Der NF-kappaB-Signalweg: Regulation zahlreicher Komponenten des Immunsystems und deren Beitrag zur Immunhomöostase
DOI: https://doi.org/10.47184/ti.2021.01.03Nuclear factor kappa B (NF-κB) repräsentiert eine Familie von Transkriptionsfaktoren, die an der Regulation von zahlreichen zellulären Prozessen beteiligt sind. Darunter befinden sich Entzündungsabläufe und Entwicklungsprozesse wie das Zellwachstum, die Zellproliferation und Apoptose, sowie Immun- und Stressantworten. Die NF-κB- Signalwege sind in fast allen Zelltypen und Gewebsarten aktiv und haben die Fähigkeit, eine Vielzahl von Genen zu regulieren. Aufgrund dessen sind die Mechanismen zur Regulation der Aktivität von NF-κB von großer Bedeutung. Die wichtigste Rolle spielt NF-κB im Immunsystem durch die Regulation der Expression von Effektoren, die in den Netzwerken der Pathogenantworten eingreifen und so die angeborene und die adaptive Immunität beeinflussen.
Schlüsselwörter: NFKB1, NFKB2, NF-kappaB-Signalweg, Variables Immundefektsyndrom, CVID
Die Transkriptionsfaktoren der NF-κB- Familie
Die NF-κB-Familie der Transkriptionsfaktoren besteht aus fünf Proteinen: p105/p50 (NF-κB1), p100/p52 (NF-κB2), p65 (RelA), RelB, und c-Rel (Abb. 1).
p50 entspricht der aminoterminalen Hälfte des p105, und p52 entspricht der aminoterminalen Hälfte des p100. NF-κB wurde zuerst als biochemische Aktivität entdeckt, die imstande ist, an eine Sequenz (10 bp) im Enhancer des Immunglobulin-K-Leichtketten-Gen zu binden. Die sieben Proteine der NF-κB/Rel-Familie dimerisieren untereinander, um Homo- und Heterodimere zu bilden. Alle sieben besitzen eine aminoterminale Rel-Homologie-Domäne (RHD), die für die Dimerisierung, DNA-Bindung, Interaktion mit den IκBs und die Translokation in den Zellkernen verantwortlich ist. NF-κB- Dimere können an die κB sites der Promotor und Enhancer ihrer Zielgene binden, um mithilfe von Co-Aktivatoren und Co-Repressoren die Transkription dieser zu starten. DNA-Sequenzen, die an spezifische NF-κB-Dimere binden, werden κB sites genannt. Sie haben meist eine Länge von 10 bp mit der Konsensus-Sequenz 5´-GGRN W YYCC-3´ (R steht für eine Purinbase, N für jede Base, W für Adenin oder Thymin, Y für eine Pyrimidinbase), wobei jedes NF-κB-Dimer eine Präferenz für bestimmte κB sites hat. Die NF-κB-Familie kann bis zu 15 verschiedene Dimere ausbilden, von denen 12 potentiell in der Lage sind, an DNA zu binden und die Transkription zu regulieren. Das p50/p65 (NF-κB1/RelA) Heterodimer ist das häufigste Rel Dimer. Es kommt in fast allen Zelltypen vor [1–3].
Die NF-κB-Familie kann aufgrund ihres Transaktivierungspotentials in zwei Klassen eingeteilt werden: Die erste Klasse besteht aus RelA, RelB und c-Rel, die alle eine carboxyterminale Transaktivierungsdomäne (TAD) für die positive Regulation der Genexpression besitzen. Diese TADs interagieren mit Komponenten des Transkriptionsapparates zum Start der Transkription.
Die NF-κB1- und NF-κB2-Genprodukte (p50/p105 und p52/p100) besitzen keine TADs. Das aminoterminale Ende der p105 und p100 Proteine enthält eine RHD, gefolgt von einer Glycin-reichen Region (GRR) und einer Ankyrin-Repeat-Domäne (ANK), die sich auch in der IκB (inhibitor of κB) Proteinfamilie wiederfindet. Die GRR ist wichtig für die kotranslationale Prozessierung von p105 zu p50 und die posttranslationale Prozessierung von p100 zu p52. DNA-gebundene p50 und p52 Homodimere unterdrücken die Transkription von κB-abhängigen Genen, da sie keine TAD besitzen, indem sie die Bindungsstelle für transkriptionell aktive NF-κB-Dimere mit einer TAD besetzen [1,4]. Die Assoziation von p50 und p52 mit einem TAD enthaltenden Rel-Protein führt zur Aktivierung der Transkription von κB-abhängigen Genen [3, 5].
In ruhenden Zellen befinden sich die NF-κB-Komplexe und die NF-κB-Vorläufer zunächst in einer inaktiven zytoplasmatischen Form, indem sie an die Inhibitoren von NF-κB, nämlich an IκBα, IκBβ, IκBε, IκBγ, oder an die Vorläufer p100 und p105 gebunden sind. Die IκB-Proteine enthalten eine ANK, die der Assemblierung mit den Dimeren dient, indem sie mit der RHD der NF-κB-Proteine interagiert. Diese Interaktion mit der Rel-Homologie-Domäne der NF-κB-Komplexe verdeckt die Kernlokalisierungssequenz (NLS) der Dimere, sodass diese im Zytoplasma verbleiben [6]. Dadurch bilden sie einen Mechanismus zur Kontrolle der NF-κB-Aktivität, indem sie deren Fähigkeit, in den Zellkern zu translozieren, kontrollieren. IκB-Proteine inhibieren also die Transkription, indem sie die NF-κB-Dimere von den κB-Elementen fernhalten. Das am besten untersuchte IκB-Familienmitglied ist IκBα. Jedoch ist der Mechanismus zur Retention der NF-κB-Dimere im Zytoplasma durch IκBα komplex: Das primäre Ziel von IκBα ist das p65/p50-Heterodimer. Allerdings kann das gebundene IκBα nur die Kernlokalisierungssequenz des p65-Proteins verdecken, sodass die NLS des p50 zugänglich bleibt. Jedoch beinhaltet IκBα ein Zellkern-Exportsignal (NES), wodurch es zum konstanten Pendeln der NF-κB/IkBα-Komplexe zwischen den Zellkern und dem Zytosol kommt. Während der Aktivierung des kanonischen Signalweges wird IκBα degradiert, sodass es zur Kernlokalisierung der p65/p50-Heterodimere durch die fehlende NES und die nun freiliegende NLS des p65 kommt. Die Phosphorylierung in der aminoterminalen Region von IκBα löst die Polyubiquitinierung und den proteasomalen Abbau von IκBα aus. Dies führt zum Zellkernimport und zur DNA-Bindung von p65/p50. Da das kodierende Gen für IκBα (IKBA) eine κB site besitzt, kommt es unter anderem auch zur Expression von IκBα, wodurch ein negativer Feedback Loop gebildet wird. IκBα und IκBβ inhibieren vor allem Dimere, die RelA/p65 oder c-Rel enthalten. RelB bindet besonders p100. Im Gegensatz zu IκBα pendeln die NF-κB/IκBβ nicht zwischen dem Zellkern und dem Zytosol. Außerdem kann IκBβ an DNA gebundene NF-κB-Komplexe binden und scheint daher eine regulatorische Funktion im Nukleus zu haben [1, 4, 5, 7].
Die Vorläuferproteine p105 und p100
NFKB1 codiert für p105 (969 Aminosäuren), das zu einem kürzeren Protein (p50, 433 Aminosäuren) prozessiert wird. Alle NF-κB-Proteine haben eine N-terminale Rel-Homologie-Domäne. Sie besteht aus der Kernlokalisierungssequenz und der Glycin-reichen Region, die vermutlich als Stoppsignal für den Abbau durch das Proteasom dient. Diese Sequenz bewahrt somit das Protein vor dem kompletten Abbau und führt zu einer Stabilisierung von p50. In der C-terminalen Hälfte besitzt p105 eine Ankyrin-Repeat-Domäne und eine Death-Domäne (DD), die beide während der Prozessierung vom Proteasom abgebaut werden. Die DD erleichtert die Interaktion zwischen p105 und den IκB-Kinasen (IKKs). Aktive IKKs phosphorylieren p105, sodass es zu einer Ubiquitinierung und der posttranslationalen Prozessierung von p105 zu p50 durch das 26S-Proteasom kommt. Die ANK beinhaltet sieben Ankyrin-Motive und ist mit der GRR und der DD Bestandteil des inhibitorischen Proteins IκBγ [6]. p105 kann (wie IκBα) mithilfe der Phosphorylierung von carboxyterminalen Serin-Resten durch IKKβ komplett degradiert werden. Dieser Prozess findet besonders dann statt, wenn p105 an andere NF-κB-Proteine gebunden ist [1, 4].
Obwohl p105 und p100 sich in ihrer Sequenz und Organisation sehr ähneln, sind die Mechanismen zur Prozessierung zu p50 und p52 unterschiedlich. Die Phosphorylierung von p100 durch die IKKα führt zum teilweisen Abbau von p100 durch das Proteasom. Dies führt direkt zur Freisetzung von transkriptionell aktiven p50/RelB-Komplexen [1].
Darüber hinaus können die Vorläufer Proteine p100 und p105 beide als Rel-Inhibitoren agieren, weil mithilfe der RHDs die Dimerisierung mit anderen NF-κB- Molekülen erfolgen kann und ihre carboxy-terminalen Ankyrin-Repeats der inhibitorischen Funktionen der IκB-Proteine dienen [1].
NF-κB-Stimulation und κB-abhängige Zielgene
Eine große Anzahl an externen Stimuli führen zur Aktivierung von NF-κB (Tab. 1), wodurch Gene reguliert werden, die einen Einfluss auf Prozesse wie die Apoptose, Proliferation, Differenzierung, Entwicklung und die Immunantwort haben.
Tab. 1: Aktivatoren des NF-κB-Signalweges [8].
Beispiele | |
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Cytokine | IL-1, IL-2, IL-12, IL-15, IL-17, IL-18, TNF-α |
Liganden | CD28-Ligand, CD2-Ligand, CD35-Ligand, CD3-Ligand, CD40-Ligand, CD4-Ligand, Trail-Rezeptor-1-Ligand (Trail) |
Apoptotische Mediatoren | Anti-Fas/Apo-1, Trail |
Mitogene, Wachstumsfaktoren und Hormone | Knochenmorphogenetische Proteine, Follikelstimulierendes Hormon, Wachstumshormon, Insulin, Nervenwachstumsfaktor, TGF-α |
Physiologische Mediatoren | Anaphylatoxin C3a, Anaphylatoxin C5a, Angiotensin II, Kollagen Typ I, f-Met-Leu-Phe, Hitzeschockprotein 60 (HSP 60), Hämoglobin, Thrombin |
Bakterien | Helicobacter pylori, Listeria monocytogenes, Neisseria gonorrhoeae, Staphylococcus aureus |
Bakterielle Produkte | Exotoxin B, Lipopolysaccharide (LPS), Muramyl Peptide, Staphylococcus Enterotoxin A und B |
Bakterielle und virale Infektionen, inflammatorische Zytokine und Antigen-Rezeptor-Bindung führen alle zur Aktivierung von NF-κB. Zudem kann physikalischer (UV- oder γ-Strahlung), physiologischer oder oxidativer Stress die NF-κB-Aktivierung auslösen. Darüber hinaus ist die Liste der NF-κB kontrollierenden Zielgene außerordentlich lang (Tab. 2).
Tab. 2: Zielgene von NF-κB [8].
Beispiele | |
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Cytokine/Chemokine | IFN-γ, IL-2, IL-6, IL-11, IL-12, TNF-α |
Immunrezeptoren | B7.1 (CD80), CCR5, CD48, T-Zell Rezeptor β Kette, Immunglobulin κ light chain, MHC I |
Akute-Phase-Proteine | Angiotensinogen, Komplementfaktor B, Komplementfaktor C4, C-reaktives Protein, Gewebethromboplastin |
Regulatoren der Apoptose | Bfl 1/A1, Bcl-xL, Nr13, Fas-Ligand, IAPs (Inhibitoren der Apoptose) |
Wachstumsfaktoren | G-CSF, GM-CSF, M-CSF, PDGF B Kette, VEGF C |
Transkriptionsfaktoren | A20, c-myc, c-Rel, IκBα, nfkb1, nfkb2, p53 |
Zelladäsionsmoleküle | ELAM-1, ICAM-1, VCAM-1 |
Es konnten mehr als 100 Gene identifiziert werden, die eine oder mehrere κB-Sequenzen in ihrem Promotor enthalten. Dabei ist zu beachten, dass die NF-κB-Regulatoren (IκBα, p105) NF-κB-abhängig sind, indem sie durch einen Feedback Loop autoreguliert werden (s. o.). Im Bereich der Immunantwort finden sich vor allem Zytokine, Chemokine, Zelladhäsionsmoleküle, Faktoren der Komplementkaskade und Akut-Phase-Proteine. Weitere κB-abhängige Zielgene sind Regulatoren der Apoptose und Proliferation (Cycline und Wachstumsfaktoren). Diese enorme Breite an zellulären Prozessen, die durch NF-κB-abhängige Transkription reguliert werden, lässt darauf schließen, dass Dysregulationen im NF-κB-Signalweg zu zahlreichen Krankheiten führen könnten [1].
Signalwege der NF-κB-Aktivierung
Die Aktivierung von NF-κB erfolgt über verschiedene Signalwege und hängt von der Degradierung der IκB-Proteine ab. Der klassische (kanonische) Signalweg (Abb. 2) wird durch Wachstumsfaktoren, inflammatorische Zytokine wie den Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und Interleukin-1 (IL-1) oder durch bakterielle Lipopolysaccharide (LPS), Antigenrezeptoren oder CD40L stimuliert.
Die Stimulation aktiviert die IκB-Kinasen des NEMO-IKK-Komplexes, der aus IKKα, IKKβ und IKKγ (NEMO) besteht. Hauptsächlich durch IKKβ kommt es zu einer Phosphorylierung des Inhibitors IκBα (NF-kappa-B Inhibitor alpha), einer Polyubiquitinierung und dem darauffolgenden Abbau von IκBα durch das 26S-Proteasom.
Die nun aktiven NF-κB-Homo- und -Heterodimere können in den Zellkern translozieren, wo sie gezielte Genexpression induzieren oder im Falle der Homodimere reprimieren. Im kanonischen Signalweg liegt p50 meistens als Heterodimer mit dem Bindungspartner RelA vor, der durch den Abbau von IκBα freigesetzt wird. Ziel der Genexpression sind zudem die eigenen Inhibitoren von NF-κB, die dann wieder freie Dimere binden und inhibieren können, wodurch eine Feedback-Hemmung entsteht [4, 6].
Der alternative (nicht-kanonische) Signalweg (Abb. 2) ist unabhängig von der Degradation von IκB-Proteinen und signalabhängig. Der Vorläufer p100 liegt normalerweise als Komplex mit RelB vor und die C-terminale Region von p100 unterdrückt die Transkriptionsaktivität von RelB. Die Prozessierung von p100 wird stimuliert durch drei Mitglieder der TNF-Rezeptor Superfamilie: den CD40- Liganden, den BAFF(B cell activating factor)-Rezeptor und den LTβ-(Lymphotoxin β)-Rezeptor. Dies führt zur Aktivierung der NF-κB-induzierenden Kinase (NIK). Die Kinase phosphoryliert und aktiviert IKKα, die wiederum p100 phosphoryliert und somit das Signal für den Abbau zu p52 durch das 26S-Proteasom gibt. Aktive RelB/p52- Heterodimere translozieren in den Zellkern, um dort κB-abhängige Transkriptionsvorgänge zu steuern [6, 7].
Der sogenannte atypische Signalweg gilt als Antwort auf Stressreaktionen der Zelle und wird induziert durch Hypoxie, UV-Strahlung und reaktive Sauerstoffspezies (ROS). Die Stimulation führt zur Phosphorylierung des IκBα-Komplexes durch Tyrosinkinasen oder die Caseinkinase II. Es kommt wie beim kanonischen Signalweg zur gezielten Genexpression [6].
Die NF-κB-Aktivierung kann in zwei Phasen eingeteilt werden, die in unterschiedlichen zellulären Kompartimenten ablaufen: Die erste Phase findet im Zytoplasma statt und besteht aus der Aktivierung der IKKs zur Degradierung der IκBs (klassischer Signalweg) oder der post-translationalen Prozessierung von p100 zu p52 (alternativer Signalweg). Diese Ereignisse führen zur Translokation der NF-κB/Rel-Komplexe in den Zellkern. Die zweite Phase erfolgt im Zellkern und involviert posttranslationale Modifikationen des NF-κB-Transkriptionsfaktor-Komplexes oder der Histone, die die NF-κB-Zielgene umgeben. Diese Phase scheint die Dauer und Stärke der NF-κB- Antwort zu bestimmen, denn die Degradierung der IκBs und die Zellkern-Translokation löst nicht die maximale Antwort aus. Phosphorylierung und Acetylierung des RelA wird benötigt, um einen aktiven NF-κB-Komplex zu bilden. Außerdem führen posttranslationale-Modifikationen an den Enden der Histone zu verstärkter Genexpression. Unterschiedliche Promotor besitzen unterschiedliche Histon-Modifikationen, damit die spezifischen Transkriptionsfaktoren ihren selektiven Promotor finden [3].
Der am besten untersuchte Mechanismus zur Beendigung der NF-κB-Antwort beinhaltet den Wiederaufbau von IκB- Proteinen. Neu synthetisierte IκBα können in den Zellkern translozieren, die DNA-Bindung der NF-κB-Dimere aufheben und dadurch die NF-κB-Proteine wieder ins Zytosol lokalisieren. Des Weiteren gibt es negative Regulatoren, die den Signalweg upstream des IKK-Komplexes beeinflussen. Allerdings wurden auch einige inhibitorische Mechanismen identifiziert, die sich auf die DNA-gebundenen NF-κB-Proteine auswirken. Diese posttranslationalen Modifikationen der NF-κB-Proteine führen zum Ende der Antwort durch die Bindung von veränderten Cofaktoren sowie die Verlagerung und Degradierung der NF-κB-Dimere [1].
Organisation und Aktivierung des IKK- Komplexes
Das Verstehen der Aktivierung des IKK-Komplexes ist ein zentraler Punkt, um die NF-κB-Regulierung komplett nachzuvollziehen. Der NEMO-IKK- Komplex besteht aus zwei katalytischen Kinase-Untereinheiten, IKKα (IKK1) und IKKβ (IKK2), und einer regulatorischen Untereinheit NEMO (IKKγ). Die κB-Kinasen (IKK) sind verantwortlich für die spezifische Phosphorylierung der IκBs und die damit verbundene Auslösung der Degradierung dieser NF-κB-Inhibitoren. Es ist bekannt, dass zur NF-κB-Aktivierung entweder die aktive IKKα oder IKKβ benötigt wird. IKKα und IKKβ sind zu 52 % in ihrer Sequenz identisch, wohingegen NEMO nicht mit IKKα und IKKβ verwandt ist. NEMO enthält am C-Terminus eine Zinkfinger-ähnliche-Domäne, ein Leucin-Zipper und N-terminale sowie C-terminale Coiled-Coil-Domänen. IKKα und IKKβ dime-risieren durch eine Leucin-Zipper-Domäne und binden an NEMO durch eine NEMO-Binding-Domäne (NBD) (Leu-Asp-Trp-Ser-Trp-Leu). Sie enthalten zudem noch eine aminoterminale Kinasedomäne und eine carboxyterminale Helix-Loop-Helix-Domäne (HLH). Während IKKα für den klassischen NF-κB- Signalweg entbehrlich ist, stellt sie jedoch eine wichtige Komponente im nicht-kanonischen Signalweg dar. Dieser Signalweg kann auch in der Abwesenheit von IKKβ oder NEMO funktionieren. NEMO wird im kanonischen NF-κB-Signalweg benötigt. Im Gegensatz dazu ist IKKβ dort nicht essentiell. IKKβ spielt vor allem eine entscheidende Rolle in der Aktivierung von p65-Dimeren durch die Phosphorylierung von IκBα [5].
Zur Aktivierung des NEMO-IKK- Komplexes werden die Phosphorylierungen von zwei Serin-Resten an mindestens einer IKK-Untereinheit benötigt. Ob diese Phosphorylierungen durch Transautophosphorylierung oder durch eine Upstream-Kinase ausgelöst werden, ist allerdings noch nicht bekannt [5].
Beim nicht-kanonischen Signalweg sind TRAF (TNF-Rezeptor-assoziierte Faktoren) und NIK ausreichend, um IKKα zu aktivieren. NIK wird reguliert durch die kombinierte Interaktion von TRAF-Proteinen und kann direkt IKKα phosphorylieren und aktivieren. Beim kanonischen Signalweg ist es komplizierter: Dabei werden sowohl die Proteine TRAF und RIP (Receptor-interacting protein) sowie die Kinase TAK1 (TGFβ-activated kinase-1) benötigt. RIP-Proteine arbeiten upstream als Adapter und rekrutieren den IKK-Komplex, indem sie an NEMO binden und die Aktivierung des Komplexes durch direkte Oligomerisierung oder einen Ubiquitin-abhängigen Mechanismus vermitteln. Ob diese Interaktion TAK1 oder einer anderen Kinase es ermöglicht, IKK zu phosphorylieren oder die IKK-Transautophosphorylierung begünstigt, wird noch diskutiert. TRAF -Proteine scheinen eine Rolle in der Rezeptor-vermittelten IKK-Aktivierung im kanonischen und nicht-kanonischen Signalweg zu spielen. Es ist noch nicht klar, ob sie dabei als Adapter-Proteine agieren oder die Ubiquitinierung katalysieren. Inwiefern die TRAF-Proteine in Verbindung mit den RIP-Proteinen bei der IKK- Aktivierung mitwirken, konnte noch nicht untersucht werden [1, 5].
Mutationen im NF-κB-Signalweg als Auslöser für Krankheit
Aufgrund der vielfältigen Beteiligung von NF-κB an unterschiedlichen zellulären Prozessen ist es nicht verwunderlich, dass Dysregulationen des NF-κB-Signalweges weitreichende Folgen in Bezug auf den Organismus auslösen. Deshalb verursachen Mutationen in verschiedenen Genen (NFKB1, NFKB2, NEMO, REL, A20, IKK, NFKBIA) des NF-κB- Signalweges zahlreich Krankheiten [9, 10]. Wir haben in den letzten Jahren gelernt, dass heterogene Loss-of-Function- Varianten in NFKB1 die häufigste monogene Ursache für den beim Menschen am häufigsten auftretenden symptomatischen angeborenen Immundefekt, das variable Immundefektsyndrom (engl. common variable immunodeficiency; CVID), sind [11–13]. CVID zählt zu den primären Immundefizienzen (PID) und ist charakterisiert durch wiederkehrende Infektionen in Folge von Hypogammaglobulinämie und der Defizienz an IgA und/oder IgM. Die geringe Produktion von Antikörpern führt zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen, besonders der oberen Atemwege. Die familiäre Vererbung im Falle von NFKB1-Varianten erfolgt autosomal dominant. Diese Mutationen in NFKB1 zeigen jedoch eine reduzierte Penetranz und eine variable Expressivität, wodurch es zur Annahme kommt, dass noch weitere Faktoren eine Rolle spielen müssen [14]. Die meisten Patienten mit schädigenden NFKB1-Mutationen haben typische CVID-Manifestationen wie Hypogammaglobulinämie, eine geringe Anzahl an klassengewechselten Memory-B-Zellen sowie Atemwegs- und Magen-Darm-Infektionen [11]. Zu den Charakteristika zählen wiederkehrende Infektionen der Ohren, Nasennebenhöhlen, Nase, Bronchien und Lunge, inflammatorische Komplikationen und schwache Antikörperantworten. Neben diesen Krankheitserscheinungen sind zudem Autoimmunkrankheiten, Allergien und Krebserkrankungen üblich [14]. Des Weiteren ist es nicht ungewöhnlich, dass es in einer betroffenen Familie asymptomatische Mutationsträger gibt, während andere Familienmitglieder an schweren wiederkehrenden Infektionen leiden. Aus unerklärlichen Gründen zeigt der Phänotyp der Krankheit eine enorme Variabilität auf, wodurch es nicht möglich ist, ein einheitliches Krankheitsbild der CVID-Patienten auszumachen. Dadurch stellt sich die Frage, ob eine Genotyp-Phänotyp-Korrelation besteht, sodass Missense-Varianten des p105-Vorläufers und dem p50, die nicht zu einem kompletten Verlust von NF-κB führen, infolgedessen einen milderen Phänotypen auslösen könnten. Viele weitere Aspekte des CVID variieren individuell (z. B. Grad und Art des Antikörpermangels, der Schweregrad der Zeichen und der Ersterkrankungszeitpunkt) [15].
Die meisten Varianten in NFKB1 sind Missense-Mutationen, die in einen einzelnen Aminosäuren-Austausch resultieren [4, 11]. Der funktionelle Effekt von den zahlreichen Missense-Varianten ist vermutlich abhängig von der betroffenen Aminosäureposition [12, 14]. Des Weiteren gibt es Nonsense-, Exon-skipping- und Frameshift-Varianten in NFKB1, die aufgrund der einzelnen funktionellen Untersuchungen der biologischen Effekte in verschiedene Gruppen eingeteilt wurden [4, 10, 14–22]. Zu der ersten Kategorie (klassischerweise als p50-Haploinsuffizienz-Mutationen bezeichnet) gehören Nonsense- und Frameshift-Mutationen sowie interne Deletionen in der N-terminalen p50-Hälfte des p105, die zur Expression von verkürzten, vermutlich nicht funktionellen Proteinen oder defekten Vorläuferproteinen führen, die im Cytoplasma verbleiben und einem schnellen Abbau unterliegen. Die zweite Gruppe beinhaltet verkürzende Frameshift-Mutationen im zentralen Teil von NFKB1, die zur Beibehaltung der NLS und somit zur Zellkernlokalisierung dieser p50-ähnlichen Proteine führen. Diese mutierten Proteine werden aufgrund des Überspringens des Vorläufer-Stadiums als „precursor skipping“ Proteine bezeichnet. Die letzte Kategorie schließt die proximalen NFKB1-Verkürzungen ein, deren Effekte noch weitgehend unbekannt sind [12, 14].
Die Identifikation dieser und weiterer pathogenen Mechanismen der NFKB1- Varianten ist für die Entwicklung von gezielten Therapien essenziell.