Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) als Signalmoleküle und metabolische Regulatoren in T-Lymphozyten

Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) sind eine Gruppe von reaktiven Sauerstoffmolekülen, welche durch verschiedene zelluläre Vorgänge entstehen können. Zunächst wurden ROS lediglich mit zellschädigenden Vorgängen und dem Zelltod in Verbindung gebracht. Neuere Studien zeigen jedoch, dass ROS wichtige Signalmoleküle sind, welche viele immunologische Vorgänge und den Zellstoffwechsel beeinflussen. Zelluläre ROS-Konzentrationen müssen optimal austariert sein, um die Funktionalität der Zellen zu gewährleisten. Dies bedingt eine regulierte ROS-Produktion und deren kontrollierte Inaktivierung durch Antioxidantien, welche den zellulären Redoxstatus einer Zelle definieren. In diesem Artikel werden die ROS-generierenden und -inaktivierenden Prozesse besprochen und ihr Einfluss auf die Signalleitung, den Metabolismus und die Auswirkungen von immunologischen Effektorfunktionen am Beispiel von T-Zellen diskutiert.

Schlüsselwörter: ROS, Antioxidantien, Metabolismus, T-Zellen

Einleitung

Zellulärer oxidativer Stress wird durch Reaktive Sauerstoffspezies (engl. Reactive Oxygen Species, ROS) hervorgerufen und spielt bei der Zellalterung, dem Zelltod und vielen Erkrankungen wie z. B. Krebs oder Autoimmunität eine entscheidende Rolle [1, 2]. Neben diesen negativen Auswirkungen sind ROS auch zelluläre Signalmediatoren, welche beispielsweise wichtige Funktionen und metabolische Prozesse in Immunzellen regulieren [2, 3]. Als ROS bezeichnet man eine heterogene Gruppe von Sauerstoff(O)-Verbindungen, welche durch eine partielle Reduktion von elementarem Sauerstoff (O2) gebildet werden. Dazu gehören unter anderem Wasserstoffperoxid (H2O2), das Superoxid Anion (O2•‒, auch als Hyperoxid-Anion bezeichnet) und das Hydroxyl-Radikal (OH•). ROS-Verbindungen zeichnen sich insbesondere durch ihre hohe chemische Reaktionsfähigkeit aus und können zur oxidativen Schädigung von DNA, Protei­nen und Lipiden führen. Die Sauerstoffradikale OH• und O2•‒ sind sehr reaktiv, aber von sehr kurzer Halbwertszeit, und daher in geringerem Ausmaß an einer Zellschädigung beteiligt, als das stabilere H2O2 [4]. Allerdings kann O2•‒ durch die Aktivität der Superoxid-Dismutase (SOD) in H2O2 umgewandelt werden.

ROS werden in jeder Zelle gebildet

ROS können durch verschiedene zelluläre Vorgänge gebildet werden, hauptsächlich durch mitochondriale Respiration oder durch die Aktivität der NADPH-Oxidasen (NOXs) [5]. Ein geringer Teil des im Zellstoffwechsel verbrauchten Sauerstoffs wird in Mitochondrien in ROS (mROS) umgewandelt, wofür der Elektronentransport durch die mitochondriale Atmungskette entscheidend ist. In diesem sehr effizienten Vorgang werden Elektronen von Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid (NADH) und Flavin-Adenin-Dinukleotid (FADH2) über verschiedene mitochondriale Proteinkomplexe (I–IV) auf den terminalen Elektronenakzeptor Sauerstoff übertragen und dieser zu H2O reduziert. Eine kleine Anzahl der Elektronen, etwa 0,1–2%, gehen in diesem Transport verloren und werden in einer nicht-enzymatischen Reaktion direkt auf Sauerstoff übertragen, was zu einer partiellen Reduktion und der Bildung von O2•‒ führt [6]. Es konnte gezeigt werden, dass die Komplexe I und III der Atmungskette entscheidend für die Bildung von O2•‒ sind [5]. Anschließend kann O2•‒ über spannungsabhängige Anionen-Kanäle (VDAC) in das Zytoplasma gelangen, wo es von der SOD in H2O2 konvertiert wird [6].
Zusätzlich zu Mitochondrien werden ROS auch von Mitgliedern der NOX-Protein-Familie generiert, die in der Zellmembran lokalisiert sind. Dabei handelt es sich um Enzym-Komplexe, die je nach Lage und Zusammensetzung O2•‒ in den extrazellulären oder intrazellulären Raum abgeben können. Entsprechend sind die unterschiedlichen NOX-Isoformen in verschiedenen Organellen wie dem Mitochondrium, dem endoplasmatischen Retikulum oder der nuklearen Membran lokalisiert. NOX-Enzyme der Plasmamembran sind beispielsweise entscheidend für den „oxidativen Burst“ von Zellen des angeborenen Immunsystems wie Neutrophile und Makrophagen bei der Phagozytose von Pathogenen. Somit katalysieren NOX-Enzyme die Bildung wichtiger Effektoren der Immunantwort [7]. Verschiedene andere Enzyme können ebenfalls ROS produzieren, wie z. B. Cyclo­oxygenasen, Lipoxygenasen und Cytochrome P450 [2, 5].

Die Kontrolle von ROS gewährleistet die zelluläre Funktion

Während hohe zelluläre ROS-Konzentrationen zytotoxisch wirken, sind niedrige und mittlere ROS-Konzentratio­nen an der Signalweiterleitung beteiligt. Hierbei nimmt H2O2  als stabilstes ROS-Molekül, welches frei durch Membranen diffundieren kann, eine besondere Funktion ein. In Proteinen kann H2O2  reversible posttranslationale Modifikationen durch die Oxidation freier Thiole einfügen. Dabei handelt es sich vornehmlich um die Oxidation der Sulfhydryl-Gruppen von Cysteinresten (Cys), wodurch Sulfonsäurereste (-SOH), Disulfidbindungen (-SS), Sulfonamidreste oder Glutathionylierungen (-SSG) entstehen können [7]. Diese Modifikationen können die Aktivität der betroffenen Signalmoleküle erheblich beeinflussen und spielen bei der Regulation von Kinasen, Transkriptionsfaktoren, Histon-Deacetylasen, antioxidativen Enzymen und Phosphatasen eine wichtige Rolle [2, 5, 7]. Beispielsweise kann im Fall der Serin-/Threonin-Phosphatasen das katalytische Cys durch ROS vorübergehend oxidiert werden, was zur Inaktivität des Enzyms führen kann. Entsprechend können zelluläre ROS-Konzentrationen einen zelltypspezifischen Signalleitungsschwellenwert definieren und somit die Stärke, aber auch die Richtung der Signalleitung beeinflussen (Abb. 1). Die Kontrolle von intrazellulärem ROS ist daher von fundamentaler Bedeutung für die zelluläre Funktion. Um dies zu gewährleisten, besitzen Zellen einen weitgefächerten antioxidativen Schutzmechanismus. Dieser wird hauptsächlich von NRF2, einem ROS-sensitiven Transkriptionsfaktor, kontrolliert [1, 2]. Steigt die ROS-Konzentration in der Zelle an, wird NRF2 aktiviert und initiiert die Expression von antioxidativen Molekülen, die der zellulären ROS-Anreicherung entgegenwirken. NRF2 kon­trolliert verschiedene antioxidative Systeme wie z. B. die SODs, aber auch Peroxiredoxin (PRX), Thioredoxin (TRX), die Glutathion-Peroxidase (GPX) und die Synthese von Glutathion (GSH). Wie bereits angesprochen konvertieren SODs O2•‒ zu dem weniger reaktiven, aber stabileren H2O2. Anschließend wird H2O2 durch PRX/TRX und GPX/GSH zu H2O reduziert, wodurch der zellschädigenden Wirkung von H2O2 entgegen gewirkt wird [8]. Oxidierte Proteine können ebenfalls durch diesen Mechanismus wieder in den reduzierten Zustand überführt werden. Bei diesen Reaktionen handelt es sich um sog. Redoxreaktionen, bei denen PRX und GPX wechselseitig oxidieren, und durch TRX bzw. GSH wieder reduziert werden (Abb. 2). Letztendlich werden die antioxidativen PRX/TRX- und GPX/GSH-Systeme wieder durch NADPH regeneriert, welches durch unterschiedliche metabolische Prozesse gewonnen werden kann [8].

ROS im adaptiven Immunsystem am Beispiel von T-Zellen

T- und B-Zellen sind eine diverse Gruppe von Lymphozyten und bilden zusammen das adaptive Immunsystem. Mittels ihrer spezifischen Antigenrezeptoren können Lymphozyten Antigene (typischerweise Peptide von Pathogenen oder Tumorzellen) wahrnehmen. Erkennt der T-Zell-Rezeptor sein passendes Antigen, welches im Kontext des Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC) auf der Oberfläche von Antigen-präsentierenden Zellen präsentiert wird, kommt es zur T-Zell-Aktivierung. Das gleiche gilt, wenn der B-Zell-spezifische B-Zell-Rezeptor ein freies Antigen erkennt. Im Zuge dieses Aktivierungsprozesses entstehen erhöhte ROS-Konzentrationen in T- und B-Zellen [2, 9]. Bereits frühe Studien an T-Zellen konnten belegen, dass die Inaktivierung dieses ROS-Signals durch Antioxidantien zu einer verminderten T-Zell-Aktivierung und -Proliferation führt [10], was auf eine wichtige Funktion von ROS in der Signalleitung hindeutet.
Im Zuge der Aktivierung von B- und T-Zellen kommt es zu einer Zunahme der respiratorischen Aktivität und einem dadurch bedingten erhöhten Elektronenfluss durch die mitochondriale Atmungskette. Entsprechend sind Mitochondrien eine Hauptquelle der ROS-Produktion nach der Lymphozytenaktivierung. Im Besonderen sind die Komplexe I und III der Atmungskette an der Produktion von mROS beteiligt [11, 12]. Die spezifische Blockade von Komplex I senkt die mROS-Konzentration, was sich negativ auf die Aktivierung der Transkriptionsfaktoren NF-kappaB und AP-1 und die Produktion von immunologischen Botenstoffen wie IL-2 und IL-4 auswirkt [12]. Anhand von T-Zellen, denen Komplex III fehlt, konnte gezeigt werden, dass mROS wichtig für die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFAT (engl. Nuclear Factor of Activated T cells) ist. Dies führt ebenfalls zu einer Verminderung der IL-2-Produktion und der T-Zell-Proliferation [11]. Die wichtige Bedeutung der Mitochondrien bei der Signalleitung durch die Produktion von mROS wird durch die Translokation dieser Organellen an die immunologische Synapse während der T-Zell-Aktivierung verdeutlicht [13]. Hier erhöhen die Mitochondrien die lokale H2O2-Konzentration durch die mROS-Produktion und verstärken somit das zelluläre Aktivierungssignal [14].
Wie bereits angesprochen können neben den Komplexen der Atmungskette in Mitochondrien auch NOX-Isoformen in den Zellmembranen die zellulären ROS-Konzentrationen erhöhen. T-Zellen exprimieren geringe Mengen des Enzyms NOX2, welches ebenfalls die Aktivierungsprozesse und die Zytokinproduktion positiv beeinflusst, und dessen Aktivität partiell von mROS beeinflusst wird [15, 16].
Obwohl geringe ROS-Konzentrationen die Signalleitung der Zellen unterstützen bzw. diese verstärken, müssen zu hohe zelluläre ROS-Konzentrationen vermieden werden, um die zelluläre Funktionalität aufrechtzuerhalten. Die zelluläre ROS-Konzentration ergibt sich aus dem Gleichgewicht zwischen ROS-Produktion und deren Inaktivierung durch Antioxidantien [2] (Abb.1). In T-Zellen nimmt in diesem Zusammenhang das Tripeptid Glutathion eine besondere Funktion ein. Initiale Arbeiten konnten zeigen, dass Glutathion in T-Zellen essentiell für deren Proliferation ist [17, 18]. Dies konnte in einer genetischen Studie, in der die Glutathion-Synthese spezifisch in T-Zellen ausgeschaltet wurde, bestätigt werden [19]. Glutathion in T-Zellen hält die ROS-Konzentration in einem physiologischen Bereich und ermöglicht somit eine produktive Signalleitung (Abb. 1). Fehlt Glutathion, so steigen die ROS-Konzentrationen in T-Zellen über einen kritischen Schwellenwert, was zu einer verminderten Aktivierung von NFAT, der Kinase mTOR (engl. mechanistic Target Of Rapamycin) und einer deutlich verminderten Expression des Transkriptionsfaktors MYC führt [19]. MYC ist ein wichtiger Regulator des Metabolismus von T-Zellen [20].
Im Zuge der T-Zell-Aktivierung stellen T-Zellen ihr metabolisches Programm von oxidativer Phosphorylierung zur aeroben Glykolyse um. Dies führt zu einer schnelleren, aber ineffizienteren Energiegewinnung und der Bereitstellung von Metaboliten, die für biosynthetische Stoffwechselwege nach der T-Zell-Aktivierung benötigt werden. Dieser Vorgang wird als „metabolische Reprogrammierung“ bezeichnet und ist stark von MYC abhängig [20]. Steigen die ROS-Konzentrationen in T-Zellen allerdings zu stark an, vermindert dies die Expression von MYC, wodurch die metabolische Reprogrammierung der T-Zellen verhindert wird [19]. Somit gewährleistet Glutathion über seine Fähigkeit, ROS in definierten zellulären Konzentrationen zu halten, die metabolische Integrität der T-Zellen. Dies ist stark mit der Funktionalität von T-Zellen verbunden, und die Abwesenheit von Glutathion in T-Zellen verhindert die Proliferation und die Etablierung von T-Zell-Effektorfunktionen (z. B. anti-virale Antworten) [19].
Intrazelluläre ROS-Konzentrationen werden nicht nur von den Zellen selbst beeinflusst, sondern können ebenfalls von außen moduliert werden. Beispielsweise sekretieren Makrophagen und dendritische Zellen während der Antigenpräsentation die Aminosäure Cystein, einen Ausgangsstoff der Glutathion-Synthese. Diese wird von den T-Zellen aufgenommen und in Glutathion umgewandelt, was die Funktionalität der T-Zellen in einer oxidativen Umgebung schützt [21, 22]. Eine oxidative Umgebung entsteht während starker Entzündungsreaktionen, bei denen es zu Interaktionen verschiedener Immunzellen kommt. Im Zuge der Immunreaktion sekretieren Phagozyten und Neutrophile große Mengen an ROS in die Umgebung, um Pathogene zu bekämpfen, welche die Funktionalität der T-Zellen negativ beeinflussen können [2].
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ausgeglichene ROS-Konzentrationen für die Funktion von T-Zellen eine entscheidende Rolle spielen. Sie dürfen einen Schwellenwert nicht unter- oder überschreiten und gewährleisten so die produktive Signalleitung, die Integrität des Metabolismus und die T-Zell-Funktionalität.

Autor
Prof. Dr. Dirk Brenner
Experimental & Molecular Immunology Department of Infection and Immunity Luxembourg Institute of Health Esch-sur-Alzette, Luxembourg
Odense Research Center for Anaphylaxis (ORCA), Department of Dermatology and Allergy Center, Odense University Hospital, University of Southern Denmark, Denmark
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