Impfstoffentwicklung gegen COVID-19: neue Ziele, neue Technologien

DOI: https://doi.org/10.47184/ti.2021.04.03

Gegen COVID-19 werden noch mehr als 300 Impfstoffe entwickelt. Einige von ihnen sollen insbesondere die Transmission durch Geimpfte erheblich reduzieren oder Immunsupprimierte schützen. Zugleich werden zugelassene Impfstoffe an neue Varianten angepasst. In Indien wurde erstmals ein DNA-basierter Impfstoff zugelassen.

Schlüsselwörter: COVID-19, SARS-CoV-2, Impfstoff, Transmission, Immunsupprimierte

Die Hoffnung, die Pandemie zu überwinden, ruht weiterhin vor allem auf den Impfstoffen – den schon verfügbaren und den mehr als 300, die zusätzlich weltweit noch in Entwicklung sind [1]. Allein unter Mitwirkung von industriellen und akademischen Laboren in Deutschland könnten noch mindestens 15 weitere unterschiedlichen Typs hinzukommen [2] (siehe Abb. 1). 

Für die bis März 2021 in der EU eingeführten vier COVID-19-Impfstoffe liegen mittlerweile umfassende Erfahrungen vor [3]. Die in den Phase-III-Studien ermittelte gute Verträglichkeit hat sich grundsätzlich bestätigt; allerdings sind seither noch seltene und sehr seltene Nebenwirkungen bekannt geworden, die teilweise schwerwiegend ausfallen: bei den beiden Vektorviren-Impfstoffen etwa VITT (Vakzin-induzierte Immunthrombozytopenie und Thrombosen), bei den zwei mRNA-Impfstoffen Myokarditis und Perikarditis. In Reaktion darauf haben manche Länder die Verwendung einzelner Impfstoffe auf dadurch weniger gefährdete Altersgruppen beschränkt. Die nach Impfung von Erwachsenen beobachtete VITT waren auch der Grund, eine Studie mit dem Oxford/AstraZeneca-Impfstoff ChAdOx1-S mit Minderjährigen anzuhalten [4].
Für Minderjährige zugelassen wurden in der EU bislang die beiden mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer (ab 5 Jahren) [5] und Moderna (ab 12 Jahren). Für letzteren hat Moderna auch eine Zulassung für Kinder ab 6 Jahren beantragt.

Impfstoffe auf Basis von Protein oder inaktivierten Viren vor Markteinführung

Ab 2023 dürften zusätzlich auf Proteinen oder inaktivierten Viren basierende Impfstoffe die Impfprogramme in der EU erreichen (siehe Abb. 2). 

Dazu gehört der Impfstoff NVX-CoV2373 von Novavax, der Aggregate von rekombinantem trimeren Spikeprotein und ein Saponin als Adjuvans enthält. Am 20.12.2021 erhielt er die EU-Zulassung [6]. Ein Impfstoff von Sanofi und GSK befindet sich – paral­lel zu einem laufenden Rolling Review – in Phase-III-Prüfung [7]. Er enthält rekombinantes Spikeprotein, adjuvantiert mit der Öl-in-Wasser-Emulsion AS03. AS03 verwendet auch Medicago (Kanada) für seinen Impfstoff mit virusartigen Partikeln aus rekombinantem Tabak [19]. Einen Zulassungsantrag bei der EMA hat zudem das chinesischen Unternehmen Clover Biopharmaceuticals angekündigt [8]. Sein Impfstoff enthält neben Spikeprotein als Antigen unter anderem ein TLR-9-agonistisches Oligonukleotid als Adjuvans (CpG 1018).
Das gleiche Adjuvans findet sich im Impfstoff VLA2001 von Valneva, für den nach erfolgreicher Phase III ein Rolling Review bei der EMA initiiert wurde [9]. Hauptbestandteil sind wie bei einem klassischen Totimpfstoff abgetötete Erreger, die zuvor in Vero-Zellen vermehrt wurden. SARS-CoV-2 aus Vero-Zellen verwendet auch der chinesische Hersteller SinoVac für sein Vakzin CoronaVac, den die EMA ebenfalls in einem Rolling Review prüft [10]. 
Alle sechs Impfstoffe können bei Kühlschranktemperaturen gelagert werden – ein Vorteil gegenüber den mRNA-Impfstoffen, die starke Kühlung benötigen. Für die Impfstoffe von Novavax, Sanofi/GSK und Valneva hat die EU Lieferverträge abgeschlossen. 
Was die Impfstoffe im Vergleich zu den ersten vier leisten, werden die kommenden Monate zeigen. Immerhin ist VLA2001 als erster Impfstoff in Phase III nicht gegen Placebo, sondern direkt (erfolgreich) gegen den Oxford/AstraZeneca-Impfstoff getestet worden.

DNA-basierte Impfstoffe

In Indien wurde schon im August 2021 der weltweit erste Impfstoff mit Plasmid-DNA (Notfall-)zugelassen: ZyCoV-D gegen COVID-19 [11]. Entwickelt wurde er vom indischen Unternehmen Zydus Cadila. Für eine vollständige Immunisierung sind drei intradermale Injektionen nötig. 
Ein weiterer DNA-Impfstoff, INO-4800 vom US-Unternehmen Inovio, wird seit Oktober 2021 im Solidarity Trial Vaccines der WHO [12] sowie in einer zweiten Phase-III-Prüfung erprobt [13].Andere DNA-basierte Impfstoffe – etwa von Takis Biotech/Rottapharm Biotech in Italien, von Anges in Japan oder vom europäischen OpenCorona Consortium – sind noch in früheren Entwicklungsstadien. 
Für die Lagerung DNA-basierter Impfstoffe genügen ebenfalls Kühlschranktemperaturen. Laut Hersteller ist ZyCoV-D sogar bei 25 Grad Celsius mindestens drei Monate lang stabil.

Ziel Transmissions-Reduktion

In den letzten Monaten wurde auch deutlich, wo die bislang zugelassenen Impfstoffe Limitationen zeigen. Eine ist, dass die Schutzwirkung nach der Grundimmunisierung schon nach wenigen Monaten wieder nachlässt. Doch Auffrisch-Impfungen – so konnten mehrere Hersteller zeigen – stellen nicht nur den ursprünglichen Schutz wieder her, sondern führen sogar noch zu stärkeren Immunantworten. Dementsprechend sind Booster-Kampagnen in vielen Ländern im Gange.
Nicht zufriedenstellend ist ferner, dass die bisherigen Impfstoffe die Transmission der Viren durch Geimpfte nicht vollständig unterbinden können [14]. So tragen auch diese in gewissem Maße zur Aufrechterhaltung der Pandemie bei. 
Hierzu wird an Lösungen gearbeitet [15]. Hoffnung wird in intranasal zu applizierende Vektorimpfstoffe gesetzt. Schon bis Phase III gekommen ist so ein Impfstoff der Universitäten von Hong Kong und Xiamen sowie Beijing Wantai Biological Pharmacy (DelNS1-2019-nCoV-RBD-OPT1); er beruht auf einem attenuierten Grippevirus. Bei den übrigen finden sich zum Teil Vektorviren, die schon in intramuskulär zu verabreichenden Impfstoffen im Einsatz sind (etwa in Sputnik V oder dem Impfstoff von Oxford/AstraZeneca). Das deutsche Konsortium vir4vac arbeitet – bislang präklinisch – an einem Impfstoff mit Sendai-Virus-Vektor [16]. Einige wenige Unternehmen entwickeln auch proteinbasierte Impfstoffe zur intranasalen Anwendung. 
Ergebnisse aus Tierstudien deuten darauf hin, dass intranasal applizierte Impfstoffe die Transmission von SARS-CoV-2 erheblich herabsetzen können. Für Menschen muss das jedoch noch gezeigt werden.

Impfstoffe für Immunsupprimierte

Die bisherigen COVID-19-Impfstoffe können bei Patient:innen unter Chemotherapie oder mit einigen anders verursachten Immundefizienzen nur einen unzureichenden Schutz induzieren. Mehrere Einrichtungen und Unternehmen arbeiten deshalb gezielt an Impfstoffen für diese Zielgruppe [15]. Ein Ansatz ist die Verwendung von MVA-basierten Vektorviren; den verfolgen das Forschungs- und Therapiezentrum City of Hope (USA) (klinische Phase II) und ein deutsches Konsortium unter Leitung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (Phase I mit inhalativer Anwendung in Vorbereitung). Andere setzen auf Peptid-basierte Impfstoffe, die speziell die T-Zell-Antwort stimulieren sollen; darunter die Universität Tübingen. Ihr Impfstoff CoVac-1 hat bereits Phase II erreicht [17].

Impfstoffe gegen die Variante Omikron

Ein wesentliches Ziel bleibt zudem, dass Impfstoffe vor möglichst vielen Varianten – auch solchen, die erst noch entstehen werden – wirksam schützen. Auch daran arbeiten zahlreiche Unternehmen und Institute [15]. Schnelle Hilfe ist jedoch vor allem von einer Anpassung der schon zugelassenen Impfstoffe zu erwarten. Die haben die Hersteller aller in der EU zugelassenen COVID-19-Vakzinen schon wenige Tage nach Bekanntwerden der neuen Variante Omikron zugesagt, für den Fall dass es erforderlich sein sollte [18]. Auch zahlreiche Unternehmen, deren erste Impfstoffe noch in Erprobung sind, schlossen sich an.

Ausblick

Nicht alle laufenden Projekte für Impfstoffe gegen COVID-19 werden tatsächlich bis zu Ende geführt werden – aus medizinischen wie auch wirtschaftlichen Gründen. Die große Zahl unterschiedlicher Ansätze und der energische weitere Ausbau der Produktionskapazitäten stärken jedoch die Chancen, dass die Pandemie weltweit mit Impfstoffen überwunden werden kann.

Autor
Dr. Rolf Hömke
Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), Berlin
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