erfahrung zeigt, dass der Bedarf an Unterstützung zu Beginn am höchsten ist. Eine Person, die sich einmal von der Nutzung eines ELN abgewandt hat, weil es für ein Problem keine zeitnahe Hilfestellung gab, ist nur sehr schwierig wiederzugewinnen. Eine Möglichkeit, dem vorzubeugen, können vorherige Testpersonen sein, die mit ihrem Erfahrungswissen als Ansprechpersonen zur Verfügung stehen. Bei der Nutzung eines kommerziellen ELN unterstützt der Anbieter in der Regel die Einführung mit entsprechenden Schulungsangeboten. Eine Variante, Schulungen zu vermitteln, sind Online-Tutorials, die auch bei einem späteren „On-Boarding“ weiterer Mitarbeitender genutzt werden können.

ELN-Wegweiser

ZB MED hat die Thematik der Einführung eines ELN im Hinblick auf die wissenschaftlich-theoretische Einordnung in ein Forschungsdatenmanagement und die GWP, vor allem aber auch im Hinblick auf praxisbezogene Handlungsmöglichkeiten, in einem ELN-Wegweiser dokumentiert. Hier finden sich eine Beschreibung von relevanten Auswahlkriterien, konkrete Tools wie eine Bedarfsabfrage, Best-Practice-Beispiele, eine Checkliste sowie zahlreiche Links zu weiterführenden bzw. Hintergrundinformationen [5].

Autor
Birte Lindstädt
ZB MED Informationszentrum
Lebenswissenschaften
Gleuelerstr. 60, 50931 Köln