Systeme für Klinische Chemie und Immunoassays: Tabellenzeit

In Tabellen lassen sich viele Informationen übersichtlich und komprimiert verpacken, so auch im vorliegenden Update. Daher erwarten Sie in dieser Produktübersicht gleich fünf Tabellen, die Ihnen einen guten Überblick über den Stand der Dinge bei den Systemen für das Kernlabor für die Klinische Chemie und die Immunologie geben.

Sieben Hersteller präsentieren hier ihre vollautomatisierten Systeme, die entweder modular an den Bedarf des jeweiligen Labors angepasst und auch in eine Laborstraße integriert oder stand-alone, beispielsweise für kleine bis mittlere Probenaufkommen, eingesetzt werden können.

Standardmäßig teilen wir die Geräte in Systeme für die Klinische Chemie und homogene Immunoassays, in Systeme für heterogene Immunoassays und in konsolidierte Systeme, welche die Klinische Chemie sowie homogene und heterogene Immunoassays unter einem Dach vereinen, ein. Die Informationen dazu finden Sie in den ersten drei Tabellen. Die vierte und fünfteTabelle beinhaltet das Assayportfolio in stark komprimierter Form.

In der unten aufgeführten Tabelle haben wir die von einigen Herstellern zu ausgewählten Fragestellungen entwickelten syndromischen Panels zusammengefasst und kurz erläutert. Die meisten dieser Panels werden mithilfe eines Algorithmus ausgewertet, der eine Aussage zu einem Krankheitsverlauf treffen kann. Durch solche besonderen Spezialisierungen werden die Analysesys­teme für Labore mit genau dieser Spezialisierung interessant.

Was ist neu?

In der Regel präsentieren wir alle zwei Jahre ein Update der hier vorliegenden Produktübersicht und jedes Mal taucht die Frage auf: Was ist eigentlich neu bei den Geräten? Das herauszufinden ist gar nicht so einfach, weil es sich in der Regel um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess mit eher kleinen Schritten handelt, der von allen Herstellern verfolgt wird. Große Neuerungen sind nur von ganz neuen Gerätegenerationen zu erwarten.

Dass sich bei den Herstellern regelmäßig etwas tut, ist unbestritten. Prinzipiell ist die Mean Time Between Repair Visits (MTBRV, zu finden in den drei Gerätetabellen jeweils unter der Rubrik IT, Wartung, vorletzte Zeile) ein Parameter, an dem sich die Weiterentwicklung oder Optimierung eines Gerätes gut ablesen lassen sollte. MTBRV ist ein Begriff aus dem Lean Manufacturing, ein sogenannter Key Performance Indicator oder auch Leistungskennzahl. Diese wird retrospektiv ermittelt. Allerdings sind genug Variationsmöglichkeiten bei der Berechnung denkbar, sodass wir einen Vergleich zwischen den einzelnen Firmen für 2020 und 2022 nicht für sinnvoll halten.

Aber auch am Assayportfolio lassen sich die Weiterentwicklungen der einzelnen Hersteller relativ deutlich ablesen. Der überwiegende Teil verfügt über ein umfassendes Repertoire an Assays der generellen Klinischen Chemie und Immunologie. Zusätzlich haben sie sich oft auf bestimmte Erkrankungen (Syndrome) spezialisiert und in enger Zusammenarbeit mit der Forschung Biomarker dafür identifiziert. Die Messergebnisse der einzelnen Biomarker lassen sich mithilfe aussagekräftiger Algorithmen so auswerten, dass Prognosen oder Therapieempfehlungen ausgesprochen werden können. Diese Algorithmen oder auch Biomarker mit Aussagekraft für bestimmte Syndrome – im Assayportfolio mit ** gekennzeichnet – haben wir in einer eigenen Tabelle zusammengefasst (siehe Tabelle 4, Tabelle 5 und hier folgene Tabelle.

Index

Parameter

Bedeutung

Enhanced Liver

Fibrosis (ELF)

PIIINP = Procollagen III N-terminal Peptide

Progression der Leberzirrhose

HA = Hyaloronic Acid (Hyaluronsäure)

TIMP-1 = Tissue Inhibitor of Metallo-Proteinase 1

Komplement-

aktivität

C3

Verdacht auf Autoimmunerkrankung nach rezidivierenden Infektionen

C4

C1-Inaktivator

CH50

MeMed BV

CRP = C-reaktives Protein

Differenzierung zwischen bakteriell oder viral induzierter Infektion

IP-10 = Interferon-γ inducible Protein

TRAIL = TNF-Related Apoptosis-Inducing Ligand

Nephrocheck

TIMP-2 = Tissue Inhibitor of Metallo-Proteinase 2

Nierenstress, präventiv vor Nierenversagen

IGFBP-7 = Insulin-like Growth Factor-Binding Protein 7

Traumatic Brain

Injury (TBI)

UCH-L1 = Ubiquitin Carboxy-terminal Hydrolase L1

Marker für leichtes Schädel-Hirn-Traum (SHT)

GFAP = Glial Fibrillary Acidic Protein

Zöliakie-

Diagnostik

GDP IgA und IgG = IgA- und IgG-Antikörper gegen deamidierte Gliadinpeptide

Nachweis der Zöliakie

tTg IgA und IgG = IgA- und IgG-Antikörper gegen Gewebe-Transglutaminase

 

Wegweiser für Sepsis und COVID-19

Bereits seit Langem wird nach einer zuverlässigen Unterscheidung von bakteriellen und viralen Infektionen gesucht, um das Entstehen einer Sepsis durch eine frühzeitig einsetzende, zielgerichtete Medikation zu verhindern. Einen deutlichen Fortschritt gab es bereits durch die Einführung des Procalcitonins. Jetzt gibt es einen neuen Algorithmus mit dem Namen MeMed BV, der die Mess­ergebnisse von drei verschiedenen Protei­nen auswertet und dadurch Aussagen zur Ursache einer Infektion zulässt [1].

Ein Hersteller hat diese drei Proteine als Chemilumineszenz-Assays für seine Systeme für heterogene Immunoassays adaptiert und auch den Algorithmus zur Auswertung dieser drei Assays übernommen. Neben dem bekannten C-reaktiven Protein (CRP) zählen mit TRAIL ein die Apoptose förderndes Protein und mit IP-10 ein Folgeprodukt von Interferon-γ zu den Biomarkern, deren Zusammenspiel in diesem Algorithmus ausgewertet wird. Einen entsprechenden Assay gibt es auch am Point of Care (POC) [2].

Neben den wertvollen Aussagen zur Sepsis kann mithilfe der drei MeMed BV genannten Biomarker auch eine Aussage zum Verlauf einer COVID-19-Infektion getroffen werden [3].

Die stille Epidemie

In den letzten zehn Jahren wurde auch intensiv nach prognostischen und diagnostischen Biomarkern für das milde Schädel-Hirn-Trauma (Traumatic Brain Injury, TBI) geforscht. Zwei Biomarker, die von den beiden dominanten Zelltypen im Gehirn, den Neuronen und den Glia­zellen, gebildet werden, sind UCH-L1, die Ubiquitin
C-terminale Hydrolase L1, und GFAP, das saure Gliafaser-Protein. UCH-L1 gilt als Marker für Verletzungen des neuronalen Zellkörpers; GFAP weist nach drei bis 34 Stunden sowohl im Liquor als auch im Serum/Plasma auf ein Schädel-Hirn-Trauma hin [4]. Für die Behandelnden ist wichtig, dass auf eine Computertomographie verzichtet werden kann, wenn diese Marker negativ sind. Auch die anderen Biomarker, die im Assayportfolio für die Neurologie genannt sind, zielen auf traumatische Hirnverletzungen oder Alzheimer ab. Auf diesem Gebiet sind demnächst noch weitere Erkenntnisse zu erwarten.

Das Thema ist bereits im Breitensport angekommen, denn vermeintlich harmlose Kopfverletzungen, z. B. beim Kopfball spielen, können bereits langfris­tig gravierende Folgen für die Betroffenen haben. Letztendlich besteht die Gefahr, an Alzheimer zu erkranken. In Großbritannien wird seit Anfang 2020 Kindern bis zu einem Alter von elf Jahren das Kopfball spielen beim Fußball untersagt [5]. In Deutschland mahnt man zur Vorsicht und führt die Kinder nach den Vorgaben des Deutschen Fußballbundes langsam an das Spielen von Kopfbällen heran. Weitere Maßnahmen, z. B. die Verkleinerung der Spielfelder und der Tore sowie neue Wettbewerbsformen für die Kinder, werden ab der Saison 2024/2025 eingeführt. Ein klares Verbot soll dadurch vermieden werden [6]. Das letzte Wort ist allerdings an der Stelle noch nicht gesprochen.

Algorithmen für Nieren und Leber

Ein weiteres Beispiel für einen Hersteller-spezifischen Algorithmus ist der Nephrocheck, der mit seinen zwei Parametern TIMP-2 (Metallopeptidase-Inhibitor 2) und IGFBP-7 (Insulin-like Growth Factor Binding Protein 7) eine Aussage über die Funktionsfähigkeit der Nieren zulässt und im Vorfeld eines Nierenversagens entscheidende Therapieempfehlungen liefern kann.

Ein Algorithmus, der zur Prognose einer Leberzirrhose beitragen kann, besteht aus drei verschiedenen Parametern. Diese drei Parameter sollen den Ergebnissen einer Biopsie vorgreifen oder diese sogar ersetzen, denn deren  Resultate liegen oft erst nach Wochen vor. Dabei geht es darum, zu ermitteln, ob eine Schädigung in Richtung einer Fibrose und damit in Richtung einer Leberzirrhose voranschreitet.

Probenstraßen und Automation

Besonders im Kernlabor für die Klinische Chemie und die Immunologie geht der Trend immer stärker in Richtung Vollautomation. Personalmangel und Labore, die in drei Acht-Stunden-Schichten arbeiten, sind ein Treiber dieses Automationstrends. Zwei Firmen stellen hier ihre Produkte vor. Probenstraßen sind eines der Kernstücke einer Automationslösung für das Laborautomationssystem (LAS). Auf diesen Laborstraßen werden die Proben von Arbeitseinheit zu Arbeitseinheit transportiert. Weitere Produkte wie Rohrpostsys­teme, Schüttgutsortierer, automatische Zentrifugen, Roboterarme, Archive und viele mehr seien hier nur beispielhaft genannt.

Zukünftig werden vermutlich auch kleine Roboter das Labor unterstützen, indem sie z. B. Transportwege übernehmen. In der Gastronomie, die ebenfalls unter Personalmangel leidet, übernehmen mittlerweile Roboter mit Platz für mehrere Tabletts den Transport von Speisen. Solche Aufgaben lassen sich im Labor sicher auch relativ einfach umsetzen. Wie ein Teilnehmer dieser Produktübersicht auf seiner Homepage schreibt: Medizinische Roboter kooperieren, sie substituieren nicht [7].

Auswertung von Leistungsindikatoren

Eine Automation ist nur so gut wie die Software, die sie steuert bzw. anhand von aussagekräftigen Leistungsindikatoren die Funktionalität eines Labors retrospektiv analysiert. Daten sind schnell zur Auswertung bereit und werden von der genannten Software gebündelt. Dadurch entsteht eine Offenheit, die nicht nur der Laborleitung zur Verfügung steht. Mitarbeiter:innen können für ihren Arbeitsplatz die Kennzahlen überprüfen, Schwachstellen auf den Grund gehen und Verbesserungen beispielsweise an die Geschäftsleitung weiterleiten. 

 

Dr. Gabriele Egert
Prof. Dr. Rudolf Gruber
Mitglieder der Redaktion